340-jähriges Dokument kehrt zurück
03.04.2024 KulturIm Jahr 1400 trat Frutigen zu Bern und durfte die alten Rechte behalten. 1648 wurden die oftmals nur mündlich überlieferten Regelungen schriftlich festgehalten. 1684 schrieb Gilgian Schmid diese als wunderbares Dokument ab. Dieses Original fand nun den Weg zurück nach ...
Im Jahr 1400 trat Frutigen zu Bern und durfte die alten Rechte behalten. 1648 wurden die oftmals nur mündlich überlieferten Regelungen schriftlich festgehalten. 1684 schrieb Gilgian Schmid diese als wunderbares Dokument ab. Dieses Original fand nun den Weg zurück nach Frutigen.
Das Original des «Landrecht von Frutigen» ist verschollen; es sind aber fünf Abschriften bekannt. Eine davon liegt im Staatsarchiv Bern, eine im Dorfarchiv Adelboden, von zweien sind die gegenwärtigen Besitzer nicht bekannt. Die älteste Abschrift aus dem Jahr 1684 kam vor über hundert Jahre in den Besitz von Nationalrat und Grossrat Arnold Gottlieb Bühler (1855–1937); seither wurde sie innerhalb der Familie Bühler weitergegeben. Es ist ein handgeschriebenes Buch von 85 Seiten. Ulrich Bühler, ein Urenkel von Arnold Gottlieb Bühler, hat dieses äusserst wertvolle Dokument letzthin der Kulturgutstiftung Frutigen geschenkt und damit dafür gesorgt, dass das «Landrecht» wieder ins Frutigland kommt. Die Stiftung ist hocherfreut über diese grossherzige Schenkung. «Eines der schönsten Ereignisse meiner Zeit als Präsident der Stiftung», sagte Ruedi Egli anlässlich der Übergabe. Er versprach, das «Landrecht» im Archiv der Stiftung sicher zu verwahren.
Was ist das «Landrecht»?
Als das Frutigland, genauer die «obere Landschaft» bestehend aus den heutigen Gemeinden Frutigen, Kandergrund, Kandersteg und Adelboden, im Jahr 1400 zu Bern kam, besass es viele althergebrachte Rechte zur Selbstverwaltung. In regelmässigen Versammlungen in der Fronhofstatt übte die (männliche) Bevölkerung diese Rechte aus. Die Stadt Bern, die neue Herrin des Frutiglandes, gelobte in einer Urkunde, dass diese alten Rechte weiterhin gewährleistet bleiben. Zu jener Zeit waren diese Rechte zum Teil schriftlich festgehalten, zumeist waren sie jedoch nur mündlich überliefert. Da dies mehr und mehr als Mangel empfunden wurde, beschloss man, sie schriftlich zusammenzufassen.
1668 erarbeitete ein zwölfköpfiger Ausschuss der Landschaft Frutigen zusammen mit dem damaligen Kastlan Stefan Wyttenbach das geschriebene «Landrecht von Frutigen». Dieser Ausschuss trug die herkömmlichen Rechte aus alten Freiheitsbriefen, Rödeln, geschriebenen und ungeschriebenen Gewohnheitsrechten und Gebräuchen zusammen, ordnete sie und schrieb sie nieder. Die ganze Rechtssammlung wurde anschliessend von der ganzen Landschaft in der Fronhofstatt gutgeheissen und von Schultheiss und Rat der Stadt Bern (also den «Gnädigen Herren») am 22. Dezember 1668 bestätigt und mit ihrem Siegel in Kraft gesetzt.
Ein eigenes Gesetzbuch
Das «Landrecht» regelte unter 48 Titeln in 82 Satzungen viele Aspekte des Zusammenlebens. Dazu gehörten namentlich: die Erbteilung, die Unterhaltspflichten (beispielsweise jene von älteren Waisen gegenüber ihren jüngeren Geschwistern), das Familienrecht, die Gültbriefe (das waren mit einem Grundpfand abgesicherte Darlehensverträge), die Aufnahme von Fremden zu Landleuten (also Einbürgerungen), die Kirchen- und Armengüter, den Verkauf von Grundstücken (hier hatten beispielsweise die Landleute ein Vorkaufsrecht gegenüber Auswärtigen), die Pacht (beispielsweise durfte kein Land in Pacht nehmen, wer bereits für mehr als sechs Kühe Winterung hatte), das Zaunen, das Allmendrecht, die Bannwälder und Holzmarchen und die Jagd. Auch gerichtliche Verfahren wurden geregelt.
Fotobuch mit dem «Landrecht»
Das Landrecht ist heute nicht mehr gültig. Nachdem sich der moderne, demokratische Staat im 19. Jahrhundert einheitliche Gesetze gegeben hatte, wurde das Frutiger Landrecht überflüssig. Im Jahr 1853 setzte der Grosse Rat dieses ausser Kraft. Ausgenommen davon waren alte lokale Gewohnheitsrechte, die in Gemeindereglementen übernommen wurden.
Die Kulturgutstiftung Frutigland ist glücklich, nun ein für die Geschichte Frutigens so bedeutsames Dokument zu besitzen. Das empfindliche und wertvolle Original wird nicht öffentlich zugänglich sein. Jedoch wurde ein Buch mit den Abbildungen der Originalseiten und der Transkription von Hermann Rennefahrt eigens für die geschichtlich interessierte Bevölkerung geschaffen.
HANS EGLI, FRUTIGEN
Das Buch kann bei der Kulturgutstiftung Frutigland ausgeliehen werden. Kontakt: Ruedi Egli, Wisoeyweg 11, 3714 Frutigen, Tel. 033 671 16 34, info@kulturgutstiftung.ch