«Der Mensch ist da, um zu lernen»
27.05.2025 PorträtZum dritten Mal findet m Wochenende der Adelli-Markt in Kandergrund statt. Der «Frutigländer» traf den Initianten und OK-Präsidenten Gill Allenbach zum Gespräch über den Pflanzenmarkt, der innerhalb kurzer Zeit über die Region hinausstrahlte. ...
Zum dritten Mal findet m Wochenende der Adelli-Markt in Kandergrund statt. Der «Frutigländer» traf den Initianten und OK-Präsidenten Gill Allenbach zum Gespräch über den Pflanzenmarkt, der innerhalb kurzer Zeit über die Region hinausstrahlte.
BETTINA GUGGER
Das Telefon klingelt, neue E-Mail-Nachrichten ploppen auf. Für Gill Allenbach mit seiner Adelli canna GmbH ist noch bis Ende Juni Hochsaison. Seit fast fünfzehn Jahren pflanzt er CBD-Hanfpflanzen an, verkauft Setzlinge und verarbeitet die Pflanzen weiter zu Ölen, Tees und weiteren Produkten. 2011 unterschied das Betäubungsmittelgesetz erstmals zwischen Cannabis-Produkten mit hohem und niederem THC-Gehalt und legalisierte den Handel mit letzteren. Neben dem THC, das teilweise rauschartige Zustände hervorrufen kann, gibt es über 100 andere Cannabinoide. Eines davon ist CBD, dessen Wirkung als krampflösend, entzündungshemmend und angstlösend beschrieben wird. Die Adelli canna GmbH ist von Swissmedic zertifiziert und zur Herstellung alternativer Medizin berechtigt. Erst letztes Jahr ist Allenbach mit Adelli canna von der Parallelstrasse in Frutigen nach Kandergrund auf das Gelände der BKW gezogen.
Das Geschäft läuft und Langeweile ist nicht der Grund, warum Allenbach gerade in dieser hektischen Zeit einen Markt organisiert. Überhaupt hätte er sich längst zur Ruhe setzen können – «Aber warum?», fragt er. Er sieht seine Arbeit nicht als Arbeit an, eher als Passion: «Ich habe immer geschätzt, dass ich meine Ideen verwirklichen durfte.»
Mehr als ein Märit
Zehn Jahre lang schwebte Allenbach eine Plattform für lokale Produzenten vor. 2022 gründete er schliesslich mit Gleichgesinnten den gemeinnützigen Verein «Adelli Markt». Da Allenbach selbst mit Pflanzen handelt, lag der Fokus auf Pflanzen und Wildkräutern auf der Hand. 2023 ging der erste Adelli-Markt erfolgreich über die Bühne. Letztes Jahr bot der Markt über 3000 Pflanzen an, 60 Übernachtungen generierte er im Tal. Eine Person arbeitet das ganze Jahr über mit einem 50-Prozent-Pensum für den Anlass.
An der diesjährigen, dritten Ausgabe nehmen bereits 70 AusstellerInnen teil. Neben lokalen und regionalen ProduzentInnen sind dieses Jahr auf dem Gelände der BKW in Kandergrund auch Gäste aus Basel, Neuenburg und dem Wallis anzutreffen. Dank Allenbachs grossem Netzwerk erfreut sich der Adelli-Markt bei MarktfahrerInnen bereits nach nur zwei Ausgaben grosser Beliebtheit. 50 BewerberInnen musste der Verein eine Absage erteilen, weil diese nicht ins Konzept passen. Der Adelli-Markt steht für 80 Prozent Eigenprodukte.
Eine Attraktion ist dieses Jahr der Workshop «Insektenfreundliches Gärtnern» der Alpinen Permakultur Schweibenalp. Zu entdecken gibt es neben Pflanzen und Wildkräutern auch altes Kunsthandwerk wie Strohflechten, Insektenhotels oder Rollbrätzeli. Auch Nachbarn wie die Bio-Forellen-Zucht Blausee sind anwesend.
Allenbach, gelernter Metzger und Koch, blickt auf eine über 20-jährige Markterfahrung zurück. Er baute unter anderem die Messe «Authentica» in Solothurn mit auf und engagierte sich während Jahren an der Bieler Fasnacht. Daher weiss er, was die MarktfahrerInnen wollen: «Wenn der Marktfahrer zufrieden ist, ist auch das Publikum glücklich.» Zu einem erfolgreichen «Märit» («Eigentlich trifft der Begriff nicht das, was wir machen», so Allenbach) gehört auch der Genuss. Neben einer Gastwirtschaft, die der Verein betreibt, sorgt Kevin Wüthrich, Küchenchef des Restaurants Dampfschiff in Thun, für das leibliche Wohl. Er kocht live im Showzelt mit lokalen und saisonalen Marktprodukten, die Gerichte lassen sich, so Allenbachs Bedingung, einfach nachkochen.
Auch die kleinen Gäste kommen am Markt nicht zu kurz. Im Kinderpark können sich die Kinder schminken lassen oder der Märchenerzählerin lauschen. «Keine Elektronik» ist Allenbachs Credo. Die Kinder sollen den Markt mit ihren Händen und Sinnen entdecken.
Für musikalische Unterhaltung sorgt tagsüber die Musikgesellschaft Reutigen, volkstümliches Spektakel bieten etwa die Trychlerbuebe Faltschen und der Treichlerclub Seeland. Martin Schneider eröffnet den Markt mit seinen Alphornklängen. «Folklore passt zu Pflanzen und zum Kleinhandwerk», so Allenbach. «Das darf ruhig auch ein bisschen klischeehaft sein, an traditionelle Werte erinnern und Heimatgefühle heraufbeschwören.» Abends sorgt dann das Bodensee-Quintett für ausgelassene Stimmung. Allenbach schwärmt für Formationen mit fünf, sechs MusikerInnen, die alle drei, vier Instrumente spielen und den Draht zum Publikum haben – wie eben das Bodensee-Quintett.
Hinter der Musikauswahl steckt aber nicht nur Allenbachs Freude an der Musik. «Jeder Musiker bringt wieder zwei, drei Leute mit auf den Markt», lacht er. Dabei geht es ihm nicht um das grosse Geschäft. Der Verein erhebt keine Parkgebühren und verlangt auch keinen Eintritt. Mithilfe von Partnern und dem Verkauf der Marktplaketten, die jedes Jahr von einem anderen Künstler gestaltet werden – dieses Jahr von Patrick Huber aus Brienz –, stemmt der Verein die Kosten von 50 000 Franken. Zudem kümmern sich 50 Freiwillige um das Wohl der BesucherInnen und MarktfahrerInnen.
Wenn es nicht mehr möglich sei, die Kosten auf der Basis von freiwilligen Spenden zu decken, sei mit dem Markt Schluss, so Allenbach. Er setzt in der Gastwirtschaft auf humane Preise.Ihn treibt die Freude am Kontakt mit Menschen an. «Es gibt nichts Interessanteres, als etwas aus einer Idee herauszukitzeln.» An Hochschulen wie der HSG würde man vielleicht auf der intellektuellen Ebene etwas lernen, aber das Gespür für eine Idee müsse man einfach haben.
Und: «Die meisten haben Angst vor dem Scheitern. Dabei ist der Mensch da, um zu lernen.»