Bauholz ist ihr Element

  25.07.2023 Aeschi, Aeschiried

Als einzige Frau unter lauter Zimmermännern hat Julia Luginbühl aus Aeschiried ihren Fähigkeitsausweis als Zimmerin erhalten. Fühlt sie sich in dieser Männerdomäne akzeptiert?

PETER ROTHACHER
Nach vierjähriger Lehre habe sie die Diplomfeier der Zimmerleute in Thun genossen, erklärt Julia Luginbühl aus Aeschiried. «Am Anlass mit den 66 Absolventen und mir als einziger Absolventin war immer von den Zimmermännern und der Zimmerin die Rede. Als Frau bin ich somit genauso akzeptiert wie alle männlichen Absolventen mit EFZ. Ein gutes Gefühl – meine Berufswahl war also nicht falsch.» Zudem habe sie es genossen, am Anlass all die Berufskollegen wiederzusehen. «Und das Lob meines Chefs Christian Däpp, der mir einen sehr guten Einfluss auf das Team seiner Holzbau GmbH attestierte, hat mich natürlich ebenfalls gefreut.»

Sie arbeite gerne draussen, sagt die 19-Jährige. «Ich will am Abend spüren, dass ich mich körperlich betätigt habe, und sehen, was ich gemacht habe – möglichst ein Resultat, das Freude bereitet.» Gegen Ende der Schulzeit seien noch verschiedene Berufe in Frage gekommen. Schliesslich habe sie dann aber in mehreren Zimmereien geschnuppert und dabei unterschiedliche Erfahrungen gemacht. «Christian Däpp kannte mich bereits, da ich mich schon als Schulmädchen auf einem benachbarten Bauernhof engagierte und das immer noch gerne mache. Er wusste von seinen Kontakten zu dieser Familie, dass ich zupacken kann.» So sei sie denn auch zu ihrer Lehrstelle bei den «Hölzigen» gekommen.

Ab und zu kamen Zweifel auf
Am Anfang sei es nicht ganz einfach gewesen, gibt die Berufsfrau heute zu. »Die Leute in der Firma kannten mich, und da hatte ich es gut. Aber auf den Baustellen musste ich mich gegenüber anderen Handwerkern ab und zu schon beweisen.» Manchmal sei es tatsächlich entmutigend gewesen, wenn sie sich als Frau im Männerberuf – beispielsweise bei Kursen oder berufsspezifischen Anlässen – habe rechtfertigen müssen, dass sie dazu gehöre und eine von ihnen sei. «Ausserhalb des Lehrbetriebs war der Umgang mit mir unterschiedlich: zum Teil wohlwollend, aber teilweise auch eher abschätzig. Mal habe ich das gut ertragen, andere Male habe ich mich gefragt, ob ich besser aufhören sollte.» Die Familie – und wenn es »hart» kam auch der Lehrmeister – hätte ihr aber immer wieder das Vertrauen in ihr Können zurückgegeben.

«Auch in der Berufsfachschule stand ich zu Beginn etwas abseits», berichtet Julia Luginbühl weiter. »Das änderte sich aber bald, und wir hatten es in der Folge sehr lustig zusammen.» Es sei ja nicht so, dass es ausser ihr überhaupt keine Zimmerinnen gebe. «Ich war einfach in diesem Jahrgang die einzige Frau. Doch davor haben schon andere diesen Beruf ergriffen – und auch nach mir wird das künftig wohl nicht mehr allzu selten vorkommen.» Nebst den traditionellen Handwerkzeugen kämen ja heute zunehmend auch Hightech-Maschinen und Computer zum Einsatz.

Alles drehte sich um den Pöstler
Richtig aufwühlend sei die Zeit nach der Prüfung bis zum erlösenden Brief mit der Botschaft «bestanden» gewesen, erklärt die 19-Jährige. «Um mich herum zweifelte wohl niemand an meinem Erfolg, aber das Herbeisehnen dieses Briefes war für mich wirklich eine Nervenprobe.» In der Zeit sei der Pöstler in Aeschiried für sie zum wichtigsten Menschen geworden. Und dann die Erleichterung: «Weil wir auf einer Baustelle leider nicht wie geplant aufrichten konnten, hatten wir genau an dem Tag, als der erlösende Brief kam, einen kurzfristig organisierten Team-Brätli-Nachmittag. Dort dann zu erleben, wie sich alle mit mir freuten – das tat so unendlich gut. Das Aufrichten haben wir dann die Tage darauf in Angriff genommen.»

Wie geht es beruflich weiter?
Auf ihre Zukunftspläne angesprochen, meint die junge Frau: «Ich bin dankbar, dass wir es in der Firma Däpp über die vier Jahre hinweg so gut hatten. Nach den aktuellen Ferien arbeite ich dort weiter.» Sie geniesse es generell, mit Holz zu arbeiten, zu bauen und zu gestalten. »Ich durfte auch schon selbst kleine Projekte betreuen. Es macht mich immer stolz, wenn alles passt, wenn der Bau fertig ist und es die Aufrichte gibt.» Diese Art von «Heimatgefühl» lasse sich nicht so einfach erklären. «Aber dafür bin ich dankbar: Dass ich den Mut hatte, diese Lehre anzutreten; dass meine Familie immer hinter mir stand und mich unterstützte. Und natürlich, dass ich im Lehrbetrieb nie in Frage gestellt wurde. Aus heutiger Sicht würde ich mich wieder für die Lehre als Zimmerin entscheiden.»


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