Ab Oktober soll die Ski- und Bikeregion Adelboden-Lenk von einer neuen Gesellschaft betrieben werden. Die Bergbahnen beidseits des Hahnenmoos beantragen ihren Aktionären und Genossenschafterinnen diese Zusammenarbeit. Mit welchen Folgen?

HANS RUDOLF SCHNEIDER
«Adelboden-Lenk … dänk» heisst der Werbespruch der gleichnamigen Skiund Bikeregion. Und nachgedacht hat man in den beiden Talschaften intensiv in den letzten zwei Jahren, nämlich über die Zukunft der Bergbahnen im zunehmend härter werdenden Umfeld.

Neu ist die Idee der ganz engen Zusammenarbeit über den Berg hinweg nicht. Vor 20 Jahren wurde intensiv und emotional über eine grossflächige Fusion der Bergbahnen diskutiert – und diese dann abgelehnt (siehe Kasten). Das Fazit der Überlegungen der Bergbahnen Adelboden AG (BAAG) und der Lenker Bergbahnen (LBB) im Jahr 2023: Eine Fusion wäre noch immer kompliziert, aber eine gemeinsame Betriebsgesellschaft für alle Anlagen beider Unternehmen würde Sinn machen.

Die in den letzten Jahren entstandene Zusammenarbeit soll nun also auf ein neues Fundament gestellt werden. «Das ist kein Schritt für eine Fusion», entgegnete René Müller, VR-Präsident der BAAG, auf die naheliegende Frage. Beide Bergbahngesellschaften bleiben bestehen, bringen aber Angestellte, Material und Fachwissen in die gemeinsame Betriebsgesellschaft Bergbahnen Adelboden-Lenk AG (BAL AG) ein und übertragen ihr alle operativen Aufgaben. Dieser Entscheid bedingt eine Statutenänderung auf Adelbodner Seite, die am 5. Mai an einer ausserordentlichen Aktionärsversammlung erfolgen soll. Am Tag darauf werden die GenossenschafterInnen an der Lenk abstimmen. Die neue Gesellschaft – je zur Hälfte den beiden Unternehmen gehörend – soll am 1. Oktober operativ werden.

Was steckt hinter dem Vorhaben?
Begründet wurde das Vorhaben gestern Dienstag an einer Medienorientierung auf Silleren mit der Verbesserung der Zukunftsaussichten. Klimawandel, Kostendruck, verändertes Freizeitverhalten und Mangel an Fachkräften wurden als Treiber der Entwicklung genannt. Statt sich trotz der bisherigen Kooperationen durch wirtschaftliche Eigeninteressen zu konkurrenzieren, sei eine Gesamtsicht nötig. Künftig sei es nicht mehr wichtig, welches Tal durch ein neues Angebot mehr Einnahmen generiere. Alles fliesse in einen Topf und Investitionen würden dort gemacht, wo sie wirtschaftlich am sinnvollsten seien. Durch Vereinfachungen in der Struktur könnten allein bei den verschiedenen Abrechnungspools vier Buchhaltungen eingespart werden, sagte der BAAG-Präsident erfreut.

Priorität hat die gemeinsame Führung der Bahnen, später auch der Gastronomie. Mit dem grösseren Gewicht könnten beim Wareneinkauf, bei Versicherungsleistungen oder Softwarebeschaffungen bessere Konditionen ausgehandelt werden. Auch die Hausbanken hätten in ersten Gesprächen positiv reagiert. Insgesamt rechnet man durch Synergien mit einer jährlichen Einsparung von einer halben Million Franken.

Wer führt die neue Gesellschaft?
Alle Angestellten sollen übernommen werden, auch das Kader. Konkret würden Löhne und Zusatzleistungen angepasst – durchwegs zugunsten der Angestellten, wie Müller betonte. Aktuell seien etliche Stellen als Folge des Fachkräftemangels nicht besetzt, gemeinsam könnte man sich die benötigten Spezialisten besser leisten und attraktivere Jobs anbieten. Dass sich vor allem in Führungsfunktionen im Laufe der Zeit Anpassungen ergäben – nur noch ein technischer Leiter oder ein Gastronomiechef – sei aber denkbar.

Als Geschäftsführer der BAL AG ist Nicolas Vauclair vorgesehen, der heute dieselbe Funktion an der Lenk innehat. Sein Adelbodner Pendant Markus Hostettler würde bis zur Pensionierung 2025 Stellvertreter und hätte die für die Übergangsphase wichtigen zentralen Dienste unter sich. Für den Verwaltungsrat sind die beiden Bahnpräsidenten René Müller und André Troxler sowie mit Reto Burn, Raphael Reinle, Roman Cortesi und Urs Grimm noch je zwei VR-Mitglieder der beiden Bahnen vorgeschlagen. Präsident soll Raphael Häring werden. «Als Finanzund Betriebswirtschaftsprofi hat er uns bereits durch die Planungsphase begleitet und ist quasi neutral, vertritt also weder Adelbodner noch Lenker Interessen», erklärte René Müller diese Personalie.

Positive Rückmeldungen
Die Verantwortlichen haben nun gut einen Monat Zeit, den Bahnbesitzern die Vorteile zu erklären und Fragen zu beantworten. So sollen beispielsweise die Tarife nicht angepasst werden, bestehende Verträge weiterlaufen und lokale Lieferanten wie bisher berücksichtigt werden. Auch der Ski-Weltcup werde keine Veränderungen erfahren und man unterstütze den Anlass weiterhin.

Das sind gute Vorzeichen in den beiden Talschaften für die kommenden Abstimmungen. Der Gemeinde Adelboden als Hauptaktionärin der BAAG kommt eine zentrale Rolle zu, der Gemeinderat wird den Entscheid zu fällen haben. An der Lenk ist durch die Genossenschaftsstruktur der Entscheid offener, wie Müller erklärte. Allerdings gebe es von den bisher über das Vorhaben informierten Personen und Gremien durchaus positive Rückmeldungen.

Am Samstag, 22. April, wird um 16 Uhr im Schulhaus Boden eine Infoveranstaltung durchgeführt, an der die Verantwortlichen Red und Antwort stehen. Vermutlich wird aus der Bevölkerung das eine oder andere Thema zur Diskussion gebracht, schliesslich hängt im Tourismus enorm viel von den Bahnen ab.

Grosse Projekte warten
Investitionen und technische Anpassungen in der Ski- und Bikeregion wurden bisher wo nötig zwischen den Bahnen koordiniert, nun würden Schwerpunktbildungen möglich. Bei der BAAG ist vor allem der Ersatz der Sillerenbahn («Direttissima») auf der Pendenzenliste, welche inklusive aller Teilprojekte wie Verkehrserschliessung gegen 30 Millionen Franken kosten wird. An der Lenk ist der Neubau des Berghauses Metschstand eingeplant.

Alle Verträge mit Landeigentümern über Baurechte, Dienstbarkeiten oder Durchleitungsrechte verbleiben bei den Muttergesellschaften und erfordern so keine komplizierten Anpassungen, die bei einer Fusion nötig würden. Da die BAAG und die LBB die Anlagen und Gebäude (inklusive der vier Berghäuser) an ihre Tochtergesellschaft vermieten würden, erhalten sie Einnahmen, um Investitionen zu tätigen und hätten gleichzeitig die nötigen finanziellen Sicherheiten für die Projekte.

Was passiert bei einem Nein?
Eine Frage bleibt: Was machen die beiden Bahnunternehmen, wenn die Aktionärinnen und Gesellschafter nicht mitziehen? «Unmittelbar gefährdet sind wir nicht. Doch wir würden es in den nächsten Jahren definitiv schwerer haben, erfolgreich zu sein», sagte René Müller. Neue Angebote und Investitionen zu finanzieren, würde in jedem Fall noch deutlich anspruchsvoller. Er verweist aber darauf, dass die geplanten aktuellsten Projekte Direttissima und Metschstand-Restaurant auf jeden Fall gesichert seien.

Zahlen zu den Bergbahnen

Die Betriebsgesellschaft würde folgende Bahnen und Lifte betreiben:
Adelboden: Sillerenbahn, Dorfbahn, Sessellift Chuenisbärgli, Sessellift Höchst, Sessellift Aebi, Skilift Tanzboden, Skilift Stand, Sessellift Lavey, Kombibahn Hahnenmoos, Sessellift Luegli, Skilift Lurnigegga.
Lenk: Skilift Guetfläck, Gondelbahn Stand-Xpress, Sessellift Metschstand, Skilift Brenggen, Sessellift Bühlberg, Förderband Bühlberg, Kleinskilift Mauren, Skilift Mauren, Sesselbahn Wallegg, Sesselbahn Mülkerblatten, Gondelbahn Betelberg (Lenk-Stoss und Stoss-Leiterli), Skilift Balmen, Kleinskilift Stoss, gedecktes Förderband Stoss, Skilift Leiterli, Skilift Hasler.
Der Verkehrsertrag der beiden Unternehmen bewegt sich in ähnlichem Rahmen. 2021/22 waren es bei der BAAG rund 15 Millionen Franken, im Geschäftsjahr 2022 bei der LBB rund 14 Millionen Franken. Das jährliche Budget der neuen Tochtergesellschaft wird mit rund 30 Millionen Franken beziffert.
Insgesamt sind heute in den beiden Unternehmen je rund 150 Personen im Winter und je 60 im Sommer angestellt.
Die Skiregion Adelboden-Lenk ist gemäss Auswertung von Seilbahnen Schweiz bei den Wintereintritten (Skierdays) das viertgrösste Skigebiet.

HSF

Fusion wurde 2003 abgelehnt

Um die Jahrtausendwende kämpften die Lenker Metschbahnen und der Adelbodner Chuenisbärgli-Lift ums Überleben. 2003 sollte eine Fusion mit verschiedenen anderen Bahnen zur Bergbahnen Adelboden-Lenk AG eine neue finanzielle Basis schaffen. Diese kam nicht zustande, und die Lenker entschieden sich für eine eigene Lösung und den Zusammenschluss ihrer Unternehmen. Die Adelbodner gründeten für sich die Bergbahnen Adelboden AG (Sillerenbahn, Hahnenmoosbahn und Chuenisbärgli AG).

HSF

Bergbahnen rücken zusammen

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