BUNDESHAUS Eine glatte Wahl, eine souveräne erste Rede: Albert Rösti triumphiert am Mittwochvormittag in Bern – und beginnt beinahe zu singen.

JULIAN ZAHND
«Wo sind meine Leute? Da sind meine Leute!» Albert Rösti betritt soeben die Galerie des Alpes – jenen Teil des Bundeshauses, in dem sich ein Grossteil seiner Entourage versammelt hat. An den Fenstern hängen an diesem Mittwoch Fahnen von Kandersteg und Uetendorf. Die Stimmung ist gelöst, nach dem Kaffe ist man direkt zum Sekt übergegangen.

Es ist ungefähr 10 Uhr, als die Menge den frisch gewählten Bundesrat in Empfang nimmt. Im Parlamentssaal wird gerade die Nachfolge von Simonetta Sommaruga ermittelt, zwischen den Wahlgängen ist nicht viel Zeit. Dennoch lässt sich Rösti dieses Heimspiel nicht nehmen – einerseits, um sich feiern zu lassen und andererseits, weil er seine Dankbarkeit niemandem vorenthalten will. Beim Empfang hebt der SVP-Politiker die Arme in die Luft wie ein Champion – und das ist er hier zweifelsfrei.

Die Kandersteger und Uetendorfer Delegation, diverse Regierungsräte, Mitglieder der Studentenverbindung – alle wollen ihn persönlich beglückwünschen. Mit letzteren will er schon ein erstes Lied anstimmen, als er es sich im letzten Moment doch noch anders überlegt. Zwar fiel Rösti bereits mehrmals durch musikalische Einlagen vor der Kamera auf. Nach seiner Wahl zum SVP-Präsidenten etwa schlug er den Trommelmarsch gleich selbst. Als frisch gewählter Bundesrat hält er sich zunächst aber zurück.

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Eine gute Stunde zuvor sitzt Albert Rösti sichtlich angespannt im Parlamentssaal, während die Wahlzettel ausgeteilt werden. Zwar gilt er als Kronfavorit für die Nachfolge Ueli Maurers, doch das Taktieren der Parteien ist manchmal undurchsichtig. Die Erlösung kommt aber rasch. Bereits im ersten Wahlgang erreicht Rösti das absolute Mehr und setzt sich gegen seinen Konkurrenten Hans-Ueli Vogt durch. Später wird er zu seiner Wahl sagen: «Überrascht hat sie mich nicht. Aber dass es grad im ersten Wahlgang klappen würde, hätte ich nicht gedacht.»

Kurz nach seinem Triumph tritt Rösti ans Rednerpult, um vor dem Parlament die Annahme der Wahl zu erkären. Seine Ansprache ist sorgfältig vorbereitet und lässt keine Zweifel offen, dass hier jemand seine politische Rolle endgültig gefunden hat: Rösti gibt sich weltoffen, indem er in allen vier Landessprachen spricht und auch lateinische und englische Sätze einstreut. Er tritt staatsmännisch auf, als er die Demokratie und die Meinungsvielfalt hochhält. Er streicht seine Brückenbauerqualitäten hervor, als er seinen ländlichen Geburtsort sowie das städtische Zürich erwähnt, wo er studierte. Und er wirkt menschlich, als er Wasser bestellen muss und das Glas mit zittriger Hand zum Mund führt, weil ihm die Stimme versagt hat. Es ist ein perfekter erster Auftritt.

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Doch ist Albert Rösti auch der perfekte Bundesrat? Diese Eigenschaft sei nicht menschlich, sagt Jürg Grossen. An Lob für den SVP-Mann spart der glp-Präsident aus Frutigen jedoch nicht. «Rösti ist die richtige Wahl. Sein Sinn für Kollegialität wird der Landesregierung guttun, die in letzter Zeit gerade bei wichtigen Fragen zu wenig geschlossen aufgetreten ist.»

Seit Beginn seiner Karriere gilt Rösti als konzilianter Politiker. Seine «Nettigkeit» wurde ihm bisweilen gar als Schwäche ausgelegt, weshalb er immer wieder betonte, dem Kurs seiner Partei stramm zu folgen. Doch ist dieses Bekenntnis mit den Vermittlerqualitäten vereinbar, die man von ihm als Bundesrat erwartet? Jürg Grossen glaubt daran. So seien Röstis politische Positionen nicht immer starr, sondern könnten sich durchaus auch wandeln. «Es braucht dafür einfach eine gewisse Zeit.»

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Zurück in die Galerie des Alpes. Auch René Maeder, Kandestegs Gemeinderatspräsident, trifft man hier nach der Wahl an. Er ist zusammen mit Gemeindepräsidentin Barbara Jost und Gemeinderätin Franziska Ryter angereist und findet, dass sich Rösti mit seiner Antrittsrede bereits für ein bestimmtes Departement empfohlen habe: «Aufgrund seiner Vielsprachigkeit, Offenheit und seiner Fähigkeit zuzuhören, wäre er für mich der ideale Aussenminister.» Welches Departement ihm letztlich zufällt, wird sich am Donnerstag zeigen (siehe Fronttext). Klar ist aber schon zu diesem Zeitpunkt: Die freie Wahl hat Rösti nicht. Das Anciennitätsprinzip sieht nämlich vor, dass die ältesten Bundesratsmitglieder ihre Wünsche zuerst äussern dürfen.

Nach Adolf Ogi ist Albert Rösti bereits der zweite Bunderat aus Kandersteg. Das müsse an der guten Luft liegen, sagt Franziska Ryter scherzhaft, ohne dabei den empfundenen Stolz zu verbergen. Und was erhofft man sich durch Röstis Wahl fürs Dorf? «Kandersteg ist nun in aller Munde», sagt Barbara Jost, die Publicity sei viel wert. Zwar schätzt das Kandersteger Trio Röstis Beziehung zum Frutigland als weniger eng ein als jene Adolf Ogis. Doch man kenne ihn und seine Famile, die nach wie vor im Ort wohne. Und man traut Rösti zu, dass er wie Ogi seine Oberländer Wurzeln nicht vergessen wird – was er kurz darauf ein erstes Mal unter Beweis stellt, als er den Raum betritt, um «seine Leute» zu begrüssen.

Bilder: 1: Kurz nach seiner Wahl liess sich Albert Rösti von seiner Entourage feiern – darunter am Eingang bis zu 45 Minuten, bis sie die Sicherheitsschleusen passieren konnten (Bild meindepräsidentin Barbara Jost. 7: Zu den Gratulanten gehörte auch Regierungsrat Chrisabgeben. 8: Die Meinung des glp-Präsidenten Jürg Grossen war bei Presseleuten ebenauch die Studentenverbindung, mit der er beinahe ein Liedchen angestimmt hätte. 2 - 5: Die Medienpräsenz war am Mittwochvormittag riesig. Journalisten warteten 3). 6: In der Galerie des Alpes traf man auf dieses Kandersteger Trio, bestehend aus Gemeinderätin Franziska Ryter (l.), Gemeinderatspräsident René Maeder und Getoph Neuhaus. Im Hintergrund zu sehen ist Daniel Schneiter, ehemaliger Direktor der SLF. Per Ende Jahr wird Rösti sein Verwaltungsratsmandat bei der Regionalbank falls gefragt.

BILDER: JULIAN ZAHND

Er hat seine Rolle gefunden

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