KOLUMNE – ING.EDANKEN

Wer aktuell mit dem Auto auf der Schnellstrasse von Frutigen in Richtung Reichenbach fährt, dem dürften die wunderschön blühenden Osterglocken am Strassenrand auffallen. Der Frühling ist definitiv auf dem Vormarsch und auch an anderen Orten im Tal hat es längst zu spriessen begonnen. So schön das fürs Auge auch sein mag, bedeutet es für einen Grossteil der Bevölkerung regelmässig «Heuschnupfenzeit». Wer einen eigenen Garten oder Rasen hat, für den heisst es auch «Arbeitszeit». Wie so oft im Leben haben alle Dinge ihre Kehrseite – so wächst nebst dem bewusst Gesäten auch ganz viel Unkraut. Ein bekanntes Sprichwort besagt: «Man erntet, was man sät.» Nun, genauer betrachtet, erntet man noch ganz viel Unkraut mit dazu. Dieses Unkraut einfach stehen zu lassen, ist in den meisten Fällen eine schlechte Idee, da es sich sehr schnell weiterverbreitet und das eigentliche Saatgut plötzlich erstickt.

Ich habe zwar keinen grünen Daumen, aber mich faszinieren die Parallelen zwischen Natur und Gesellschaft. Wie im Garten versuche ich mir nämlich bewusst Dinge anzutrainieren, oder eben einzupflanzen. Auch hier ist es jedoch so, dass sich negative Verhaltensmuster oftmals von selbst miteinschleichen. Wie es Unkraut an sich hat, kommt es immer wieder zurück und ist kaum totzukriegen. Um sich bewusst davon zu befreien, sollte es regelmässig entfernt werden. Im Gärtner-Fachjargon nennt sich das «Jäten». Falls das persönliche Unkraut dann doch langsam zu gross werden sollte, können diese negativen Verhaltensmuster auch sehr gut von nahestehenden Personen wie Eltern, Partner, Freunden oder WG-Kollegen entdeckt und gespiegelt werden. In der Tat fällt es manchmal fast einfacher, das Unkraut im Nachbarsgarten zu entdecken. Sich davon lösen, muss aber jeder individuell für sich selbst.

Zu einem Garten gehört in erster Linie nicht nur die Bekämpfung des Unkrauts, sondern auch das bewusste Anpflanzen. So tun analog dem Persönlichkeits-Garten neue Pflanzen beziehungsweise Vorsätze und Verhaltensmuster gut, damit man im Leben weiterkommt. Aber Achtung: Auch der beste Same bringt nichts, wenn er nicht ständig bewässert und gepflegt wird. Bei manchen Pflanzen ist es gar erforderlich, einzelne gute Äste abzuschneiden, damit neue Frucht entstehen kann. Dieser Prozess geht nicht schmerzfrei an einem vorbei.
Ein weiteres Kriterium für das Wachstum einer Pflanze ist ihr Umfeld. Ein gutes Beispiel hierfür ist das vermeintlich «gerettete» kleine Passionsfrucht-Pflänzchen meiner Frau aus dem Tropenhaus Frutigen, welches inzwischen unter anderem durch das doch gar nicht so tropische Wohnzimmer-Klima gestorben ist. Genauso verhält es sich auch mit Vorsätzen. Einige von ihnen verlangen es, zusätzlich eine Anpassung des Umfelds vorzunehmen. Ein Wechsel von Arbeitsplatz oder Freundeskreis kann in solchen Fällen förmlich beflügeln.

Genug jedoch mit der abstrakten Diskussion über die Pflanzenwelt – schliesslich bin ich viel eher ein Overthinker als ein begnadigter Botaniker. Ich möchte Sie deshalb zum Schluss ermutigen, sich den folgenden Fragen zu stellen:
Welches Unkraut hat sich in Ihrem Garten angesammelt?
Gibt es Samen, die etwas Wasser bräuchten – oder neu gesät werden müssen?

Von welchem Ast sollten Sie sich trennen? Stimmt das Klima für alle Pflänzchen?

BENJAMIN HOCHULI

BENI_HOCHULI@GMX.CH
DIE REDAKTION ERREICHEN SIE UNTER REDAKTION@FRUTIGLAENDER.CH

ING.EDANKEN - Botanisch gedacht

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