Der Niederschlag nimmt nicht ab, aber er verlagert sich
03.04.2024 WirtschaftLANDWIRTSCHAFT Wie viel Wasser wird den Alpen künftig noch zur Verfügung stehen? Wie kommt man mit den knappen Ressourcen am besten zurecht und warum ist gute Wasserqualität auch für die Käseproduktion zentral? Solche Fragen wurden letzte Woche am ...
LANDWIRTSCHAFT Wie viel Wasser wird den Alpen künftig noch zur Verfügung stehen? Wie kommt man mit den knappen Ressourcen am besten zurecht und warum ist gute Wasserqualität auch für die Käseproduktion zentral? Solche Fragen wurden letzte Woche am Alpwirtschaftsforum im Inforama Hondrich erörtert. Dies, nachdem ein prominenter Gast die Parallelen zwischen Bauern und Bundesräten und die Relevanz von Uhu-Nestern bei Energiefragen aufgezeigt hatte.
JULIAN ZAHND
Rockstars erkennt man an zwei Merkmalen: sie füllen Säle und kommen meist zu spät. In diesem Sinne war Albert Rösti letzte Woche ein Rockstar: Über 100 Anwesende erwarteten den Bundesrat im Inforama Hondrich. Rösti sollte das Auftaktreferat zum 3. Forum Alpwirtschaft halten und ins Thema «Wasserqualität und Wassermanagement» einführen. Schliesslich tat er dies auch, allerdings mit einer 15-minütigen Verspätung.
Mit dem Bundesrat in der Kaffeepause
Der Klimawandel sei nicht diskutierbar, so der Umweltminister. «Ein Blick auf die Berge genügt, um den Wandel zu erfassen.» Ob man die Erwärmung stoppen könne, fragte sich Rösti rhetorisch, um gleich darauf die pragmatische Antwort zu geben: «Als kleines Land können wir das nicht. Wir können uns aber der neuen Situation anpassen.»
Den wesentlichen Teil seines Kurzauftritts nutzte Rösti allerdings, um das zu tun, was er am besten kann: Brücken bauen, das Gefälle von der politischen Elite zu den Bauern mindern. «Landwirte haben einen sehr schönen Job, aber auch einen strengen. Das ist im Bundesrat nicht anders.» Im Weiteren riet er den Anwesenden, mit dem Bundesamt für Umwelt (Bafu) in Kontakt zu treten, falls Fragen bestehen. «Ich erlebe das Bafu als lösungsorientiert.» Was aber nicht bedeute, dass auch immer eine für alle passende Lösung gefunden werden könne. «Meistens treffen Partikularinteressen aus unterschliedlichen Richtungen aufeinander und man muss abwägen», so Rösti. Als etwas zugespitztes Beispiel nannte er eine geplante Windturbine im Bünderland, neben der ein Vogel nistet. «Was gewichtet man nun stärker: die Energieversorgung oder den Uhu?» In diesem Fall sei der Entscheid für ihn klar gewesen, das sei aber längst nicht immer so.
Im Bauernstand geniesst der Agronom Albert Rösti die wohl grösstmögliche Glaubwürdigkeit. Seine Ausführungen wurden geräuschlos zur Kenntnis genommen, möglicherweise wäre das bei anderen Vertretern der Landesregierung anders gewesen. Auch in der anschliessenden Fragerunde zeigte sich die Menge zurückhaltend, umso mehr Zeit blieb deshalb für die Kaffeepause, in der sich der Bundesrat unter die Leute begab, um Hände zu schütteln und lockere Gespräche zu führen.
Wetterwissen, technische Kniffs und administrative Abläufe
Nach der Abreise des Bundesrats folgte der eigentliche Infoblock. Insgesamt fünf ReferentInnen lieferten während rund drei Stunden ein dichtes Datenpaket ab:
• Maike Oestreich von der Käseberatung Inforama unterstrich die Wichtigkeit der Wasserqualität auf der Alp. Das Wasser stehe am Anfang einer langen Produktionskette. Schlechtes Wasser führe zu schlechter Milch. «Hustet die Milch, ist der Käse tot», lautet denn auch ein gängiges Sprichwort. Infolge zunehmender Wasserknappheit wachsen auch die Herausforderungen: Weniger Wasser bedeute auch eine höhere Temperatur, was wiederum zu einer grösseren Anzahl an Keimen führe. Umso wichtiger seien tief im Boden verlegte Leitungen. Oestreich motivierte die Anwesenden auch, regelmässige Wasserproben zu nehmen – insbesondere bei schlechtem Wetter. Zudem seien Schläuche von Zeit zu Zeit auszuwechseln, damit die Hygiene hochgehalten werden könne. Je nach Witterung müsse das Wasser halt auch abgekocht werden.
• Marco Rieder von der Rieder Metallbau AG in Frutigen erläuterte technische Möglichkeiten für die Effizienzsteigerung. Gerade für die Kühlung werde viel Wasser verwendet: «Will man beispielsweise 100 Liter Milch von 35 auf 15 Grad absenken, braucht man dafür 1000 Liter 10-grädiges Wasser.» Kreisläufe, in denen das Wasser mehrmals genutzt werden kann, seien daher empfehlenswert. Nicht für jede Verwendung müsse das Wasser Trinkqualität aufweisen. Wenn die Menge trotz Sparmassnahmen nicht ausreiche, brauche es zudem geeignete Speichermöglichkeiten. Denkbar seien auch die Reinigung mit Filteranlagen oder die Gewinnung von Regenwasser. Erst als letzter Schritt müsse ein Export vom Tal oder von noch weiter her in Betracht gezogen werden.
• Doch welche klimabedingten Veränderungen erwarten die Alpwirtschaft? Dazu gab die Masterarbeit von Linda Schüpfer, Studierende an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL, Aufschluss. Die Gesamtmenge an Niederschlag werde sich in Zukunft kaum verändern, jedoch die Verteilung übers Jahr. Die Niederschläge im Winter werden zu-, jene im Sommer abnehmen. Konkret bedeute das: mehr Überschwemmungen im Winter, mehr Abfluss in den Monaten März und April und Trockenheit im Sommer. «Der Wasserhaushalt wird künftig an Bedeutung gewinnen», so Schüpfer.
Stefan Gfeller von der HAFL stellte darauf ein neu entwickeltes Wasserbilanz-Tool vor, das es Alpbetrieben ermöglichen soll, Engpässe während der Saison zu orten und sich für die Zukunft zu wappnen. Zumindest vor Ort hielt sich das Interesse an diesem Tool noch in Grenzen. Man wisse ja, ab wann im Betrieb das Wasser knapp werde. Wichtiger sei die Finanzierung, um die Versorgung zu sichern, lautete ein Votum.
• Viele Wasserbauprojekte werden vom Kanton subventioniert. Roger Stucki von der Fachstelle Tiefbau erläuterte die Kriterien, die erfüllt werden müssen, um an öffentiche Gelder zu kommen, sowie den Weg bis hin zum Gesuch.
• Zum Schluss stellte Walter Hostettler (Ramu Ingenieure AG in Frutigen) ein paar konkrete Wasserbauprojekte vor. Von zentraler Bedeutung sei etwa die Abdeckung einer Quellfassung, die gut abschliessbar und leicht erhöht sein müsse. Ansonsten würden sich Pflanzen, Insekten und Amphibien in den Schächten ansiedeln und die Quelle verunreinigen. Hostettler unterfütterte seine Ausführungen mit zahlreichen Beispielbildern.
Saatgut für die Zukunft
«Inforama – wo Zukunft wächst», lautet ein Leitspruch des Bildungs-, Beratungsund Tagungszentrums. An diesem Vormittag gaben die Experten den anwesenden Landwirten eine stattliche Anzahl an Saatgut in die Hand, um die Zukunft zu pflanzen. Wie erfolgreich sie darin sein werden, wird sich unter anderem daran bemessen, wie offen man modernen Technologien und den damit verbundenen Möglichkeiten begegnet. Ein Selbstläufer ist diese Offenheit nicht, wie sich am Ende der Veranstaltung zeigte: Der mehrmalige Aufruf der Veranstalter, den Anlass via QR-Code zu bewerten, verlief weitestgehend im Sande.