EINE LANZE FÜR DIE LANGWEILIGEN GEMEINDEVERSAMMLUNGEN

Das Schaulaufen ist vorbei, die Regierung ist wieder komplett. Im Vorfeld der Bundesratswahlen hätte man anhand der Schlagzeilen und Spekulationen glauben können, die (mediale) Schweiz habe Wahlfieber. Etliche Schweizerinnen und Schweizer hätten sicher gern mitgemischt, tatsächlich konnten nur 246 gewählte Interessenvertreter ihre Stimme abgeben.
Anders läuft es im Frutigland: Am Montag ging die Saison der diesjährigen Gemeindeversammlungen zu Ende. In den letzten Wochen wurde gewählt, über Formales abgestimmt, über Unwichtiges, über Zukunftsweisendes – und das mit mehr oder weniger Engagement und Beteiligung. Letztere ist oft enttäuschend. Dass wichtige Geschäfte die Säle dennoch füllen können, zeigte sich in Adelboden: Hier musste im November ein zweiter Raum geöffnet werden, damit alle Interessierten Platz fanden – ein starkes Zeichen für die Kommunalpolitik, bei der eben alle Stimmberechtigten mitmachen können.
Natürlich gibt es Gemeindeversammlungen, deren Geschäfte zum Einnicken einladen. Budget und Rechnung sind jedes Jahr auf der Traktandenliste und es gibt Sachthemen, mit denen sich Gemeinderäte und Stimmvolk jahrelang abmühen.
In 30 Jahren Tätigkeit in der lokalen Medienbranche habe ich geschätzt 150 Gemeindeversammlungen im Frutigland (und etliche Stadtratssitzungen in Thun) besucht. Vielfach war es für mich als Nicht-Stimmberechtigten spannend, manchmal einfach berufliche Pflicht. Dabei habe ich erlebt, dass nicht nur umstrittene Geschäfte die Anlässe beleben können. Oft birgt das letzte Traktandum Überraschungen oder Unterhaltung. Im «Verschiedenen» gibt es Lob und Kritik, berechtigte und seltsame Anliegen, manchmal entlarvt eine einzige Frage den (fehlenden) Wissensstand der politischen Behörde oder es gibt ein «Gstürm». Mit meiner Anzahl an besuchten Versammlungen liege ich wohl über dem Durchschnitt. Denn es gibt auch Leute, die in ihrem ganzen Leben nie an eine Gemeindeversammlung gehen – sogar in meiner Verwandtschaft. Für mich ist dies unverständlich, denn dort darf jede und jeder mittun.

HANS RUDOLF SCHNEIDER

H.SCHNEIDER@FRUTIGLAENDER.CH

SCHLUSSPUNKT

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