Aus Zufällen wurde eine grosse Leidenschaft
04.02.2025 Aeschi, AeschiriedDas Hobby von Ralph Wilhelm zählt wohl zu den ungewöhnlicheren: Er ist nicht nur leidenschaftlicher Fallschirmspringer, sondern filmt und fotografiert auch die Sprünge sogenannter Grossformationen – und zwar weltweit. Dabei war der Wahl-Aeschiner zunächst gar ...
Das Hobby von Ralph Wilhelm zählt wohl zu den ungewöhnlicheren: Er ist nicht nur leidenschaftlicher Fallschirmspringer, sondern filmt und fotografiert auch die Sprünge sogenannter Grossformationen – und zwar weltweit. Dabei war der Wahl-Aeschiner zunächst gar nicht in der Luft unterwegs, sondern unter Wasser.
SONJA STEUDLER
«Eigentlich bin ich ein ängstlicher Mensch.» Diese Aussage von Ralph Wilhelm erstaunt einigermassen, wenn er von seinen Hobbys zu erzählen beginnt. Erst war da das Höhlentauchen. Sich unterirdisch durch enge Gänge zu bewegen, und dies noch unter Wasser, ist ja eigentlich nichts für Angsthasen. Und Wilhelm ging sogar noch weiter: Weil er sein Wissen gerne mit anderen teilt und weitergibt, absolvierte er eine Ausbildung zum Tauchlehrer fürs Höhlentauchen.
Bei einem seiner Lehrgänge in Südfrankreich kamen die Teilnehmer abends in gemütlicher Runde auf weitere Hobbys zu sprechen. Einer der Tauchschüler erwähnte das Fallschirmspringen und erzählte so begeistert von seinen Erfahrungen in der Luft, dass Ralph Wilhelm sogleich hellhörig wurde – und diesen Sport unbedingt ausprobieren wollte.
Erster Sprung gleich solo
Zum Reinschnuppern ins Fallschirmspringen würden sich die meisten wohl erst einmal einen Tandemsprung buchen. Nicht so Ralph Wilhelm: Er meldete sich gleich für einen Solosprung an. Dabei wurde er in einem Theorieteil zunächst gründlich in diesen Sport eingeführt, danach ging es in Begleitung von zwei Instruktoren in die Luft, um schliesslich gemeinsam aus dem Flugzeug zu springen. Im Fall wurde er von den Instruktoren festgehalten, bis sich sein Schirm öffnete. Bei der Landung war der Fallschirmneuling jedoch auf sich alleine gestellt. Auch das ist nichts für Angsthasen …
Wilhelm war so begeistert vom Gefühl des freien Falls, dass er die nötige Ausbildung machte und damit die Lizenz zum Fallschirmspringen erwarb. Er sagt von sich, dass er zu jenem Typ Mensch gehört, der, wenn er etwas macht, es dann sehr intensiv macht. So erstaunt es nicht, dass die Fallschirmspringerei für Ralph Wilhelm rasch zu einer absoluten Leidenschaft wurde. Dies zeigen auch seine Absprungzahlen: Nach seinem ersten Sprung am 19. August 2007 sprang er im selben Jahr noch 44 Mal. Vier Jahre später, im Jahr 2011, kam er schon auf über 400 Sprünge jährlich und hatte mittlerweile auch seinen 1000. Sprung absolviert. In den letzten Jahren lag der Durchschnitt bei rund einem Sprung pro Tag.
Diese Zahlen erstaunen, ist der 57-Jährige doch ein reiner Hobbysportler, der in Vollzeit als Verkaufsleiter in der Wehrtechnik arbeitet. Weil aber an einem Tag oft gleich mehrere Sprünge hintereinander gemacht werden – Ralph Wilhelms persönlicher Tagesrekord liegt bei 19 Sprüngen –, komme man relativ leicht zu solch hohen Sprungzahlen.
Übers Tandemspringen zum Kameramann und Fotografen
Nebst Fallschirm-Instruktor ist Ralph Wilhelm auch Tandem-Master – das heisst, er verfügt über die Lizenz, um Sprünge mit Passagieren durchzuführen. Vor allem für den Verein Skydive Grenchen ist er regelmässig für Tandemsprünge unterwegs und findet es wunderbar, anderen Menschen in seiner Freizeit eine Freude bereiten zu können.
Über einen Tandemsprung kam Wilhelm schliesslich auch zu einer weiteren Facette seines Hobbys. Vom Platzbetreiber wurde er vor einigen Jahren eher zufällig angefragt, ob er nicht einen anderen Tandemsprung in der Luft begleiten und filmen könne. Wilhelm probierte es – und fand auch darin sogleich eine neue Leidenschaft.
Auslösen mit dem Mund
Springer in der Luft zu begleiten, setzt ein enormes springerisches beziehungsweise fliegerisches Können voraus. Damit die Aufnahmen gelingen, müssen Position, Distanz und Winkel zu den festzuhaltenden Kameraden ebenso stimmen wie der Sonnenstand. Ralph Wilhelm nutzt dazu einen speziellen Helm, auf dem Video- und Fotokamera fix montiert sind. Zum Auslösen benutzt er ein Mundstück, das mit den Kameras verbunden ist. Diese kann er dann per «Bissauslösung» aktivieren.
Mehrere Rekordversuche dokumentiert
Inzwischen hat der Wahl-Aeschiner rund 6400 Sprünge absolviert. 3000 davon waren Kamerasprünge, darunter viele, bei denen er Formationen fotografierte. Bei solchen Formationssprüngen treffen sich Springer in der Luft und bilden durch das gegenseitige Berühren und Halten von Armen und Beinen eine Figur. Die Grösse der Gruppe kann von 4 bis zu über 400 Springern reichen.
Im Grossformationsspringen werden regelmässig Rekordversuche unternommen, jeweils begleitet von mehreren Kameraleuten. Das Filmmaterial dient der Jury später dazu, den Rekord zu überprüfen. Insbesondere, ob alle Griffe bzw. das Lösen der Springer untereinander gestimmt hat, lässt sich nur anhand von Videomaterial kontrollieren. Hierfür muss dieses allerdings eine hohe Qualität aufweisen. Die Präzision von Wilhelms Kameraarbeit kann also durchaus mitentscheidend sein für den Erfolg eines Rekordversuchs.
Dank seiner jahrelangen Erfahrung ist Ralph Wilhelm in der Lage, so hochstehende Aufnahmen zu machen, dass er in der Szene inzwischen als sehr gefragter Filmer gilt und regelmässig für die Dokumentation von Rekordversuchen angefragt wird. So ist er mit seinem Kamerahelm mittlerweile in der ganzen Welt unterwegs.