LEBENSGESCHICHTEN - Beziehungen
04.02.2025 KolumneBeziehungen
Im alten Griechenland gab es Philosophenschulen. Die Liebe zur Weisheit – nichts anderes bedeutet das Wort Philosophie – bildete einen Teil der griechischen Kultur. Grosse Philosophen wie Plato, Sokrates, Epikur und Aristoteles prägten die ...
Beziehungen
Im alten Griechenland gab es Philosophenschulen. Die Liebe zur Weisheit – nichts anderes bedeutet das Wort Philosophie – bildete einen Teil der griechischen Kultur. Grosse Philosophen wie Plato, Sokrates, Epikur und Aristoteles prägten die europäische Kultur weit über die Grenzen Griechenlands hinaus. Dem grossen Denker Sokrates wurde einmal folgende Frage gestellt: «Was ist besser: allein zu leben oder zu heiraten?» Seine Antwort lautete: «Tut was ihr wollt – aber ihr werdet beides bereuen.»
Wenn man sich ein wenig in der Welt umsieht, gibt es viele Menschen, die unter ihrer Einsamkeit leiden, und ebenso viele andere, die an ihrer Partnerschaft zerbrechen. Sokrates scheint mit seiner Aussage recht gehabt zu haben.
Im Grunde gibt es ja keinen Menschen, der ohne Beziehungen lebt. Auch diejenigen, die unter ihrem Alleinsein leiden und sich von aller Welt verlassen fühlen, sind eine Beziehung zu ihrem Einsamkeitsgefühl eingegangen. Glücklicherweise können kluge Menschen das Alleinsein dazu nutzen, sich selbst kennenzulernen und so auch eins mit allem zu werden.
Wie auch immer sich ein Mensch entscheidet: Das Leben ist zuweilen harte Arbeit.
Ein gesunder Mensch liebt die Freiheit. Er entscheidet gerne selbst darüber, was er unternehmen will. Gegen den menschlichen Freiheitsdrang ist ja auch nichts einzuwenden, sofern anderen damit nicht geschadet wird. Als freier Mensch muss ich für jede Entscheidung die Verantwortung selbst übernehmen. Ich werde aber reich belohnt, wenn ich durch das Geschenk des freien Willens lerne, die eigenen Gaben – Stärken und Schwächen – gut zu verwalten. Wer es schafft, Freiheitsdrang und selbstverantwortliches Handeln zu verbinden, verwaltet sein Leben gut und ist vertrauenswürdig. Wenn ich vertrauenswürdig bin, bin ich tatsächlich – wie schon gesagt – im A lleinsein eins mit allem geworden und bin eine enge Beziehung mit dem Leben selbst eingegangen.
Jeder gesunde Mensch liebt den Kontakt zu anderen Menschen. Es ist schön, Menschen zu finden, die ein Interesse an dem zeigen, was man zu sagen hat. Selbst ein Gespräch mit demjenigen, der mir unterwegs begegnet, kann lehrreich sein. Auch ein unverbindliches Stammtischgespräch ist lehrreich, wenn die Bereitschaft da ist, einander zuzuhören. Der Stammtisch ist ein guter Einstieg, um Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen.
Menschen, die ähnliche Interessen haben, bilden Interessengruppen (Vereine), so wie der Kaninchenzuchtverein, der sich regelmässig im Gasthof um die Ecke trifft. Ein Verein ist schon eine verbindlichere Art zwischenmenschlicher Beziehung und wird durch Statuten geregelt. In noch grös serem Rahmen muss eine Interessengruppe ein gemeinsames Ziel verfolgen, wenn es um Arbeitgeberfragen und Arbeitnehmeranliegen geht. Wenn sowohl die Arbeitgeber- als auch die Arbeitnehmerseite das Arbeitsverhältnis als gegenseitige Dienstleistung betrachtet, schafft das ein gutes Betriebsklima, und die Arbeit macht Freude.
In sehr engen zwischenmenschlichen Beziehungen ist es wichtig, die Andersartigkeit des Partners zu respektieren. Gegenseitige Offenheit und Ehrlichkeit sind Voraussetzung für eine gut funktionierende Ehe. Ebenso wichtig ist es, einander den nötigen Freiraum zu geben, der persönliche Entwicklung zulässt. Gegenseitiger Respekt und freie Entfaltung der eigenen Persönlichkeit schliessen sich in einer guten Partnerschaft nicht aus, denn sie gehören zusammen.
Je mehr wir liebevoll weise und gleichzeitig weisheitsvoll liebende Menschen werden, desto besser können wir eins mit allem und im Umgang miteinander glücklich sein. Aber der Weg ist mühsam und steinig und erfordert unsere volle Aufmerksamkeit.
BERNHARD NEUENSCHWANDER