Tatsachen, Meinungen und Störfaktoren
Eigentlich wäre es so einfach: Es gibt Tatsachen und es gibt Meinungen. Tatsachen sind unverrückbare, überprüfte Feststellungen, über die sich alle einig sind. Unterschiedliche Meinungen entstehen, indem ...
Tatsachen, Meinungen und Störfaktoren
Eigentlich wäre es so einfach: Es gibt Tatsachen und es gibt Meinungen. Tatsachen sind unverrückbare, überprüfte Feststellungen, über die sich alle einig sind. Unterschiedliche Meinungen entstehen, indem die Leute den Tatsachen unterschiedliches Gewicht beimessen. Beispiel: Die Tatsache der schwindenden Artenvielfalt halten manche für eine Katastrophe, während andere finden, es lebe sich doch auch ganz gut mit etwas weniger Biodiversität, und Geld würde besser für andere Bereiche ausgegeben. Eine Tatsache und verschiedene Meinungen dazu: So sähe es aus in der besten aller Welten.
In einer solchen Welt leben wir aber nicht: Zwischen die Tatsachen und die Meinungen schieben sich zwei Störfaktoren.
Zum einen lassen sich manche Menschen vorab durch ihr Gefühl leiten. Beispiele: Ungeachtet der Faktenlage (und oft angestachelt durch demagogische Politiker) haben sie das Gefühl, ihr Land werde gerade durch eine ausländische Masseninvasion zerstört. Andere plagt das Gefühl, die Klimaerwärmung bedeute gleich das Ende der ganzen Menschheit. So basieren allerhand Meinungen auf puren Emotionen, und nüchterne Tatsachen spielen keine Rolle.
Der andere Störfaktor ist die Zukunft: Sie macht aus Tatsachen blosse Vermutungen. Denn bei den präsentierten «Tatsachen» handelt es sich oft um Prognosen, die nun mal mit Ungewissheit behaftet sind.
Beispielhaft sind die anstehenden Volksabstimmungen: Bei einer Neuaufteilung der Gesundheitskosten sehen die einen zusätzlich steigende Krankenkassenprämien voraus, die anderen nicht. Der Autobahnausbau verspricht für die einen flüssigeren Verkehr, die anderen prognostizieren schlicht zusätzlichen Verkehr. Oder die 13. AHV-Rente: Sie erschien den Befürwortern ziemlich problemlos finanzierbar – die Gegner warnten vor einem kommenden finanziellen Desaster.
Wer hat recht? Die Zukunft ist leider auch mit ausgeklügelten Methoden kaum mit Sicherheit vorherzusagen. So stehen die «Tatsachen», zu welchen wir Stellung nehmen sollen, oft auf wackligen Beinen. Wenn der Zahlensalat der Prophezeiungen dann noch allzu kompliziert daherkommt: Was tun Sie nun? Vielleicht verzichten Sie auf eine eigene Meinung (und aufs Abstimmen). Allenfalls orientieren Sie sich an Personen oder Parteien Ihres Vertrauens. Oder Sie entscheiden am Ende einfach nach Gefühl. In diesem Fall ist es kein Störfaktor, sondern ein letzter Rettungsanker.
TONI KOLLER
TONI_KOLLER@BLUEWIN.CH