111 Tage und 3 Ziele

  25.04.2023 Frutigen

111 Tage und 3 Ziele

Am letzten Freitag erlebt Albert Rösti das ganze Dilemma eines Bundesrats. Morgens in Bern muss er vor den Medien ein Gesetz vertreten, das er vor Kurzem noch bekämpft hat. Abends in Frutigen wartet die Parteibasis bei Züpfe und Hobelkäse und will hören, wie sich «ihr» Albert in der Regierung so schlägt. Zwischen all diesen Ansprüchen bleibt Rösti sich selbst treu: anständig im Ton, pragmatisch in der Sache. Bei seinem Heimatbesuch macht er zwar deutlich, wo sein Herz schlägt, betont aber die begrenzten Möglichkeiten seines Amtes.

MARK POLLMEIER
Am 18. Juni wird die Schweiz über das Klimaschutzgesetz abstimmen. Die Vorlage wird von nahezu allen politischen Kräften des Landes unterstützt, selbst der Schweizer Bauernverband hat die Ja-Parole beschlossen. Bekämpft wird das Gesetz von der SVP, und daran ist ein gewisser Albert Rösti nicht ganz unschuldig. Er selbst war es, der sich in der SVP-Fraktion für das Referendum eingesetzt hatte. Als Mitglied des Referendumskomitees warb er an vorderster Front für ein Nein zum Klimaschutzgesetz, das seine Partei «Stromfressergesetz» nennt.

Inzwischen ist Rösti Bundesrat, und als solcher musste er am Freitag für ebendieses Gesetz werben. Er tat das so überzeugend, dass sogar Umweltaktivisten seinen Auftritt lobten.

Seine Partei war weniger zufrieden. Kaum war Röstis Medienauftritt beendet, verschickte die SVP Schweiz ein Communiqué. Die Kritik steckte schon im Titel: «Bundesrat Rösti erzählt das Gegenteil von Nationalrat Rösti». Zudem habe der UVEK-Chef bei seinem Auftritt nicht alle Fakten und Folgen des neuen Gesetzes auf den Tisch gelegt.

Kein schlechtes Wort
Am Abend desselben Tages wird Bundesrat Albert Rösti in der Landi Frutigen erwartet. Offiziell eingeladen hat ihn die örtliche SVP-Sektion, Organisator des Anlasses ist Ernst Wandfluh – wohl nicht ganz zufällig. Wandfluh will im Herbst in den Nationalrat gewählt werden. Da sorgt ein gemeinsamer Termin mit einem amtierenden Bundesrat für willkommene Publicity.

Für Rösti wiederum ist der Besuch in Frutigen das, was man landläufig ein Heimspiel nennt, ja mehr noch: eigentlich ist es ein Heimkommen. Seine Mutter ist vor Ort, alle Geschwister sind da, dazu viele alte Weggefährten aus Beruf und Politik. Dass er von dieser Fangemeinde mit kritischen Fragen traktiert oder gar gemassregelt wird, muss Rösti nicht befürchten – und gerade das macht den Anlass interessant.

Manche Bundesräte nutzen Auftritte unter Vertrauten, um Klartext zu reden, um das zu sagen, was sie eigentlich denken. Ueli Maurer etwa hat die Grenzen der bundesrätlichen Kollegialität mehr als einmal ausgereizt. Für Rösti wäre der Termin in Frutigen also die Gelegenheit, sich als Parteipolitiker zu profilieren. Er könnte auf die Bürokraten in Bern schimpfen, Seitenhiebe auf Kollegen im Bundesrat verteilen und ein paar Witze über Linke und Grüne reissen. Hier im Landi-Lager, zwischen Kunstdünger und Kraftfutter, nähme ihm das gewiss niemand übel. Doch Rösti tut nichts dergleichen. In Bierzeltmanier auf den Putz zu hauen war nie seine Sache, und auch an diesem Abend wird man von ihm kein schlechtes Wort hören – nicht über politische Gegner, nicht über die «Beamten» in Bundesbern und erst recht nicht über andere Regierungsmitglieder. Im Gegenteil: Als es später um die Klimapolitik geht, lobt Rösti seine Amtsvorgängerin Sommaruga für ihr beherztes Agieren während der Energiekrise und nimmt Karin Keller-Suter in Schutz. Nicht sie habe die Credit-Suisse-Übernahme zu verantworten – «das war der gesamte Bundesrat». Mehr Kollegialität geht fast nicht.

Lob für die Bauern
Viele Politiker suchen die Nähe zu ihrem Publikum, indem sie sich auf gemeinsame Gegner einschiessen. Albert Rösti geht in Frutigen einen anderen Weg: Sein Draht zur Bevölkerung ist die gemeinsame Biografie. Nachdem er mit Schwung das Podium erklommen hat, erzählt er also von den Sommern im Ueschinental und gibt Anekdoten aus seiner Zeit am Inforama Hondrich zum Besten. Er dankt Mutter und Götti, denn die habe es gebraucht, «damit aus einem was geworden ist und man sich anständig benommen hat». Explizit lobt er die Bauern. Die Landwirtschaft habe viel durchmachen müssen und einen enormen Wandel hinter sich, der immer noch andauere. «Hut ab vor den Leuten, die das für unsere Gesellschaft machen.»

Die Botschaft kommt an: Ich bin zwar Mitglied der Landesregierung, Herr über sieben Bundesämter mit 2500 Mitarbeitenden – aber ich bin immer noch einer von euch. Dr. Albert Rösti schafft es sogar, seinen ETH-Abschluss kleinzureden: «Wenn man fünf Jahre in Zürich studiert, dann hat man viel im Grind und ist furchtbar gescheit geworden – aber man kann noch nicht grad so viel.» Der Hondrich dagegen, wo er seine erste Stelle als Lehrer und Berater hatte, sei eine seiner besten Schulen gewesen, «weil ich sofort mit der Praxis in Berührung gekommen bin».

«Es wird nie so viel gelogen wie vor Bundesratswahlen»
Vielleicht nicht gerade als Lehrer, aber als Vermittler wird sich Rösti auch in den folgenden anderthalb Stunden betätigen. Ob es um seine Wahl geht, um die Arbeitsweise des Bundesrats oder politische Geschäfte: Stets versucht er, Abläufe verständlich zu machen, politische Prozesse zu erklären – aber auch den eigenen Einfluss zu relativieren.

Seine 111-Tage-Bilanz beginnt der Neu-Bundesrat mit seiner Wahl. Rösti berichtet von seiner Unsicherheit, ob es für ihn denn tatsächlich reichen würde. Denn: «Es wird nie so viel gelogen wie vor Bundesratswahlen.» Erst am Abend vor dem eigentlichen Wahltag sei er einigermassen sicher gewesen, dass es klappen könnte; vom 6. auf den 7. Dezember habe er dann gut geschlafen.

Seinen Gestaltungsspielraum als neuer Chef des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr und Kommunikation relativiert Rösti gleich zu Beginn. Das UVEK sei ein grosser Tanker und «die Gesetzgebung ändert sich ja nicht einfach, weil nun der Rösti von der SVP kommt». Innerhalb des Spielraums, den es bei Gesetzen gebe, stehe er allerdings eher auf der Nutzerseite und weniger auf der Schutzseite.

Energiepolitik vor Klimapolitik
In der Rückschau auf seine ersten Wochen im Amt formuliert Rösti jene drei Schwerpunkte, die er kürzlich auch schon anlässlich seiner 100-Tage-Bilanz in Bern vorgestellt hatte.
Sein erstes Ziel sei, eine sichere Energieversorgung zu gewährleisten – eine Aufgabe, vor der er grossen Respekt habe. «Plötzlich keinen Strom mehr zu haben, wäre eine Katastrophe für unser Land.» In diesem Zusammenhang erlaubte sich der Energieminister ein erstes politisches Statement. «Es ist nicht richtig gewesen, dass wir im Kanton Bern Anlagen abgeschaltet haben.» Rösti spricht das Wort nicht aus, aber es geht offensichtlich vor allem um das Atomkraftwerk Mühleberg. Die weggefallene Leistung dieser «Anlagen» habe man ersetzen müssen, und er sei heilfroh, dass Simonetta Sommaruga in Birr (AG) ein Ölkraftwerk als Back-up habe errichten lassen. Man müsse seiner Vorgängerin, die bekanntlich von einer anderen Partei komme, ein Kränzlein winden, dass sie dazu Ja gesagt habe – «aber es gab halt nur noch diese eine Lösung». Das Bundesamt für Energie habe gute Arbeit geleistet und innerhalb eines halben Jahres dieses Notkraftwerk aufgebaut. «Das war eine Riesenleistung – die allerdings auf Notrecht basierte», so Rösti. Man werde nun weitere solcher Reserven aufbauen müssen, damit man eine Strommangellage abwenden könne. Die Gefahr einer Energieknappheit sei – unter anderem aufgrund der internationalen Lage – keineswegs gebannt. Er bete fast dafür, dass die Politik nicht irgendwann beginnen müsse, Stromkontingente einzuführen, so der Energieminister.

In seiner neuen Rolle als Bundesrat gibt sich Rösti betont pragmatisch. Die Bevölkerung habe entschieden, dass derzeit kein neues Kernkraftwerk gebaut werden solle, und auch im Parlament sei ein solcher Neubau im Moment nicht mehrheitsfähig. «Das gilt es zu akzeptieren, ob einem das passt oder nicht.» Also müsse man nun versuchen, drohende Stromlücken zu schliessen, etwa mit neuen Wasserkraftwerken oder alpinen Solarkraftwerken. Bei der Windenergie sei er «ein bisschen kritischer». Schon wegen des Tourismus müsse man aufpassen, wohin man solche Anlagen stelle. «Aber auch da gibt es sicher Möglichkeiten.»

Rösti weiss, dass er sich mit solchen Aussagen nicht bei jedem beliebt macht. «Ich habe übrigens noch nie etwas gegen erneuerbare Energie gesagt», schiebt er deshalb zur Erklärung nach, «und ich bin auch überhaupt nicht dagegen, aus den fossilen Energieträgern auszusteigen.» Aber vorher müsse man eben klären, wo der ganze Strom herkommen soll. «Für mich kommt die Energiepolitik deshalb vor der Klimapolitik.»

Leichter gesagt als getan
Sein zweites Ziel als Bundesrat sei der Ausgleich zwischen Stadt und Land. «Nahezu täglich muss ich bei irgendeinem Entscheid zwischen Schutz und Nutzen abwägen», so Rösti. Ihm sei enorm wichtig, hier eine gute Balance zu finden. Es könne nicht sein, dass man nur die Städte als Arbeitsort und Wirtschaftszone begreife und auf dem Land stets nur schützen und naturieren wolle. «Die Schweiz ist ein kleines Land, wir müssen in allen Regionen wirtschaften können.» Er werde deshalb versuchen – «den Beweis muss ich ja erst noch erbringen» –, hier einen besseren Ausgleich hinzubekommen.

Um keine falschen Erwartungen zu wecken, verdeutlicht Rösti auch bei diesem Thema, dass seine Macht begrenzt ist. Die Biodiversitätsinitiative etwa verlange, grosse Flächen unter Schutz zu stellen – was die Landwirtschaft erheblich beeinträchtigen würde. Der Gesamtbundesrat hat dazu einen indirekten Gegenvorschlag ausgearbeitet. «Ich als neu Dazugekommener kann nun schlecht sagen: Ich will diesen Vorschlag nicht», erläutert Rösti seine Situation. Er könne höchstens versuchen, eigene Akzente zu setzen – etwa mit dem Hinweis ans Parlament, dass auch die Städte für die Biodiversität verantwortlich seien. «Der grösste Schaden entsteht ja dort, wo der Boden versiegelt ist – und das ist nicht auf dem Land.»

Auch bei anderen Themen wie etwa der Raumplanung oder dem Erhalt von Poststellen macht sich Rösti für den Stadt-Land-Ausgleich stark. Versprechen kann er freilich nichts; vieles sei leichter gesagt als umgesetzt, betont der 55-Jährige. «Aber nochmals: Mein Ziel ist es, einen besseren Ausgleich zwischen Stadt und Land zu schaffen.»

«Wir brauchen alle Verkehrsmittel»
Der dritte Arbeitsschwerpunkt des UVEK-Chefs betrifft die Infrastruktur des Landes. Priorität haben für Rösti jene Projekte, bei denen das eingesetzte Geld am meisten bringt. Statt also bei einer Bahnstrecke eine Milliarde zu investieren für einen eher bescheidenen Zeitgewinn, will er lieber eine Autobahn ausbauen, «denn dort steht man laufend im Stau». In der Verkehrspolitik zeigt Rösti letztlich dieselbe Haltung, die er auch bei der Energieversorgung an den Tag legt: offen bleiben für alle Mittel und Technologien. «Wenn wir die zukünftigen Verkehrsströme bewältigen wollen, brauchen wir alles.» Vom Zaun brechen lasse sich freilich auch hier nichts. Gerade bei grösseren Infrastrukturprojekten könne es immer sein, dass am Ende das Volk entscheide – und das sei auch gut so.


«Es läuft eigentlich genau wie im Gemeinderat»

Um den Gästen einen Einblick in die Arbeit eines Bundesrats zu geben, berichtete Albert Rösti, wie sein Alltag als UVEK-Chef aussieht – und dass er in den ersten Wochen kaum noch aus dem Büro herauskam.

MARK POLLMEIER
Wie macht ein Bundesrat Politik? Rösti berichtete in Frutigen von seiner eng getakteten Arbeitswoche. Regelmässig kommen die Chefs und Chefinnen «seiner» sieben Bundesämter zu ihm zum Rapport. Zu diesen Terminen bringen sie Anträge zu Projekten mit, die sie in ihrem Zuständigkeitsbereich jeweils umsetzen möchten. Ähnlich läuft es mit den Präsidenten der vier staatsnahen Betriebe (SBB, Post, Swisscom und Skyguide), und dann platzieren natürlich auch noch Verbände und Lobbygruppen ihre Wünsche beim Departementschef. «Für mich heisst das: Ich bin sehr viel im Büro, viel mehr als vorher», erzählte Rösti. Jeweils am Freitag erhalte er von seinem Generalsekretariat die vorbereiteten Dossiers, die er dann übers Wochenende studieren müsse, damit er für die kommenden Arbeitstage informiert und vorbereitet sei.

«Ganz so habe ich es mir nicht vorgestellt»
Rösti machte keinen Hehl daraus, dass der Einstieg in diese politische Tretmühle anstrengend gewesen sei. Gerade zum Start habe er von früh bis spät abends in seinem Büro gesessen. Irgendwann sei er dann nach Hause gekommen und habe zu seiner Frau gesagt: «Also, ganz so habe ich mir das dann doch nicht vorgestellt.» Die Arbeitsbelastung in den ersten Wochen sei gross gewesen – und ein Grund dafür, dass man neue Bundesräte erst einmal nicht zu Gesicht bekomme. Der Anlass in Frutigen war denn auch einer der ersten öffentlichen Auftritte «bei den Leuten», den Rösti als Bundesrat absolvierte.

Ein paar Nullen mehr
Vorzubereiten sind jedoch nicht nur die «eigenen» Geschäfte des UVEK, sondern auch die wöchentlichen Sitzungen des Gesamtbundesrats. Auch hier kann Rösti auf die Vorarbeit seines Generalsekretariats zurückgreifen. Dessen MitarbeiterInnen lesen die Dossiers der anderen Departemente und geben dazu Empfehlungen ab. Sofern es Differenzen oder Diskussionsbedarf gibt, lässt das UVEK den anderen Departementen einen sogenannten Mitbericht zukommen, der von diesen wiederum beantwortet wird. «An den Bundesratssitzungen redet man dann nur noch über die Punkte, zu denen es einen solchen Schriftverkehr gab – alles andere gilt als genehmigt», erklärte Rösti das Verfahren. Über die meisten Geschäfte werde nicht abgestimmt, Stillschweigen gilt als Zustimmung. Medienmeldungen, wer sich im Bundesrat wie verhalten habe, seien deswegen oft nicht zutreffend – «in der Regel gibt es gar keine Abstimmung», so Rösti. «Wer im Gemeinderat ist, kennt das ja alles», witzelte er abschliessend. Im Bundesrat laufe es eigentlich genau gleich. «Nur die Zahlen haben bei uns meistens ein paar Nullen mehr.»


Von Credit Suisse bis Grossraubtiere

Nachdem Albert Rösti seine «Start-Bilanz» vorgestellt hatte, nutzten Anwesende die Möglichkeit, ihn zu einzelnen Themen zu befragen. Man dürfe ihm auch widersprechen, scherzte der UVEK-Chef – er sei es aus Bern gewöhnt, dass man nicht immer seiner Meinung sei.

MARK POLLMEIER
Die erste Frage stellte der Moderator des Abends gleich selbst. Ob es denn bei der Credit Suisse (CS) wirklich keine andere Möglichkeit gegeben habe, als sie von der UBS übernehmen zu lassen, wollte Ernst Wandfluh wissen. Rösti liess die dramatischen Tage Mitte März Revue passieren und zeigte Verständnis dafür, dass mancher mit dem Ergebnis nicht zufrieden sei. Den Entscheid, die Credit Suisse nicht Konkurs gehen zu lassen, bezeichnete Rösti aber als zwingend. Die Alternative wäre gewesen, nicht nur eine Schweizer, sondern eine weltweite Finanzkrise in Kauf zu nehmen. Diesen Schneeballeffekt habe der Bundesrat nicht riskieren können. Bis zum Sonntag, 19. März, musste also eine Lösung gefunden werden. Der Bundesrat habe die Möglichkeit, dass der Staat die Grossbank übernehme, zwar geprüft, sei aber zu dem Schluss gekommen, dass er damit schon allein personell überfordert gewesen wäre. So sei alles auf die Lösung mit der UBS hinausgelaufen – «die beste aller schlechten Optionen», wie Rösti sie nannte. Nun sei die Politik gefordert, eine weitere Situation wie diese zu vermeiden. Die UBS sei die letzte verbliebene Grossbank der Schweiz, eine weitere inländische Rettungsaktion sei damit ausgeschlossen. Rösti verwies auf eine Forderung, die seine Partei schon vor Jahren erhoben hatte: das Schweizer und das internationale Geschäft der Grossbanken stärker zu entflechten, sodass eine Rettung im Krisenfall einfacher wäre.

Die ablehnende Haltung des Parlaments zur CS-Rettung wollte Rösti nicht als Niederlage für seine Bundesratskollegin Karin Keller-Suter verstanden wissen. Er interpretiere die Reaktion des Parlaments als Auftrag, aus dem Debakel jetzt endlich die richtigen Schlüsse zu ziehen und sie im Gesetz zu verankern.

Stromverkauf bei Energiemangel
Während der Bundesrat die Bevölkerung im Herbst zum Stromsparen aufrief, habe die Schweiz munter Strom ins Ausland verkauft, bemängelte ein Frutiger Bürger. Dafür hätten viele Menschen kein Verständnis gehabt. Er plädiere dafür, solche Stromverkäufe künftig zu verhindern. Albert Rösti verwies auf die laufende Revision des Energiegesetzes. Man arbeite darauf hin, dass die Energieversorger das Inland künftig prioritär belieferten. Sie müssten sicherstellen, dass die Grundversorgung des Landes jederzeit gewährleistet sei. Dazu gehöre auch, dass die Energiekonzerne eine gewisse Wasserreserve in den Stauseen zurückbehielten, um allfällige Engpässe überbrücken zu können. Rösti erklärte aber auch, dass man im europäischen Strommarkt den Ein- und Verkauf von Stromkontingenten nie ganz werde vermeiden können.

Gebäude ausserhalb der Bauzonen
Der Berner Grossrat und bisherige Präsident des Berner Bauern Verbands, Hans Jörg Rüegsegger, sprach die Raumplanungsproblematik an. Die aktuelle Revision des Raumplanungsgesetzes müsse für den Kanton Bern eine spürbare Verbesserung bringen. Es gebe hier rund 20 000 leer stehende Gebäude, «und wir sind dringend darauf angewiesen, die auch nutzen zu können», so Rüegsegger.
«Das Ziel der Revision ist für mich, die Anzahl der Gebäude ausserhalb der Bauzone zu stabilisieren», entgegnete Albert Rösti. Sprich: Es sollen dort nicht noch mehr Gebäude errichtet werden. Dieses Ziel aber lasse sich am einfachsten erreichen, indem man bestehende und teilweise schon erschlossene Gebäude ausserhalb der Bauzone nutzen könne – auch als Wohnraum.

Rösti warb in diesem Zusammenhang dafür, dass auch die Bauern die Revision des Gesetzes unterstützen. Deren Angst vor einer fortschreitenden Zersiedelung durch Umnutzung sei gerade im ländlichen Raum meist unbegründet.

Lockerung beim Wolfsschutz
Grossrat Thomas Knutti sprach Albert Rösti auf die Grossraubtier-Problematik an. Welche Strategie er in dieser Angelegenheit verfolge, wollte Knutti wissen.

Rösti, in dessen Zuständigkeit als Umweltminister auch die Wölfe fallen, wies darauf hin, dass ein Grossraubtier derzeit nicht erlegt werden dürfe, bevor es Schaden angerichtet habe. Man könne jedoch die Zahl der Risse, ab der ein Abschuss möglich wird, senken, und darauf arbeite er schon für diesen Sommer hin. Für den nächsten Sommer werde er seine Kompetenzen nutzen, um auf die entsprechende Verordnung zum Jagdgesetz Einfluss zu nehmen. Ziel sei es, problematische Wölfe schon erlegen zu können, bevor sie Nutztiere angreifen. Das revidierte Jagdgesetz soll im Sommer 2024 in Kraft treten.

Der Uetendorfer ZEFF
Eine listige Frage stellte Urs Peter Künzi, der zurzeit um Unterstützung für einen Zweckgebundenen Energiefonds Frutigen (ZEFF) wirbt. Er sprach Rösti auf seine Zeit als Uetendorfer Gemeindepräsident an. Dort habe der Gemeinderat vor einiger Zeit einen Fonds ins Leben gerufen, aus dem Solaranlagen auf Hausdächern mitfinanziert werden konnten. Wie denn die Erfahrungen gewesen seien, wollte Künzi wissen. Albert Rösti berichtete, dass die damals bereitgestellten Gelder stark genutzt worden seien. Man habe angesichts des grossen Interesses letztlich sogar zu wenig Geld gehabt. Röstis Fazit: «Wir haben mit relativ bescheidenen Beiträgen der Gemeinde eine grosse Wirkung erzielt.»

In Frutigen stösst der ZEFF bislang auf eher ablehnende Resonanz, verschiedene Ortsparteien haben sich bereits dagegen ausgesprochen.

Auf den Spuren Adolf Ogis
Die letzte Frage betraf den Fortgang des Projekts Lötschbergtunnel. Rösti informierte, dass der Bundesrat in diesem Sommer die Botschaft für den Vollausbau ausarbeiten werde. Danach gehe das Geschäft ins Parlament, wo später über den notwendigen Kredit verhandelt werde. Er könne in seinen nächsten Jahren wohl kein solches Grossprojekt lancieren wie seinerzeit Dölf Ogi, so Rösti – «aber immerhin eines fertigstellen».


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