SCHLUSSPUNKT
14.02.2025 Kolumne«TOURISTEN VERGRÄMEN – SPINNT DER?»
Am 17. Januar schrieb ich an dieser Stelle einen «Schlusspunkt», der den Titel «Touristen vergrämen» trug. Ich griff darin das Thema Overtourism auf und lieferte ein paar Ideen, wie ...
«TOURISTEN VERGRÄMEN – SPINNT DER?»
Am 17. Januar schrieb ich an dieser Stelle einen «Schlusspunkt», der den Titel «Touristen vergrämen» trug. Ich griff darin das Thema Overtourism auf und lieferte ein paar Ideen, wie Kandersteg die Zahl der Gäste reduzieren könnte. Ich riet unter anderem, die kulinarisch verwöhnten ItalienerInnen mit «Pizza Hawaii» zu vertreiben oder Staatsangehörige der stolzen «Grande Nation» mit schlechtem Französisch in die Flucht zu schlagen.
Zweieinhalb Wochen nach Erscheinen der Kolumne erhielt ich zwei Mails. Der Text sei «völlig daneben» und habe zu grossem Unverständnis geführt, schrieb ein aufgebrachter Leser. «Spinnt der?» oder «Will der uns schaden?», habe man sich in seinem Umfeld gefragt. In der zweiten Mail wurde mein Schlusspunkt als «polemisch und unsachlich» kritisiert.
Natürlich war er das, und erst noch mit Absicht. Denn der Inhalt war nicht ernst gemeint: Zwar ist Overtourism in Kandersteg durchaus ein Diskussionsthema, und manche machen sich ernsthafte Gedanken, ob man die Gästezahl nicht eindämmen müsste. Doch «vergrämen» will man Touristen in Kandersteg nicht – schon gar nicht mit untauglichen «Massnahmen» wie den von mir vorgeschlagenen. Vielmehr lieferte ich in der Kolumne eine Anleitung, wie man das Thema nicht anpacken sollte. Um die Absurdität noch zu verdeutlichen, belud ich den Text zusätzlich mit nationalen Klischees. Dadurch, so dachte ich, würde man den Unernst der Lage erkennen. Falsch gedacht.
Die Reaktionen verblüfften und beschäftigten mich. Ich schrieb den Absendern eine wortreiche Mail, in der ich meine Absichten darlegte: dem öffentlichkeitsrelevanten Thema Overtourism einen grotesken Drall zu verpassen und die Realität dadurch ein bisschen aufzulockern. Kann man lustig finden, muss man aber nicht. Jedenfalls war es nicht meine Absicht, jemanden mit dieser Witzelei zu verletzen.
Die redaktionsinterne Kolumne «Schlusspunkt» bietet mehr Freiraum als ordentliche Artikel. Satire darf darin Platz haben, ebenso wie eine ernsthafte, prägnante Meinungsäusserung oder eine persönliche Anekdote. Die unterschiedlichen Stossrichtungen – mal ernst, mal ironisch – erfordern seitens der Leserschaft zweifellos eine gewisse Flexibilität und Offenheit –, die wir ihr aber gerne zumuten.
In meiner Antwortmail bedankte ich mich bei meinen Kritikern – und dieser Dank war ernst gemeint: Ihr offenes Feedback löste in mir einiges aus und zwang mich zur Selbstreflexion. Die Reaktionen gaben mir zudem eine gewisse Hoffnung, zeigten sie doch, dass unsachliche Polemik nicht wie andernorts folgenlos publiziert werden kann – nicht einmal, wenn sie ironisch gemeint ist.
JULIAN ZAHND
J.ZAHND@FRUTIGLAENDER.CH