«Das hohe Tempo hat mich überrascht»
19.09.2025 PolitikWilly Schranz, Gemeindeobmann von Adelboden, erlebte vergangene Woche seine Feuertaufe als Mitglied des Grosser Rat des Kantons Bern. Er rutschte für seinen zurückgetretenen EDU-Parteikollegen Jakob Schwarz nach und übernimmt damit auch dessen Sitz in der Kommission ...
Willy Schranz, Gemeindeobmann von Adelboden, erlebte vergangene Woche seine Feuertaufe als Mitglied des Grosser Rat des Kantons Bern. Er rutschte für seinen zurückgetretenen EDU-Parteikollegen Jakob Schwarz nach und übernimmt damit auch dessen Sitz in der Kommission für Inneres und Justiz.
Willy Schranz, wie fühlten Sie sich, als Sie am Montag, 1. September, von der Grossratspräsidentin vereidigt wurden?
Es war ein bewegender Augenblick. Als ich den Eid leistete, wurde mir die Verantwortung noch einmal bewusst, die ich als Mitglied des Kantonsparlamentes trage.
Hatten Sie einen Götti, der Sie in die Gepflogenheiten des Ratsbetriebs einweihte?
Mein Vorgänger Jakob Schwarz hat mich bereits nach der Sommersession an seinem letzten Tag als Grossrat durch den Ratssaal und die Räumlichkeiten geführt. Er war eine wichtige Hilfe und gab mir einige wertvolle Tipps zum Ratsbetrieb.
Das Sessionsprogramm umfasste 115 Traktanden. Wie bewältigen Sie ein solches Mammutpensum?
Die Sessionsunterlagen umfassen insgesamt rund 1600 Seiten. Es ist nicht möglich, alle Dokumente im Detail zu studieren. Ich habe mich über alle Motionen und Postulate gebeugt – das gehört zum Pflichtprogramm eines Parlamentariers. Wir diskutieren die Themen jeweils in unserer Fraktion und bilden uns eine gemeinsame Meinung.
Wie fühlten Sie sich, als Sie erstmals ans Rednerpult traten?
Ich durfte die Fraktionsmeinung der EDU in drei Geschäften aus der Kommission für Inneres und Justiz vertreten und habe mich dabei durchaus wohlgefühlt.
Beim ersten Auftritt ging es um die Anpassung von Prozessordnungen. Anschliessend stellte ich die Fraktionsmeinung zum Schutz von Jugendlichen im Schulalter vor schädlichen Social-Media-Inhalten vor. Das Thema ist mir aus der Schule her vertraut. Der Auftritt am Rednerpult unterscheidet sich stark von einer Gemeinderatssitzung: Im Grossrat spreche ich einige wenige Minuten zum Thema und setze mich danach wieder an meinen Platz. Die inhaltlichen Auseinandersetzungen finden hauptsächlich in den Kommissionen und Fraktionen statt.
Was hat Sie im Parlamentsbetrieb am meisten überrascht?
Das hohe Tempo habe ich so nicht erwartet. Ein Geschäft jagt förmlich das andere. Man muss sich über Stunden konzentrieren, um den Faden nicht zu verlieren. Um bei einem Geschäft mit freier Debatte zu Wort zu kommen, muss man parat sein und schnell reagieren – sonst ist die Chance vertan, sich zu äussern.
In Parlamenten werden laufend Allianzen geschmiedet und parteiübergreifende Päckli geschnürt. Haben Sie dies bereits erlebt?
Ich habe schnell festgestellt, dass es verschiedene Gründe gibt, Motionen und Postulate einzureichen. Die einen beschäftigen sich mit wichtigen politischen Anliegen, andere ordne ich eher dem Thema Wahlkampf zu. Motionen von Bedeutung erkennt man oft daran, dass ihre Urheberinnen und Urheber aus mehreren Parteien kommen und sie breiter abgestützt sind. Man merkt die Relevanz eines Geschäfts auch am Lärmpegel im Saal: Je gewichtiger das Anliegen, desto ruhiger wird es. In meiner ersten Session war ich in dieser Sparte des Parlamentsbetriebs noch eher Beobachter als Handelnder. Doch das wird sich bestimmt noch ändern.
Welches Fazit ziehen Sie nach Ihrer Parlamentarier-Premiere?
Es ist ein ebenso anspruchsvolles wie faszinierendes Amt. Mich beeindruckt unser politisches System und die Möglichkeit, auf Gesetzesebene einwirken zu können – auch wenn ich nur eines von 160 Ratsmitgliedern bin. Ich freue mich bereits auf die kommende Session und werde mich intensiv darauf vorbereiten.
RETO KOLLER