Wandertourismus

Die Schweiz ist ein wunderschönes Fleckchen Erde. Mit ihren Bergen, Tälern, Seen, den verschiedenen Sprachen und Kulturen gibt es jede Menge zu erleben – wenn man raus geht und sie zu Fuss entdeckt. So habe ich diesen August meine Ferien mit dem Ziel verbracht, zu Fuss durch die Schweiz zu laufen. Zuerst zog es mich Richtung Westen, über Adelboden und Lenk zum Lauenensee und von dort aus über Gsteig in den Kanton Waadt. Dort sind die Wege teilweise sehr steil und ruppig. Auch andere Wanderer waren unterwegs, um sich eine Auszeit zu gönnen. Sie genossen die schöne Natur und die Einsamkeit.

Etwas weiter Richtung Champex Lac und La Fouly sah es schon ganz anders aus. In Champex Lac begegnete mir das erste Mal eine Gruppe Asiaten, die mit einem Wanderleiter unterwegs waren. Quasselnd und fröhlich liefen sie den Berg hinunter, eine Bahn gibt es dort nicht. Sie schienen aber Spass zu haben.15 Kilometer weiter in La Fouly dann wieder ein ganz anderes Bild. Abends um 18 Uhr trudelten hier gruppenweise Wanderer mit Riesenrucksäcken ein. Sie schienen ziemlich müde zu sein, packten auf dem Camping ihre Sachen aus, stellten ihr Zelt auf und kochten mit ihrem Gaskocher. Obwohl sie nicht die grosse Menge Geld bringen, waren hier alle herzlich willkommen und es gab Platz für alle, die ohne Auto unterwegs sind. Campieren ist überall erlaubt. Am Morgen dann wieder ein Schauspiel. Es wurde zusammengeräumt, und dann pilgerten alle in dieselbe Richtung davon, vor allem junge Leute, die auf der Tour Mont Blanc unterwegs waren.

Später, hinauf zum Grossen Sankt Bernhard, wurde es wieder ruhiger. Ein paar Trailläufer flitzten von einem Ort zum anderen. Grüssen schien hier Pflicht zu sein; jeder der mir entgegenkommt grüsste freundlich.
Im Tessin hatte es unterwegs nicht viele Wanderer, obwohl die Wege sehr gepflegt sind und die Landschaft wunderschön ist. In den Berghütten ist man ein gern gesehener Gast, man begegnet sich auf Augenhöhe und die Ticinesi sind sehr besorgt, dass man ja genug zu essen bekommt. Ein Geheimtipp!

Im Bündnerland fiel mir auf, dass die Einheimischen wieder mehr zu Berge gehen. So begegnete ich öfters auch etwas älteren Herren, die mit Fernglas auf der Suche nach Gämsen oder Steinböcken waren. Beim Vorbeigehen kam ich jeweils schnell mit ihnen ins Gespräch, und sie kannten die Gegend wie ihre eigene Hosentasche.

Und dann gibt es da noch die Via Alpina, die durch die Kantone St. Gallen, Glarus, Uri, Obwalden, Nidwalden, Bern und Waadt führt. Hier traf ich vor allem Paare an, die über Pässe von Ort zu Ort wanderten mit dem Ziel, ein paar schöne Tage in den Bergen und auf den Hütten oder in den Dörfern zu verbringen. Sportliche Leistung und Genuss werden dabei vereint.

Das Ankommen auf der First in Grindelwald riss mich dann rasch aus der Romantik. Völkerscharen mit Sandalen, im langen Abendkleid und oben ohne, mit Handtaschen um den Hals und dem Handy am Selfiestick, latschten mit Kind und Kegel von der Bahnstation zum Bachalpsee. Düfte unterschiedlichster Art und Musik aus dem mitgebrachten Radio strapazierten meine Sinne. Gegrüsst wurde hier nicht – der Gast ist König.

Statt des freundlichen Grusses wurde ich angesprochen mit « Heiter es Gjufel?», wobei der mürrische Gesichtsausdruck verriet, dass ich an meinem «Gjufel» wohl mehr Freude hatte als sie. Da war ich doch glatt froh, wieder in die Ruhe des Kandertals einzutauchen. Obwohl: Auf dem Weg zur Fründenhütte spielte plötzlich mein Kreislauf verrückt. Ich beschloss, mich im Oberbärgli kurz auf eine Bank im Schatten zu setzen und etwas zu essen und zu trinken. Die Terrasse war voll. Prompt wurde ich zurechtgewiesen, dass ich hier nicht sitzen könne, weil die Bank privat sei. Interessant wie der sogenannte Overtourismus auf das Gemüt der einst bodenständigen Älpler Auswirkungen hat. Ich habe mich jedenfalls schon willkommener gefühlt.

HELENE OGI

INFO@FIT-MIT-MOVIDA.CH

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