Carl Durheim und der Gross Lohner
26.08.2025 AdelbodenEin bekannter Berner Fotograf liess sich im Sommer 1876 von Einheimischen auf den Gross Lohner führen. Sie sahen sich schon als Erstbesteiger dieses Berges, bis sie eine Entdeckung machten.
Christian Egger, Lehrer in Adelboden, und dessen Sohn sowie ein ...
Ein bekannter Berner Fotograf liess sich im Sommer 1876 von Einheimischen auf den Gross Lohner führen. Sie sahen sich schon als Erstbesteiger dieses Berges, bis sie eine Entdeckung machten.
Christian Egger, Lehrer in Adelboden, und dessen Sohn sowie ein Gemsjäger führten im Juli 1876 Carl Durheim auf den Gross Lohner. Durheim war einer der ersten professionellen Fotografen in der Schweiz. Der Berner fotografierte das Schweizer Alpenpanorama und fertigte auch zahlreiche Hochgebirgsfotografien an. Mitte des 19. Jahrhunderts hielt er sich mehrheitlich im Berner Oberland auf, so auch in Adelboden.
Das «Geschäftsblatt für den oberen Teil des Kantons Bern» berichtete am 15. Juli 1876 wie folgt: «Die höchste Spitze des Gross Lohner, welche bis jetzt noch nicht erstiegen worden sein soll, ist am 7. Juli von Hr. C. Durheim, gewesener Photograph, glücklich bestiegen worden.» Dieses kalkige Bergmassiv liegt östlich von Adelboden und südwestlich von Kandersteg und weist die Gipfel Nünihorn, Hintere Lohner, Mittlere Lohner, Lohner, Vordere Lohner und Mittaghorn auf. Die Vierergruppe startete damals um drei Uhr morgens von der Alp Laueli und erreichte die 3048 Meter hohe Bergspitze des Gross Lohner gegen 11.30 Uhr mittags. Es sei eine anspruchsvolle Tour mit teilweise schwierigen Kletterpartien gewesen, wurde damals berichtet. Erstaunt und auch erfreut waren die Bergsteiger, als sie auf dem Gipfel ankommend keine Spuren früherer Besteigungen fanden. Sie fragten sich, ob sie gar als Erstbesteiger des Gross Lohners in die Geschichte eingehen würden.
Die Antwort auf diese Frage erhielten sie beim Abstieg, kaum 45 Meter unterhalb des Gipfels. Dort entdeckten sie ein Steinmannli, was die Begehung anderer vor ihnen bestätigte und sie höchstens zu Zweitbesteigern machte. Sie errichteten dort eine Steinpyramide und setzten ihren Abstieg nach Adelboden fort, wo sie gegen neun Uhr abends eintrafen.
Gross Lohner ohne Gäste bestiegen?
Einen Monat später bestiegen vier Mitglieder des Schweizer Alpen-Clubs (SAC) ebenfalls den Gross Lohner. Oben auf dem Gipfel angekommen, ruhten sie sich aus und erspähten plötzlich etwas Glänzendes neben sich im Gelände. Einer von ihnen näherte sich diesem Ding und hob eine Glasflasche hoch. Beim genauen Hinschauen entdeckten sie darauf zwei Namen und eine Jahreszahl: «Fritz Ogi und Christian Hari. September 1875». Anscheinend hatten die zwei weniger als ein Jahr zuvor bereits diesen Berg bestiegen und sind wohl als Erstbesteiger einzuordnen.
Doch um wen handelte es sich bei den beiden Männern? Beide stammten aus Kandersteg und waren ausgebildete Bergführer. Fritz Ogi-Brügger machte sein Führerpatent im Juli 1863 und Christian Hari-Ogi seines ein Jahr später. Aber in ihren Führerbüchern ist kein Eintrag einer Erstbesteigung im Jahr 1875 verzeichnet.
Hansruedi Kallen, der die Berge rund um Kandersteg bestens kennt und den Gross Lohner mehrmals bestiegen hat, vermutet, dass die zwei die Tour damals alleine unternommen hatten. «Da es keinen Eintrag gibt, muss angenommen werden, dass sie diesen Erfolg ohne Gäste reüssiert haben. Denn es sind die Gäste, die ihrem Bergführer in dessen Führerbuch jeweils über eine gemeinsam gemeisterte Tour schreiben und ihn gegebenenfalls weiterempfehlen», meint der Kandersteger.
Zahlreiche Erstbesteigungen gemeistert
Ein Blick in die Geschichte der Bergführer im Berner Oberland bestätigt, dass Christian Hari und Fritz Ogi ohne Zweifel zu ihrer Zeit zu den führenden Bergsteigern gehörten. Im August 1860 gelang beispielsweise Fritz Ogi, damals 31-jähriger Bergführeraspirant, zusammen mit dem Meiringer Bergführer Melchior Anderegg sowie einem weiteren Führer die Erstbesteigung des Blüemlisalphorns. Dabei blieb dieser Gipfel nicht die einzige Erstbesteigung Ogis. Er war auch als Erster auf dem Fründenhorn, dem Oeschinenhorn sowie dem Blüemlisalp-Rothorn. Ebenfalls stieg Ogi als Erster mit Christian und Fritz Hari am 13. August 1871 mit Gästen der SAC-Sektion Bern von der Nordseite auf die Wildi Frau. Der gross gewachsene Christian Hari konnte in seiner Bergführertätigkeit auf eine grosse Gästeschar aus Frankreich, Deutschland, England, Österreich, Holland und den Vereinigten Staaten von Amerika zählen.
HANS HEIMANN