Beim Spitzen Stein rumort es ständig

  19.09.2023 Kandersteg

Ein grosser Felsabbruch, der das Dorf bedrohen könnte, erscheint zwar unwahrscheinlich, trotzdem wird am Damm Oeschiwald weiter gebaut. Die Bevölkerung erhielt vor Ort die neusten Informationen zum Schutzprojekt.

PETER ROTHACHER
Die Gemeinde Kandersteg hält die Bevölkerung via Website stets auf dem Laufenden darüber, welches Gefahrenpotenzial von den Rutschungen im Gebiet Spitzer Stein ausgeht. «Die aktuelle Lage liegt im Rahmen der Beobachtungen der Vorjahre», ist da zu lesen. Und weiter: «Bewohntes Gebiet ist nach aktuellem Kenntnisstand weder durch Sturz- noch durch Murgangereignisse gefährdet. Dies gilt auch für sämtliche offenen Bereiche im Gebiet Oeschinen.» Nebst dieser beruhigenden Feststellung wird aber auch gewarnt: «Kleinere spontane Sturzbeziehungsweise Rutschereignisse können jederzeit auftreten. Der Wirkungsraum der erwarteten Sturzereignisse beschränkt sich auf die dauerhafte Sperrzone.»

Die Gemeinde Kandersteg orientiert die Bevölkerung aber nicht nur auf diese Art, sondern lädt sie zudem regelmässig zu Infoanlässen ein – so auch letzten Samstag in dem zum Schutz des Dorfes verbauten Gebiet auf dem Damm Oeschiwald. Am Informationsstand referierte der Spiezer Umweltingenieur und Gesamtprojektleiter Beat Brunner (Emch + Berger) im Halbstundentakt. Das Publikum konnte sich anschliessend am Apérostand der Schwellenkorporation Kandersteg verpflegen. Deren Sekretär Ueli Grossen meinte: «Die Ereignisse in Gondo, im bündnerischen Brienz, in Schwanden sowie am Eiger und im Gasterntal zeigen uns, dass wir die Situation nicht unterschätzen dürfen. Und dass wir uns wohl ganz allgemein zunehmend auf solche Gefährdungen einstellen müssen.»

20 Millionen Kubik in Bewegung
Zur Situation in dem vom Spitzen Stein gefährdeten Gebiet erklärte Beat Brunner: «Das Material bewegt sich derzeit mit drei Zentimetern pro Tag, wobei es verschiedene Bereiche gibt, die sich nicht gleich schnell und nicht in die gleiche Richtung bewegen. Im sehr nassen Sommer vor zwei Jahren hatten wir Bewegungen von bis zu 40 Zentimetern pro Tag und im heurigen heissen Sommer solche von maximal 15 Zentimetern.» Die Gesamtmenge an bewegtem Material betrage – auf mehrere Sektoren verteilt – rund 20 Millionen Kubik. Beim Wandern höre man immer wieder, wie dort oben Material abstürze. Der grösste Felssturz in diesem Sommer betrug etwa 30 000 Kubik. Das entspricht knapp der Hälfte des Bergsturzes auf der Allmenalpseite – es handelt sich daher um ein eher kleines, den Erwartungen entsprechendes Ereignis. Selbst Mengen von bis zu 100 000 Kubik würden hier noch als klein taxiert. Solche Volumen würden vom Oeschibach ausgetragen und im Geschiebesammler abgelagert. Aktuell wird dieses Material genutzt, um den Damm Oeschiwald zu erhöhen; im vorderen Teil auf vier Meter, weiter oben auf sechs Meter.

Bei den jährlich zu erwartenden normalen Geschiebemengen werde einiges Material auch in die Kander und von dort in den Thunersee getragen, hielt Brunner fest. Im Falle eines sehr grossen Ereignisses, bei Kubaturen im Millionenbereich, würde das Schutzsystem an seine Grenzen stossen oder überlastet sein. «Die Wahrscheinlichkeit, dass auf einmal mehrere Millionen Kubik anfallen, ist zwar sehr gering, aber nicht auszuschliessen. Es ist abhängig vom Wasser im Sommer oder den Schneemengen, die im Winter dort oben liegen. Das Schmelzwasser transportiert dann im Frühling umso mehr Material.»

Drohne misst die Geschiebemenge
Laut Beat Brunner wird von der Firma Geotest per Drohne regelmässig ein Höhenmodell erstellt. Mit dem Verfahren kann das ganze Gerinne der Chalberspissigräben und des Oeschibachs vermessen werden. «Im Vergleich von Anfang September 2022 mit heute liegen im Gebiet von dort oben bis zum Murgangnetz unten am Sammler zusätzliche 40 000 Kubik Material. Wenn das Gewitter vom 24. August im Gasterntal hier in der Region Spitzer Stein stattgefunden hätte, wäre das beschriebene ganze Material jetzt vermutlich da unten.»

Bezüglich der Geschiebemengen hielt der Projektleiter weiter fest: «In den Jahren um 2015 hat die Schwellenkorporation aus dem Sammler jährlich jeweils 2000 bis 3000 Kubik an Unternehmer verkauft. In den letzten drei Jahren haben wir nun jährlich 30 000 Kubik in die Dämme Oeschiwald und Zilfuri verbaut. Zudem ist der Geschiebesammler markant vergrössert und mit einem Murgangnetz ausgestattet worden.» Dank der baulichen Massnahmen im Bereich Entlastungskorridor werde bei einem mittleren Ereignis eine allfällige Wasserflut durch den unterhalb liegenden Dorfteil in die Kander geleitet. Dort habe man auch vorgesorgt, damit der Fluss mit schwerem Gerät erreichbar sei, um notfalls liegen gebliebenes Material auszubaggern.

Den Sammler besser erschliessen
Nun gehe es noch darum, den Anfahrtsweg zum Geschiebesammler zu optimieren. «Falls dieser bei einem Ereignis gefüllt werden sollte, müssen wir ihn innert weniger Wochen wieder leeren können. Bei 150 000 Kubik erfordert das unzählige Lastwagenfahrten, die speditiv erfolgen müssen», hielt Brunner fest. Zu dem Zweck werde ein Wendekreis erstellt, damit man auf der definitiven Strasse ins Dorf oder in Richtung Ende des Oeschi-Damms fahren könne. Er hoffe, dass die Erhöhung vorne am Damm noch in diesem Jahr realisiert werden könne und die Strasse dann 2024 fertiggestellt sei. Bezüglich der Kosten erklärte der Gesamtprojektleiter: «Im Moment sind rund 8,6 Millionen Franken verbaut und verplant. 93 Prozent bezahlen Bund und Kanton, die restlichen 7 Prozent muss die Schwellenkorporation Kandersteg aufbringen.»


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