Kein Bundesrat in Sicht – was man dagegen tun könnte

Viola Amherd tritt als Bundesrätin zurück. Diese Nachricht kam zwar nicht unerwartet, aber doch überraschend schnell! – offenbar auch für viele Politikerinnen und Politiker, die sich mit einer Nachfolge beschäftigten. Vielerorts war man davon ausgegangen, dass der scheidende Mitte-Parteipräsident Gerhard Pfister sich auf das Amt vorbereiten würde. Und auch der Bündner Martin Candinas gilt schon länger als aussichtsreicher Kandidat.
Beide sagten – neben einer Reihe anderer möglicher Kandidatinnen und Kandidaten – ab. Man kann vermuten, dass dem Bauernpräsidenten Markus Ritter eine einigermassen komfortable Wahl in den Bundesrat bevorsteht. Zu reden gab vor allem, womit die Top-Kandidaten ihre Absagen begründeten: Candinas spüre «kein inneres Feuer» und Pfister würde sich als Bundesrat zu sehr nerven. Dafür wurden die beiden erstaunlich heftig kritisiert, sowohl von Politikerkolleg Innen als auch in den Medien.
Dabei zeigen gerade diese Begründungen, warum Candinas und Pfister als Top-Favoriten galten: Sie denken (und argumentieren) sehr nah an der Lebenswelt der Bevölkerung. Jeder kann sich vorstellen, dass es viel «inneres Feuer» für einen Job braucht, den man sieben Tage in der Woche das ganze Jahr über ausüben muss. Und natürlich sollte man sich einen Beruf suchen, bei dem man sich nicht dauernd über die Umstände aufregen muss, weil man zu wenig selbst steuern kann. Anstatt darüber zu lachen, dass Die Mitte keine (oder nur wenige) Kandidaten für den Bundesrat findet, sollte man besser mal überlegen, warum Pfisters und Candinas Argumente nachvollziehbar sind. Aus meiner Sicht hat es viel mit den Erwartungen der Bevölkerung an Politiker zu tun: Wir erwarten eine Aufopferungsbereitschaft der Spitzenpolitiker für das Land, während die Masse der Schweizerinnen und Schweizer immer weniger bereit ist, sich überhaupt für irgendetwas ehrenamtlich einzusetzen.
Ich gebe zu: Ändern lässt sich weder das eine noch das andere schnell und nachhaltig. Trotzdem bin ich der Meinung, dass man es den Bundesräten ermöglichen sollte, das Amt attraktiver zu machen. Das funktioniert kaum mit den in der Privatwirtschaft üblichen Hebeln wie Lohn, Arbeitszeit oder kostenlose Fitness-Abos. Aber vielleicht könnte es helfen, wenn die Politiker mehr Entscheidungsfreiheit bekämen. Ich fände es zum Beispiel spannend, wenn die Bundesräte vom Volk gewählt würden!– und wenn sie nicht einfach grundsätzlich ins Gremium einzögen, sondern in ein spezifisches Departement. Stellen Sie sich vor, Markus Ritter und Christophe Darbellay würden jetzt in einer Tour de Suisse über ihre Lösungsansätze für die Zukunft der Armee diskutieren! Ich für meinen Teil fände das höchst attraktiv. Und es würde auch dazu führen, dass die Bundesräte mehr kreative Energie in ihre Ämter stecken könnten und weniger von administrativen Lasten bedrückt würden.

SEBASTIAN DÜRST

SEBASTIAN.DUERST@BLUEWIN.CH

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