Bestnoten für Tradition aus dem Tal
18.06.2024 KulturMit viel Wetterglück ging am Wochenende in Langnau das Kantonale Jodlerfest über die Bühne. Nass wurden bloss Nachteulen – und das auch nur in den ersten Stunden des Samstags. Der «Frutigländer» hat sich an den ersten beiden Tagen unter die Zuschauer ...
Mit viel Wetterglück ging am Wochenende in Langnau das Kantonale Jodlerfest über die Bühne. Nass wurden bloss Nachteulen – und das auch nur in den ersten Stunden des Samstags. Der «Frutigländer» hat sich an den ersten beiden Tagen unter die Zuschauer gemischt und einigen Vorträgen von Teilnehmenden aus der Region beigewohnt.
KATHARINA WITTWER
Fast feierlich zu ging es bei den Alphorn-Wettbewerben. Das Freigelände war – wie alle anderen Lokale ebenfalls – mit aparten Blumenarrangements und alten «Fuhrwerken» geschmückt. Im Vierminutentakt schüttelte ein Jurymitglied das Glöcklein als Zeichen, dass die nächste Formation oder SolistIn den Platz betreten darf. Nach der Ansage war die Aufmerksamkeit während 2 Minuten und 20 Sekunden auf die Vortragenden gerichtet.
Bereits im ersten Block trat das Trio SchlüBuBü mit der Frutigerin Alina Büschlen, ihrer Tante Esther Burri und ihrem Grossvater Fritz Schlüchter (Bild 1) auf. Die beiden Frauen spielten am Abend nochmals als Duo Atemlos vor Jury und Publikum. Ob eher das 13-jährige Mädchen oder das harmonische Spiel die Herzen der Zuschauenden berührte, ist schwer zu sagen. Jedenfalls erhielten die drei einen lang anhaltenden Applaus.
Für Willy Turtschi (Bild 2) ist Dabeisein stets wichtiger als die Note. «Es geht mir hauptsächlich darum, Gleichgesinnte und Bekannte zu treffen», meinte der Krattiger.
Nur 8 statt der insgesamt 14 Mitglieder der Alphorngruppe Niesengruss stellten am Samstag ihr Können unter Beweis (Bild 3). Die je zwei Bläser rechts und links der Dame kommen aus dem Frutigland (v. l.): Kurt Tschumi, Krattigen, Hanspeter Schranz, gebürtiger Adelbodner, Albin Pieren, Adelboden, und Alfred von Känel, Faltschen.
Die freie Bühne inmitten des Festgeländes gehörte am Samstagnachmittag dem volkstümlichen Nachwuchs. Die Jugend-Alphorngruppe des Bernisch-Kantonalen Jodlerverbandes eröffnete die Vortragsreihe. Inmitten der 7 Buben und 5 Mädchen standen Alina Büschlen und der gleichaltrige Frutiger Sandro Studer (Bild 4).
«Für eine 1 reicht es nicht»
Spielen die SCL Tigers zu Hause, verwandelt sich die «Emmental Versicherung Arena» schon mal in einen Hexenkessel. Ganz anders präsentierte sich die Eishalle, als die Fahnenschwinger vor die dreiköpfige Jury traten. Hätten nicht Ländlerklänge und Jodellieder ab «Konserve» die Halle berieselt, wäre es fast so still wie in einer Kirche gewesen. Statt gut 6300 Zuschauer sassen knapp 20 fachkundige Personen auf der Tribüne: Angehörige (Bild 5), Jurymitglieder, die eben pausierten, oder Männer in Tracht, die ihre Vorträge bereits hinter sich hatten.
Gepflegt wird dieses Hobby mehrheitlich von Männern. «Innerhalb der Szene kennt man sich. Neid und Schadenfreude gibt es bei uns nicht, im Gegenteil: wir freuen uns, wenn es jemandem gut gelingt. Andererseits geben wir gerne Tipps, wenn ein Kollege Schwierigkeiten mit einem Schwung hat», erklärte ein Innerschweizer.
Nicht ganz nach Wunsch lief es Hermann Reichen (l.) aus Achseten und dem Frutiger Raphael Schmid im Einzel und im Duett (Bild 6, aufgenommen während des Übens). Beide hatten einen «Fall» zu verzeichnen, das heisst, die Fahne fiel zu Boden. Dieses Malheur zieht automatisch eine tiefere Klassierung nach sich. Um die hochgeworfene Fahne aufzufangen, mussten beide mehrmals einen Schritt aus dem innersten Kreis machen. Zudem liess die Synchronität gegen Ende ihrer dreiminütigen Vorstellung zu wünschen übrig. Umso erfreulicher, als sie mit schwierigen Schwüngen wie zum Beispiel dem «Doppeldächli» Zusatzpunkte holten. Die beiden kennen das Benotungsschema bestens und wussten sofort, dass es nicht für eine 1 (sehr gut) reichen würde.
Ganz unterschiedliche Darbietungen
Aus dem Frutigland nehmen traditionell stets mehrere Klubs und Kleinformationen am Fest teil. Die Bärgjodler Aeschiried (Bild 7) zwischen Einsingen und Vortrag vor die Kamera zu bringen, benötigte Überzeugungskraft. Die Lockerheit, die sie dabei an den Tag legten, nahmen sie bis vor die strenge Jury mit.
Erleichtert waren die Männer des Jodlerklubs Engstligtal im Anschluss an ihren Auftritt (Bild 8).
Jodeln macht durstig – und dem muss sofort abgeholfen werden, sagten sich die Mitglieder der Gemischten Jodlergruppe Frutigland. In einer der zahlreichen Festwirtschaften waren deshalb noch einige Mitglieder des Vereins anzutreffen (Bild 9).
Zum zweiten Mal überhaupt nahmen Franz Bircher, Hans Gyger, Regula Schmid und Gino Qualizza (Bild 10, v. l.) als Quartett Steintal an einem Kantonalen teil. Begleitet wurden sie von Fabian Schmid am Akkordeon. Regula Schmid und Gino Qualizza sangen zusätzlich im Duett.
Bleiben zwei jodelnde Coucousinen aus Urnäsch im Frutigland hängen, vermissen sie ihre heimatlichen Naturjutze, Zäuerli und Rugguserli. So ergeht es Monika Fuhrer-Jäger aus Adelboden und Brigitte Bettschen-Jost aus Faltschen. Sie traten erstmals als Duett in ihren schmucken Ausserrhoder Sonntagstrachten und mit einem von Fuhrer komponierten Zäuerli auf. Klaus Rubin begleitete sie auf dem Schwyzerörgeli (Bild 11).
Einen langjährigen Traum erfüllte sich Monika Fuhrer, indem sie mit vier Männern und zwei Frauen aus ihrer Heimat vor die Jury trat. Das Septett erfreute das Publikum ebenfalls mit einem Zäuerli, einer Komposition von Martina Enderlin. Diesmal sang die gebürtige Appenzellerin eine Begleitmelodie. «Das war entspannter als im Duett, als ich die erste Stimme sang», verriet eine glückliche und erleichterte Monika Fuhrer.
Die Bewertungen der Frutigländer Formationen (oder mit mehrheitlicher Frutigländer Beteiligung) 1= sehr gut, 2 = gut, 3 = genügend, 4 = ungenügend.
Jodlergruppe Engstligtal, Adelboden: 1; Gemischte Jodlergruppe Frutigland: 1; Bärgjodler Aeschiried: 1; Jodlerquartett Steintal: 3; Duett Fuhrer Monika + Bettschen Brigitte: 1; Duett Gino Qualizza + Schmid Regula: 4.
Fahnenschwingen: Raphael Schmid: 2; Hermann Reichen: 2. Duett: Raphael Schmid + Hermann Reichen: 2.
Alphorn: Willy Turtschi: 3; Duo Atemlos: 1; Trio SchlüBuBü: 1; Gruppe Niesengruss: 2.