PUNKTLANDUNG – Zweitklassige Posse, erstklassige Lösung
18.03.2025 KolumneZweitklassige Posse – erstklassige Lösung
Sind sie mit einem 2.-Klasse-Billett auch schon durch eine 1.-Klasse-Türe in den Zug eingestiegen und haben dann in die 2. Klasse hinübergewechselt? Ich schon mehrmals, beispielsweise am Zürcher ...
Zweitklassige Posse – erstklassige Lösung
Sind sie mit einem 2.-Klasse-Billett auch schon durch eine 1.-Klasse-Türe in den Zug eingestiegen und haben dann in die 2. Klasse hinübergewechselt? Ich schon mehrmals, beispielsweise am Zürcher Hauptbahnhof, wenn ich es in letzter Minute vor der Abfahrt noch schaffte, den hintersten Wagen zu erreichen. Im Januar wollten genau das vier Teenager an der Haltestelle Allmend / Messe in Richtung Luzern tun, weil die nächstgelegene Tür zur 2. Klasse heillos überfüllt war. Sie kamen nicht weit: Auf der 1.-Klasse-Einstiegsplattform wurden sie von zwei Zentralbahn-Stichkontrolleurinnen abgefangen und trotz gültigen Fahrausweisen mit je 75 Franken gebüsst.
Der darauf folgende mediale Wirbel gipfelte in einem Beitrag in der Hauptausgabe der Tagesschau. Auf Anfrage von SRF schrieb die SBB, es sei strengstens verboten, sich mit einem 2.-Klasse-Billett in der 1. Klasse aufzuhalten. Dieses Verbot gelte auch für Gänge, Vorräume und Einstiegsbereiche der Wagen. Da scheint es kein Pardon zu geben, auch wenn man damit einen Beitrag dazu leistet, die Abfahrt des Zugs nicht zu verzögern.
Analog dazu hat man als Zweitklassereisender auch nichts in einer Toilette eines 1.-Klasse-Wagens zu suchen. Da stellen sich mir zwei Fragen:
Erstens: Gilt das auch, wenn die Toilette in der 2. Klasse ausser Betrieb ist und ich dringend aufs «Hüsli» muss?
Und wie steht es zweitens mit dem dringenden Bedürfnis eines 1.-Klasse-Fahrgastes in einem S-Bahn-Zug, welcher nur eine Toilette im Bereich der 2. Klasse führt? Würde der Fahrgast nach dem Verrichten seines «Geschäfts» dann auch gebüsst, weil er im falschen Leider findet sich darin auch nichts über gesunden Menschenverstand, Augenmass und Verhältnismässigkeit beim Aussprechen von Bussen in besonderen Situationen. Solche werden allerdings immer häufiger vorkommen angesichts der rasant wachsenden Fahrgastzahlen. Wenn die Bahnen an ihrer Pünktlichkeit festhalten wollen, dann müssen sie alle Türen für alle Fahrgäste freigeben – besonders dann, wenn die eine oder andere einen Kleber trägt, der auf ihren Defekt hinweist und sie somit nicht gebraucht werden kann.
Ich habe bei der BLS angefragt, wie sie solche Situationen handhabt, und zwar am Beispiel eines am späteren Sonntagnachmittag aus dem Wallis kommenden RegioExpress, auf den in Frutigen unzählige Fahrgäste auf der Rückreise beispielsweise vom Wintersport oder Wandern in Adelboden warten. Hier die Antwort: «Auch in BLS-Zügen gilt der Grundsatz, dass Reisende in jener Klasse reisen, für die sie ein Billett haben. Unsere RegioExpress-Züge werden durch Personal begleitet. Dieses beurteilt die Lage situativ. Wenn der Zug sehr voll ist, liegt es im Ermessen der Reisebegleiterin oder des Reisebegleiters, die 1. Klasse ausnahmsweise zu deklassieren, also allen Fahrgästen den Aufenthalt in ihr zu gestatten.»
Geht doch!
KURT METZ
MAIL@KURTMETZ.CH