Allerhand zu ermitteln
20.01.2023 PolitikBERN Die Weitergabe von Informationen aus dem Innendepartement an die Medien beschäftigt Justiz und Politik. Rücktrittsforderungen gegen Bundesrat Berset werden laut. Ob die Indiskretionen hätten untersucht werden dürfen (und von wem), muss allerdings erst einmal ...
BERN Die Weitergabe von Informationen aus dem Innendepartement an die Medien beschäftigt Justiz und Politik. Rücktrittsforderungen gegen Bundesrat Berset werden laut. Ob die Indiskretionen hätten untersucht werden dürfen (und von wem), muss allerdings erst einmal geklärt werden.
MARK POLLMEIER
Hat Peter Lauener, der frühere Kommunikationschef im Innendepartement (EDI), vertrauliche Infos gezielt an die Medien weitergegeben und damit politische Entscheide beeinflusst? Wusste Bundesrat Alain Berset davon, hat er die Indiskretionen Laueners gar beauftragt? Und falls ja: Welche juristischen und politischen Konsequenzen ergeben sich daraus? Seit Tagen bestimmen solche Fragen die öffentliche Debatte. Diskutiert wird aber auch, wer diese Fragen überhaupt stellen darf.
Ins Visier der Nachforschungen gerieten Lauener und Berset durch Sonderermittler Peter Marti. Der jedoch hatte eigentlich einen ganz anderen Fokus. Die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft hatte ihn beauftragt, Verletzungen des Amtsgeheimnisses im Rahmen der sogenannten Crypto-Affäre zu untersuchen. Erst während seiner Ermittlungen stiess Marti dann offenbar auf weitere Indiskretionen – unter anderem auf jene im Innendepartement. Zwar beauftragte ihn die Aufsicht über die Bundesanwaltschaft, auch diese Unregelmässigkeiten zu untersuchen. Doch ob sie dazu berechtigt war, ist umstritten. Eigentlich darf Marti nämlich nur gegen Angestellte der Bundesanwaltschaft ermitteln. Für die Verfolgung anderer Straftaten läge die Zuständigkeit bei der Bundesanwaltschaft oder allenfalls bei den kantonalen Staatsanwaltschaften. Doch Marti ermittelte, liess Hausdurchsuchungen durchführen und Beweismaterial beschlagnahmen. Gemäss Medienberichten liess er Peter Lauener sogar verhaften. So kam der Stein ins Rollen.
Nachdem es zwischenzeitlich etwas ruhiger geworden war, nahm die Affäre am vergangenen Wochenende wieder Fahrt auf – und erneut waren Indiskretionen der Auslöser. Die Zeitung «Schweiz am Wochende» machte Einvernahmeprotokolle aus den Ermittlungen öffentlich, ausserdem zitierte sie aus beschlagnahmten E-Mails zwischen Peter Lauener und Marc Walder, dem CEO der Ringier-Gruppe.
Seitdem weiss man zumindest, dass es regelmässige Kontakte zwischen Lauener und dem Ringier-Chef gab. Ob Marc Walder die so erhaltenen Infos an Ringier-Medien weitergab, ist jedoch unklar. Spekulation ist überdies, inwieweit Bundesrat Berset in diese Vorgänge involviert war.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass das Innendepartement Anfang 2021 selbst Strafanzeige stellte – wegen genau jener Weitergabe von Amtsgeheimnissen, die man Lauener nun vorwirft. Seinerzeit ging es neben den Entscheiden zur Pandemiebekämpfung auch um Informationen rund um das Rahmenabkommen mit der EU.
Die Lage ist also ausgesprochen unübersichtlich – und wird es vorerst wohl auch bleiben. Denn die Frage, ob überhaupt gegen Lauener und Berset ermittelt werden durfte, beschäftigt mittlerweile die Justiz. Peter Lauener hat gegen Sonderermittler Marti Strafanzeige u. a. wegen Amtsmissbrauchs erstattet, ein entsprechendes Verfahren wurde eröffnet. Solange dieses läuft, liegen Peter Martis eigene Ermittlungen auf Eis.
Auch wie die E-Mails Laueners und diverse Einvernahmeprotokolle an die Medien gelangen konnten, ist unterdessen Gegenstand einer separaten Untersuchung – irgendjemand muss diese höchst vertraulichen Informationen schliesslich weitergegeben haben.
Dieses Knäuel aus Zuständigkeiten und Geheimnisverrat zu entwirren, dürfte die Justiz noch lange beschäftigen.