Von allem etwas und wenig richtig
Ein halbes Leben lang war ich Journalist, ein Stück weit bin ich es noch heute. Eine berufliche Identität legt man ja im Pensionsalter nicht einfach ab. Doch was ist schon die berufliche Identität eines Journalisten? Wenn ...
Von allem etwas und wenig richtig
Ein halbes Leben lang war ich Journalist, ein Stück weit bin ich es noch heute. Eine berufliche Identität legt man ja im Pensionsalter nicht einfach ab. Doch was ist schon die berufliche Identität eines Journalisten? Wenn ich mir das überlege, kommt wenig Erfreuliches heraus. Nämlich, dass ich zwar von vielen Dingen ein bisschen was verstehe – aber können tue ich praktisch nichts. Ich kann keinen Bagger und keine Buchhaltung führen, bin unfähig zum Erstellen eines Elektroplans wie zum Schlachten eines Schweins, kann kein Auto reparieren, keine Angeklagte verteidigen und keine Gartenanlage bauen. Solch spezifische Fähigkeiten, mit denen andere Leute ihr Geld verdienen, gehen dem Journalisten ab. Vielleicht hat er vor Jahren mal eine Berufslehre oder ein Studium absolviert – doch das Gelernte ist längst vergessen. Versierten Berufsleuten bei ihrer Arbeit zuzuschauen, kann für Journalistinnen und Journalisten ... tja, ziemlich deprimierend sein. In Umfragen zum Prestige von Berufen, bei denen regelmässig die Piloten obenaus schwingen, findet man uns weit unten. Kein Wunder.
Nun gut – zum Trost beherrschen wir hoffentlich einigermassen die deutsche Sprache: Orthografie, Grammatik, Interpunktion, Satzbaulogik, Stil. Wir sind von Amtes wegen neugierig und in der Lage, in kurzer Zeit das Wesentliche von mehr oder minder komplizierten Sachverhalten zu erfassen (jeden Tag ist's ein anderer) und zu Papier zu bringen. Bei einem Interview die richtigen Fragen zu stellen, ohne allfälligem Bluff aufzusitzen. Dabei hilft eine gewisse Allgemeinbildung. Vielleicht sind wir auch imstande, diverse Artikel und Fotos am Computer zur fertigen Zeitung zusammenzubasteln und ins Internet zu stellen.
Solche Fertigkeiten vermitteln uns beträchtliche Privilegien: In Redaktionssitzungen bestimmen wir mit, worüber überhaupt berichtet wird – und worüber nicht. Und in Kommentaren und Kolumnen dürfen wir unsere Meinung zum Besten geben. Bei all dem halten wir uns (hoffentlich) an den ethischen Kodex des Schweizer Presserats, der die Rechte und Pflichten der Medienschaffenden festlegt.
Journalistinnen und Journalisten können also vielleicht doch ein paar Sachen; zumindest halten diese uns von früh bis spät auf Trab. Davon lässt es sich – trotz ruppiger Wirtschaftslage für die Medien – sogar leben. Unser Dank dafür gebührt der Leserschaft!
TONI KOLLER
TONI_KOLLER@BLUEWIN.CH