«Der Abend im BLS-Zentrum wird in Erinnerung bleiben»
22.09.2023 KulturChristine Lüthi ist Intendantin und Geschäftsführerin des Trägervereins vom Swiss Chamber Music Festival (SCMF). Die Seeländerin gibt Auskunft über ihre diesjährigen Eindrücke und die Herausforderungen der Zukunft.
...Christine Lüthi ist Intendantin und Geschäftsführerin des Trägervereins vom Swiss Chamber Music Festival (SCMF). Die Seeländerin gibt Auskunft über ihre diesjährigen Eindrücke und die Herausforderungen der Zukunft.
«Frutigländer»: Christine Lüthi, letzte Woche endete die 13. Ausgabe des SCMF. Brachte die Unglückszahl auch Glücksmomente?
Es ist stets schwierig, einzelne Konzerte positiv hervorzuheben. Wir haben am letzten Samstagabend einen grossartigen Auftritt des Trios Zeitgeist erlebt. Das Eröffnungskonzert mit Barock hat auf seine Weise mit den ungewöhnlichen Instrumenten beeindruckt. Und das Konzert im BLS-Erhaltungszentrum war ein echtes Erlebnis.
Erzählen Sie uns etwas über den Auftritt in der BLS-Industriehalle.
Als ich am Nachmittag mit den Musiker-Innen des Saxofonquartettes Quatuor Amapola in der noch unvorbereiteten Halle eintraf, spürte ich, wie die jungen Leute leer schluckten. Der Ort war hell, kahl, nackt und völlig charmefrei. Reto Grossen und sein Team von Kander Kultur schafften es aber, mit dem Inventar der Badi Lounge eine warme und freundliche Atmosphäre zu schaffen. Die Beleuchtung tauchte die Halle in ein magisches Licht. Das Quartett betrat den zur Bühne umgerüsteten Eisenbahnwagen, packte die Saxofone aus und lieferte ein grossartiges Konzert ab. Der Abend im BLS-Zentrum wird wohl allen in Erinnerung bleiben.
Die Musikerfamilie hat, wie im Vorjahr, im zurzeit anders genutzten Hotel Huldi logiert. Wie hat sich diese Lösung bewährt?
Die Atmosphäre im «Huldi» war aussergewöhnlich. Die Ensembles sind meist drei Nächte geblieben. Sie probten zu jeder Tages- und Nachtzeit, spielten bis in die Nacht hinein gemeinsam Billard und tauschten sich untereinander aus. Auch die SchülerInnen der Musikschule Musika durften zusammen mit ihrem Idol Thomas Aeschbacher dort «znachten» und die punkteprämierte Küche unseres Gastkochs Stephan Kläy geniessen. Die KünstlerInnen erlebten eine aussergewöhnliche Gastfreundschaft und füllten das Haus mit Leben.
Hat die Zahl 13 auch Unglück gebracht?
Wir hatten an den Konzerten weniger zahlendes Publikum als in den Vorjahren. Gesamthaft erreichten wir etwa gleich viele Menschen wie im Jahr 2022, wenn wir das Publikum an den Gratisanlässen auf dem Dorfplatz mit berücksichtigen. Der Rückgang bei den Konzerten war vergleichbar mit den Zahlen anderer Veranstalter. Die Menschen haben wieder mehr Freizeitmöglichkeiten. Es ist schwieriger, sie zum Besuch von Anlässen dieser Art aus der Stube zu locken.
Welche finanziellen Folgen hat der Publikumsrückgang?
Wir sind als Verein organisiert und werden dank unseres Eigenkapitals das voraussichtliche Defizit stemmen können. Für die künftigen Austragungen müssen wir die Tendenzen in unser Budget einbauen. Es gilt, die Ausgaben für das Rahmenprogramm genau zu prüfen. Die externen Auftrittsorte spielbereit zu machen, ist eine grosse und nicht immer preiswerte Aufgabe. Die Bühne auf dem Dorfplatz kostet Geld. Über diese Aufgabe wird sich der Vorstand beugen müssen. Erfreulicherweise konnten wir das mit grossem Aufwand verbundene Vollmondkonzert dank grosszügigen Sponsorings ausgeglichen halten.
Was sind Ihre Folgerungen für die künftigen Festivals?
Es ist schwierig, wieder dorthin zu kommen, wo wir mal waren. Wir müssen unser Stammpublikum – sprich: die Vereinsmitglieder – erweitern. Sie sind der Kern des zahlenden Publikums. Vielleicht müssen wir über unseren Klassik-Tellerrand hinausblicken und noch mehr Öffnung wagen.
Seit Langem sind Adelboden, Frutigen und Kandersteg die Austragungsorte. Wird das so bleiben?
Adelboden ist das Herz des Festivals. Daran wird sich nichts ändern. In Frutigen haben wir mit Reto Grossen und seinem Kander-Kultur-Team einen Partner gefunden, der seine Leidenschaft für Musik und Events mit uns teilt. Das ist eine grosse Bereicherung für uns. In Kandersteg unterstützen uns zwar die Einwohner- und die Kirchgemeinde. Ansonsten spüren wir aber wenig Resonanz im Ort. Der Vorstand wird nun ernsthaft diskutieren, ob Kandersteg weiterhin als Austragungsort gerechtfertigt ist. Die Besucherzahl ist dort meist enttäuschend.
Das «Wildcard-Konzert» am Mittwochabend, das der modernen Volksmusik gewidmet ist, lockt jeweils viel Publikum an. Könnte das Festival dieser musikalischen Richtung nicht vermehrt Rechnung tragen?
Das ist eine Überlegung wert. Wir haben allerdings gewisse Rahmenbedingungen, denen wir unterworfen sind. Musiker wie der Schwyzerörgeli-Lehrer der Musika, Dominik Flückiger, haben ein grosses Potenzial, das wir im Rahmen des Festivals vermehrt nutzen könnten. Die junge Volksmusikszene ist lebendig und kreativ. Sie passt gut zu unserem Festival. Eine Erweiterung in diese Richtung ist denkbar.
INTERVIEW: RETO KOLLER