Bundesrat verlängert die Kurzarbeitsentschädigung
10.10.2025 PolitikSeit die Vereinigten Staaten Anfang August überraschend hohe Zölle auf Schweizer Exportprodukte eingeführt haben, herrscht in vielen Betrieben Verunsicherung. Betroffen sind vor allem die exportstarken Branchen – die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie sowie die Uhrenindustrie. Für diese Unternehmen sind die USA ein zentraler Absatzmarkt, und die neuen Importabgaben von bis zu 39 Prozent treffen sie empfindlich. Erste Folgen zeigen sich bereits: Aufträge werden storniert, Lieferungen verschoben, Margen schrumpfen.
In dieser Situation greift ein altbewährtes Instrument: die Kurzarbeit. Sie hilft Firmen, wirtschaftliche Schwankungen zu überbrücken, ohne ihre Mitarbeitenden entlassen zu müssen. Wer Kurzarbeit anmeldet, reduziert die Arbeitszeit – der Lohnausfall wird teilweise von der Arbeitslosenversicherung ersetzt. Damit bleibt das Know-how im Betrieb, und die Unternehmen können bei einer Erholung des Marktes rasch wieder hochfahren. Der Bundesrat hat auf die Entwicklung reagiert. Am 8. Oktober beschloss er, die Höchstbezugsdauer für Kurzarbeitsentschädigung von 18 auf 24 Monate zu verlängern. Diese Entscheidung basiert auf einer dringlichen Gesetzesänderung, die das Parlament Ende September verabschiedet hatte. Damit will der Bundesrat gezielt jene Branchen stützen, die am stärksten unter den US-Zöllen leiden. «Die Massnahme schafft Planungssicherheit und hilft, Entlassungen zu vermeiden», heisst es aus Bern. Die neue Regelung gilt ab dem 1. November 2025 und läuft vorerst bis zum 31. Juli 2026.
Industrie unter Druck – auch im Berner Oberland
Besonders betroffen ist die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM-Industrie). Sie gilt als Rückgrat der Schweizer Exportwirtschaft – und als Arbeitgeber für Zehntausende von Fachkräften. Wenn die Nachfrage aus dem Ausland einbricht, geraten auch Zulieferer, Logistikpartner und Dienstleistungsbetriebe unter Druck. In der Uhrenindustrie ist die Situation ähnlich: Der Absatz in den USA, einem der wichtigsten Exportmärkte, ist deutlich eingebrochen.
Auch im Berner Oberland sind die Auswirkungen spürbar, wenn auch indirekt. Im Frutigland etwa beliefern mehrere mittelständische Betriebe grössere Industriekunden in der Schweiz und im Ausland. «Wenn unsere Partnerfirmen weniger exportieren, wirkt sich das sofort auf uns aus», sagt ein Produktionsleiter eines metallverarbeitenden Betriebs in Frutigen. Man habe zwar noch volle Auftragsbücher, aber die Anfragen seien rückläufig. «Wir bereiten uns darauf vor, nötigenfalls Kurzarbeit anzumelden, um unser Team halten zu können.»
Zwischen Vorsorge und Zuversicht
Kurzarbeit gilt hier nicht als Zeichen von Schwäche, sondern als kluges Mittel der Vorsorge. Denn wer seine Fachkräfte verliert, steht bei einem Wiederaufschwung schnell vor neuen Problemen. Das Instrument erlaubt es, flexibel zu reagieren, ohne wertvolles Wissen und eingespielte Teams zu verlieren. Nach Einschätzung von Wirtschaftsexperten wird die Zahl der Betriebe mit Kurzarbeit in den kommenden Monaten zunehmen. Laut einer Analyse des KOF der ETH Zürich könnten die Zölle das Schweizer Bruttoinlandsprodukt um bis zu 0,6 Prozent senken und mittelfristig bis zu 15’000 Arbeitsplätze gefährden – vor allem in exportabhängigen Sektoren. Die Kurzarbeit kann diesen Effekt abfedern, löst aber das strukturelle Problem nicht. «Langfristig müssen Firmen neue Absatzmärkte erschliessen und ihre Abhängigkeit von einzelnen Ländern reduzieren», heisst es in einer Einschätzung von Economiesuisse.
Im Frutigland setzt man auf Optimismus und Anpassungsfähigkeit. Viele Betriebe investieren in Weiterbildung, Digitalisierung und neue Geschäftsfelder, um sich breiter aufzustellen. Auch die Tourismusbranche und das lokale Gewerbe beobachten die Entwicklung genau, denn schwächelt die Industrie, hat das auch indirekte Folgen für regionale Dienstleister, Handwerksbetriebe und Konsum. Dass der Bundesrat die Kurzarbeitsregelung verlängert hat, ist für viele Betriebe ein beruhigendes Signal. Sie verschafft Zeit – Zeit, um neue Wege zu finden, um Innovationen voranzutreiben und um hoffentlich bald wieder von einer Entspannung im internationalen Handel zu profitieren.
Ob die US-Zölle von Dauer sein werden, ist unklar. Handelskonflikte haben sich in der Vergangenheit oft schneller entschärft, als sie entstanden sind – manchmal aber auch über Jahre hingezogen. Fest steht: Die Schweizer Wirtschaft hat in den letzten Jahrzehnten mehrfach bewiesen, dass sie Krisen meistern kann. Kurzarbeit ist dabei ein Teil dieses Erfolgsrezepts – und für viele Betriebe derzeit der entscheidende Puffer zwischen Unsicherheit und Zuversicht.
RED