Blutgerinnung und Blutverdünnung
29.08.2025 GesundheitOhne Blut kein Leben. Damit das wirklich funktioniert, müssen alle Blutgefässe zu jeder Zeit «freies Fliessen» gewähren. Bei Verletzungen ist es wichtig, Blutungen rasch zu stoppen und nach Operationen verhindert die vorsorgliche Blutverdünnung die Bildung ...
Ohne Blut kein Leben. Damit das wirklich funktioniert, müssen alle Blutgefässe zu jeder Zeit «freies Fliessen» gewähren. Bei Verletzungen ist es wichtig, Blutungen rasch zu stoppen und nach Operationen verhindert die vorsorgliche Blutverdünnung die Bildung von Gerinnseln.
Anatomisch betrachtet, ist Blut ein eigenständiges Gewebe, zusammengesetzt aus den Blutzellen und dem flüssigen Blutplasma. Über das Gefässsystem erreicht es nahezu alle Teile des Körpers und erfüllt wichtige Transport-, Abwehrund Regulationsaufgaben.
Das gesamte Blutvolumen eines Erwachsenen entspricht etwa fünf bis sechs Liter. Etwa 55 Prozent dieses Volumens nimmt das Blutplasma ein, das zu gut 90 Prozent aus Wasser besteht. Darin schwimmen pro Liter etwa 80 Gramm Eiweisse sowie zehn Gramm gelöste oder gebundene Mineralstoffe (Elektrolyte). Die zellulären Teile des Bluts füllen ungefähr 40 bis 50 Prozent des Blutvolumens aus.
Den roten Blutkörperchen (Erythrozyten) fällt der grösste Teil zu (95 Prozent). Sie versorgen die Organe mit Sauerstoff und transportieren Kohlendioxid zurück in die Lunge. Die weissen Blutkörperchen (Leukozyten) übernehmen die Immunabwehr, die Blutplättchen (Thrombozyten) sind für die Gerinnung verantwortlich.
Blutgerinnung ist lebenswichtig, am falschen Ort jedoch bedrohlich
Bei Verletzungen hilft die Blutgerinnung, einen Blutverlust zu vermeiden und die normale Gefässfunktion wiederherzustellen. Die notwendigen, komplexen Abläufe nennt die Medizin Hämostase (griechisch: ‹haima› = «Blut», ‹stasis› = «Stauung», «Stillung»). Sie verläuft in drei Phasen: die eigentliche Blutungsstillung (primäre Hämostase), die Blutgerinnung (sekundäre Hämostase) und dem späteren Abbau des Gerinnsels (Fibrinolyse) bis zur Wundheilung.Die Blutgerinnung ist ein verflochtener Vorgang. Sie verläuft über zwei parallele Wege, in denen wasserfallartig die Gerinnungsfaktoren aktiviert werden.
Innerhalb der intakten Gefässe dürfen aber keine Gerinnsel entstehen, sie könnten lebenswichtige Gefässe verstopfen. Normalerweise regelt der Körper dies in Eigenregie und wirkt der Gerinnung konsequent entgegen. Bei gewissen Krankheiten oder nach Operationen müssen jedoch blutverdünnende Medikamente nachhelfen.
Gerinnung sorgt für dichten Verschluss
Schon während der Blutstillung wird parallel dazu das Gerinnungssystem aktiviert. Dabei bildet sich aus dem provisorischen Propf ein stabiles Gerinnsel. Die Blutgerinnung kommt einige Minuten nach einer Verletzung in Gang. Der Ablauf mit zwölf Gerinnungsfaktoren und gegenseitigen Aktivierungskaskaden ist äusserst komplex. Nicht wenige Medizin- oder Pharmaziestudenten können von rauchenden Köpfen und Bauchschmerzen beim Lernen berichten... Aus inaktiven Vorstufen entstehen aktive Gerinnungsfaktoren, die sich in einer wasserfallartigen Kette aktivieren. Am Ende steht der Schlüssel bereit, Gerinnungsfaktor Xa, um den entscheidenden Schritt auszulösen: die Bildung von Thrombin. Dieses Enzym sorgt dafür, dass der Faserstoff Fibrin entsteht und sich als stabiles Netz um den Pfropf legt. Damit wird die Gefässverletzung dauerhaft und stabil verschlossen.
Blutgefässe dürfen nie verstopfen
Bei der Bildung eines Gerinnsels innerhalb von Blutgefässen besteht die Gefahr einer Thrombose oder einer Embolie (s. Kasten). Wenn das Blut zu langsam fliesst oder wenn die Beine auf langen Flugreisen über längere Zeit zu wenig bewegt werden, kann ein solches Gerinnsel entstehen.Die häufigsten Indikationen für eine Antikoagulation sind die Vorbeugung von Herzinfarkt oder Schlaganfall, vor langen Reisen, der Einsatz nach operativen Eingriffen, nach einer Lungenembolie, bei der Herzrhythmusstörung «Vorhofflimmern» sowie bei bestimmten Krebserkrankungen, die mit einem deutlich höheren Thromboserisiko behaftet sind. Dabei entscheidet der Arzt je nach Indikation, welcher Wirkstoff angezeigt ist.
Nach Einsetzen von Stents (Gefässstützen in Herzkranz- oder anderen verstopften Blutgefässen) ist sogar eine mehrmonatige Kombination zweier Wirkstoffe nötig.
Verdünnende Medikamente beugen vor
Eine präventive Blutverdünnung (Antikoagulation) kann Verklumpungen und damit die Verstopfung wichtiger Gefässe verhindern. Die kleinen Herzkranzgefässe, die Versorgung des Hirns und die Beinvenen stehen dabei im Fokus.
Die Vielzahl an der Blutgerinnung beteiligten Zellen, Stoffe und Enzyme bieten diverse Angriffspunkte für Medikamente. Die beiden wichtigsten Ziele sind die Blutplättchen (Thrombozyten) sowie der Gerinnungsfaktor Xa.
Der wohl bekannteste und immer noch breit eingesetzte Blutverdünner ist Acetyl-Salicylsäure, besser bekannt als Aspirin® oder ASS 100 mg (s. Kasten).
In tieferer Dosierung als gegen Schmerzen verwendet, verhindert er die Zusammenlagerung der Blutplättchen zu einem Thrombus. Therapeutisch gehört er zur Gruppe der Plättchen- oder Thrombozyten-Aggregationshemmer.
Ein von ASS «befallener» Thrombozyt bleibt danach während seiner kurzen Lebenszeit von sieben bis zehn Tagen inaktiv.
Moderne Antikoagulanzien wirken gezielt
Lange Zeit spielten die Gegenspieler von Vitamin K (Vitamin K -Antagonisten: Marcoumar®, Sintrom®) die erste Geige bei der Blutverdünnung. Sie hemmen die Bildung Vitamin K- abhängiger Gerinnungsfaktoren. Nachteil, sie wirken verzögert, lange anhaltend und die wirksame Dosis muss mittels regelmässiger Bestimmung des INR-Werts (International Normalized Ratio, früher Quick-Wert) kontrolliert werden.
Die heutigen modernen Blutverdünner zielen direkt auf das «Herz» der Gerinnung, wo sie den bekannten Faktor Xa hemmen (zum Beispiel Rivaroxaban, Apixaban).
Eine andere Gruppe von Wirkstoffen bindet sich direkt an die Blutplättchen und verhindert so die Aktivierung der Zusammenlagerung (zum Beispiel Clopidrogel, Ticagrelor). Der Wirkstoff Ticagrelor hat eine schnelle Wirkung, der bei Bedarf (Blutungen) auch rasch wieder abgesetzt werden kann. Eine besondere Wirkstoffgruppe ist Heparin. Es handelt sich um kettenförmige, zuckerhaltige Verbindungen tierischen Ursprungs. Ihre Wirkung beruht auf der starken Aktivierung des körpereigenen Blutverdünners Antithrombin, der seinerseits den wichtigen Gerinnungsfaktor Xa hemmt. Heparin kommt sehr häufig nach Operationen wie auch zur Vorbeugung und Behandlung von tiefen Venenthrombosen zum Einsatz. Heparin-Spritzen werden unter die Haut gespritzt.
BEAT INNIGER, OFFIZIN-APOTHEKER FPH, ADELBODEN
Was passiert bei einer Verletzung?
Wird ein Blutgefäss, zum Beispiel den Blutplättchen (Thrombozyten) akdurch einen Schnitt, verletzt, kommen tiviert und diese setzen Stoffe frei, unmittelbar diverse Reaktionen in welche die eigentliche Gerinnung an-Gang. Dies mit dem Ziel, einen Blutstossen. Durch die verlangsamte Ströverlust zu verhindern und rasch einen mung können sich die Blutplättchen provisorischen Gefässverschluss zu am Leck anheften und einen vorläufibilden. Kaum trifft austretendes Blut gen, zunächst labilen, Wundpfropf bilauf Strukturen der beschädigten den (Thrombozyten-Gerinnsel). Die-Gefässwand, löst dies rasch eine Verse erste Phase der Blutstillung dauert engung des verletzten Gefässes aus. normalerweise zwei bis vier Minuten. Gleichzeitig werden die zirkulieren
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Aspirin® – der Klassiker unter den Blutverdünnern
Im Jahr 1899 wurde Aspirin® als Markenname für ein «pharmazeutisches Produkt» registriert. Seither zählt diese Familienmarke zu den ältesten und weltweit bekanntesten Medikamenten. 1948 erkannte der englische Kardiologe Paul Gibson dessen blutverdünnende Wirkung und legte damit den Grundstein für eine einfache und günstige Prävention von Gefässthromben und damit zur Senkung des Risikos von Herzinfarkten oder Schlaganfällen.
In der Schweiz wurde Aspirin® 100 mg als Medikament zur Prophylaxe von Herzinfarkt und Schlaganfall 1992 zugelassen.
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Thrombose und Embolie
Blutgerinnsel innerhalb eines Gefässes heissen Thromben (griechisch: ‹thrombos› = «Klumpen»). Sie können sowohl im arteriellen Kreislauf (vom Herz weg) wie auch im venösen Kreislauf (Blutfluss zum Herz hin) entstehen. Bleibt ein Gerinnsel fixiert am Ort, verstopft es das Gefäss und nachliegendes Gewebe oder Organe werden nicht mehr oder ungenügend versorgt. Dies geschieht zum Beispiel bei einem Herzinfarkt oder einem Schlaganfall. Ein vom Blutstrom verschleppter Thrombus kann an einer anderen Stelle zu einem Gefässverschluss führen. Dann spricht man von einer Embolie (zum Beispiel Lungenembolie). Sowohl Thrombose als auch eine Embolie können lebensbedrohlich sein und erfordern eine rasche medizinische Intervention.
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