«Der Boden ist nicht kaputt»

  17.02.2023 Adelboden

Fünf Winter in Folge wurde an Tschenten Schnee konserviert. Die Snowfarming-Pilotphase war aus Sicht der Verantwortlichen ein Erfolg und habe gezeigt, dass die Natur unter dem Schneedepot nicht dauerhaft zerstört werde. Das Projekt soll deshalb fortgesetzt werden – mit einer permanenten Baubewilligung.

BIANCA HÜSING
Reto Däpp könnte nervös sein. Die Wetterprognosen gäben ihm allen Anlass dazu. Noch immer will sich kein echter Winter einstellen, die Temperaturen klettern selbst in Adelboden in den zweistelligen Plusbereich. Sollte in dieser Saison kein Schnee mehr fallen, hätten Däpp und sein Team auch nichts zu konservieren. Das Projekt Snowfarming wäre – zumindest für dieses Jahr – gefährdet. Doch der RLZ-Trainer gibt sich betont zuversichtlich: «Bis jetzt hat es im Februar und März noch jedes Mal genug geschneit.»

Wissenschaftlich begleitet
Tatsächlich ist es nun fünf Jahre in Folge gelungen, mehr als 24 000 Kubikmeter Schnee an Tschenten zusammenzutragen, abzudecken und bis zu 80 Prozent davon über den Sommer zu retten. Der Aufwand war allerdings beträchtlich. Bis zu 50 Helfer waren an besonders arbeitsintensiven Tagen gefragt, etwa beim Erstellen der Piste im Sommer. Da es sich beim Snowfarming um ein noch junges Phänomen handelt, gibt es auch keine pfannenfertigen Rezepte, die Däpp 1:1 hätte kopieren können. So probierte er stets verschiedene Dämmmaterialien aus, und auch der Standort variierte von Jahr zu Jahr. «Weil unser Pilotprojekt wissenschaftlich begleitet wurde, hatten wir gewisse Auflagen zu erfüllen. Eine davon war, das Schneedepot jedes Jahr um rund 30 Meter zu versetzen.» Dadurch konnten die Forscher der EPFL Lausanne untersuchen, inwieweit die Grasfläche unter dem Schneedepot beeinträchtigt wird – und ob es einen Unterschied macht, wenn ein Teil der Fläche über mehrere Sommer immer wieder bedeckt wird oder nur einmal. Dass die Pflanzenvielfalt unter dem Gewicht des Schnees leidet, liegt auf der Hand. Doch Däpp zufolge wachsen die meisten der über 25 festgestellten Arten nach, wenn auch unterschiedlich schnell. «Das wichtigste Fazit der Untersuchung: Der Boden ist nicht unwiederbringlich kaputt.»

Ein Weiher als Ausgleichsfläche
Bestärkt von dieser Information will das Trainingszentrum Adelboden sein Projekt jetzt dauerhaft fortführen. Im Unterschied zur Pilotphase soll das Schneedepot an einem fixen Standort aufgebaut werden. Weil dies einen Eingriff in die Bestände geschützter Pflanzenarten bedeutet, braucht es eine Ausgleichsfläche. Hierfür soll ein überwucherter Weiher im Stiegelschwand wiederhergestellt werden. Um eine Vernässung der landwirtschaftlichen Flächen in der Nähe des Schneedepots zu verhindern, ist zudem ein fester Entwässerungsgraben geplant. Der gewählte Standort eignet sich nach Däpps Erfahrung am besten dafür. Entsprechend habe man auch den Segen der Alpgenossenschaft.

Ob diesmal auch die Naturschutzverbände ihren Segen geben, wird sich zeigen. Gegen das Baugesuch von vor fünf Jahren hatten sie Einsprachen erhoben, weswegen das Trainingszentrum etliche zusätzliche Gutachten erstellen lassen musste. Doch auch bei diesem Thema bleibt der Snowfarming-Pistenchef relativ entspannt. Um dauerhafte Schäden auszuschliessen, habe man das Projekt schliesslich wissenschaftlich begleiten lassen.

Trainingsmöglichkeiten für den Nachwuchs
Bleibt noch das Wetter und das damit verbundene finanzielle Risiko. Dieser Herbst war so mild, dass die Snowfarming-Piste nicht lange hielt und kaum genutzt werden konnte. Durch die sehr erfolgreichen Vorjahre hatte das Trainingszentrum zwar gewisse Reserven aufgebaut. Viel mehr solcher Ausfälle wird sich der Verein aber wohl nicht leisten können – die Kosten des Snowfarmings liegen im sechsstelligen Bereich und können nur durch den Pistenbetrieb wieder eingebracht werden. Sollten solche Winter zur Regel werden, müsse man das Projekt redimensionieren oder ganz überdenken, räumt Däpp ein. So weit sei es aber noch nicht, und bis dahin lohne sich der Einsatz allemal: «Mit der Snowfarming-Piste bieten wir dem Skinachwuchs optimale und frühzeitige Trainingsmöglichkeiten. Davon profitiert auch die Region.»


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