KOLUMNE – ING.EDANKEN - Vom Nebel ins Sonnige
07.01.2025 KolumneVom Nebel ins Sonnige
Wer das Privileg hatte, die Alt- oder die Neujahrswoche in Frutigen zu verbringen, dem dürfte sicherlich aufgefallen sein, dass der Helikopter beinahe zu einem der Haupttransportmittel im Tal zählte. Da ich ganz in der Nähe des ...
Vom Nebel ins Sonnige
Wer das Privileg hatte, die Alt- oder die Neujahrswoche in Frutigen zu verbringen, dem dürfte sicherlich aufgefallen sein, dass der Helikopter beinahe zu einem der Haupttransportmittel im Tal zählte. Da ich ganz in der Nähe des Spitals wohne, liegt die Anflugstrecke unmittelbar über meiner Mietwohnung. Zeitweise konnte ich beobachten, dass Helikopter in der Luft warten mussten, bis der Landeplatz auf dem Dach des Spitals frei wurde. Ein Hauptgrund für den erhöhten Luftverkehr waren sicherlich die vielen Skifahrer, die – absolut zu Recht – das wunderschöne Wetter und den vielen Schnee genossen. Zusätzlich sorgte der umliegende Nebel dafür, dass durch die schlechten Sichtverhältnisse Spitäler wie Thun und Interlaken zeitweise nicht angeflogen werden konnten. So kam es schliesslich dazu, dass es in Frutigen etwas mehr Landungen als üblich gab.
Nebel ist sehr heimtückisch. Je nachdem, wo man sich befindet, verliert man die Orientierung. Steckt man einmal darin fest, lässt sich nur schwer sagen, wo er wieder aufhört. Wer sich jedoch oberhalb der Nebelgrenze befindet, der kann genau sagen, wo dieser anfängt. Wenn man es über die Grenze geschafft hat, dann ist der Blick zurück auf das Nebelmeer gar etwas Schönes. Dieses Bild lässt sich aus meiner Sicht auch gut auf unser mentales Wohlbefinden applizieren. Es gibt Zeiten, in denen man vor lauter Nebel kaum mehr einen Ausweg sieht und orientierungslos umherirrt. In solchen Momenten können andere Menschen, die sich oberhalb der Nebelgrenze befinden, sehr unterstützend sein. Ihre Sicht ist eine ganz andere und deshalb sagen sie uns vielleicht nicht immer das, was wir hören wollen. Doch gerade ehrlich gespiegelt zu werden, hilft langfristig am meisten.
Meine Frau und ich treffen uns gelegentlich mit einem anderen Ehepaar, um gemeinsam über Herausforderungen in der Beziehung zu sprechen. Es ist mir dabei schon mehrmals aufgefallen, dass wenn jemand anderes ihr genau das Gleiche sagt, was ich gefühlt schon seit Wochen predige, sie es plötzlich glaubt. Ehrlicherweise würde meine Frau wohl das Gleiche über mich sagen. Man sollte aus meiner Sicht deshalb unbedingt schauen, dass man mehrere Personen in seinem Umfeld hat, die einen spiegeln dürfen.
Gemeinschaft ist einer der Hauptschlüssel, die uns helfen können, den Weg aus dem Nebel zurück ins Sonnige zu finden. Dennoch ist nicht jede Gemeinschaft gleichermassen wertvoll. Persönlich muss ich mir immer wieder neu überlegen, mit wem ich meine Zeit verbringen und von wem ich ehrliche Rückmeldung annehmen will. Manchmal kann die Lösung auch sein, einfach zu warten, bis sich der Nebel wieder verflüchtigt. Dies ist jedoch eine gefährliche Methode, da das Tief länger anhalten kann, als man es erträgt. In diesem Fall nützt dann auch der Notfall-Helikopter nichts mehr, da er bei Nebel nicht landen kann …
BENJAMIN HOCHULI
BENI_HOCHULI@GMX.CH