Der Quellenschutz gilt (fast) absolut
01.04.2025 Justiz2022 geriet der Frutiger Peter Lauener per Zufall ins Visier der Bundesanwaltschaft. Der Vorwurf: Als Kommunikationschef und Vertrauter von Bundesrat Alain Berset habe er vertrauliche Corona-Informationen weitergegeben. Lauener musste seinen Job aufgeben, gemäss Medienberichten soll ...
2022 geriet der Frutiger Peter Lauener per Zufall ins Visier der Bundesanwaltschaft. Der Vorwurf: Als Kommunikationschef und Vertrauter von Bundesrat Alain Berset habe er vertrauliche Corona-Informationen weitergegeben. Lauener musste seinen Job aufgeben, gemäss Medienberichten soll er kurzzeitig sogar inhaftiert gewesen sein. Mitte März wurde die Strafuntersuchung gegen ihn gestoppt.
MARK POLLMEIER
Am Anfang stand eine Spionageaffäre. Die Zuger Firma Crypto produzierte jahrzehntelang manipulierte Chiffriermaschinen. Der US-amerikanische Geheimdienst CIA und der deutsche Bundesnachrichtendienst gelangten dank dieses Tricks an zahlreiche geheime Informationen – illegal. Im Februar 2020 flogen die Machenschaften auf.
Die Geschäftsprüfungskommissionen des National- und Ständerats stellten daraufhin Strafanzeige gegen unbekannt wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses. Die Bundesanwaltschaft setzte den ausserordentlichen Staatsanwalt Peter Marti ein.
Im Frühjahr 2022 meldete Marti, er sei im Rahmen seiner Ermittlungen auf brisante Zufallsfunde gestossen. Konkret ging es um verschiedene E-Mails, die Peter Lauener, damals Leiter Kommunikation im Innendepartement, verschickt hatte. Sonderermittler Marti äusserte den dringenden Tatverdacht, in diesen Mails habe Lauener im Zusammenhang mit den Covid-Geschäften des Bundesrates mehrfach vertrauliche Informationen an Marc Walder, den CEO der Ringier AG («Blick»), weitergegeben. Die Ringier AG habe Informationen dadurch oft früher erhalten als der Gesamtbundesrat und die Öffentlichkeit.
Durchsuchungen bei Lauener und Walder
Dieser Teil der Ermittlungen hatte mit dem ursprünglichen Ziel, die Crypto-Affäre aufzuklären, nichts zu tun. Trotzdem wurde das Verfahren nun ausgeweitet. An Peter Laueners Wohnort und an seinem Arbeitsplatz wurden Durchsuchungen durchgeführt und mehrere Laptops, Datenträger und die Daten von einem Mobiltelefon sichergestellt.
Dasselbe geschah mit Laptops und einem Mobiltelefon des Ringier-CEOs Marc Walder. Später musste die Ringier AG weitere verlangte Daten an die Untersuchungsbehörden herausgeben.
In der Folge entspann sich ein juristisches Seilziehen, ob die Bundesanwaltschaft die gesammelten Daten überhaupt auswerten dürfe. Auf Antrag der Betroffenen, Lauener und Walder, wurden die Geräte beziehungsweise die gesicherten Daten versiegelt. Die Bundesanwaltschaft verlangte ihrerseits den Zugriff, um die Ermittlungen fortsetzen zu können.
Im Mai 2024 entschied das Zwangsmassnahmengericht des Kantons Bern: Geräte und Daten bleiben unter Verschluss.
Zwar bestehe gegen Lauener ein hinreichender Verdacht. Der journalistische Quellenschutz verbiete jedoch, den E-Mail-Verkehr zwischen Lauener und Walder zu entsiegeln. Quellenschutz bedeutet: Sobald also ein Journalist im Spiel ist, darf die Justiz die Kommunikation mit einem Informanten nicht auswerten. Sowohl Sender als auch Empfänger von Informationen sind davor geschützt.
Wer ist hier der Journalist?
Die Bundesanwaltschaft zog den Entscheid ans Bundesgericht weiter. Dort scheiterte sie, die Beschwerde wurde Ende Januar 2025 abgewiesen (Urteil 7B_733/2024). Gemäss dem bundesrichterlichen Entscheid bleiben die E-Mails zwischen Peter Lauener und dem Ringier-CEO Marc Walder unter Verschluss, so wie es zuvor schon das Berner Zwangsmassnahmengericht entschieden hatte. Die Begründung: Der journalistische Quellenschutz stehe einer Entsiegelung entgegen.
Als Journalist gilt in diesem Fall Marc Walder. Das Bundesgericht stellte fest, «dass der CEO der Ringier AG und die für das Unternehmen tätigen Medienschaffenden vom Geltungsbereich des Quellenschutzes erfasst sind». Die Bundesanwaltschaft hatte in ihrer Beschwerde dagegen argumentiert, Walder könne sich nicht auf den Quellenschutz berufen, weil es im vorliegenden Fall gar nicht um die Aufdeckung irgendwelcher Missstände gegangen sei.
Vielmehr stehe eine «Instrumentalisierung der Medien» und die «Beeinflussung der obersten Exekutivbehörde der Eidgenossenschaft» im Raum. Sich dabei auf den Quellenschutz zu berufen, sei missbräuchlich.
Amtsgeheimnisverletzung ist keine Ausnahme
Das Bundesgericht wertete aber das Vertrauensverhältnis zwischen Informanten (in diesem Fall Lauener) und Medienschaffendem (Walder) höher als das «Bedürfnis nach Sachverhaltsaufklärung» – so habe es der Gesetzgeber vorgesehen. Zwar gebe es Ausnahmen, in denen der Quellenschutz aufgehoben werden könne. Eine Amtsgeheimnisverletzung gehöre nach Artikel 172 der Strafprozessordnung aber nicht zu diesen Ausnahmen.
Im Fall der sogenannten Corona-Leaks gelte der Quellenschutz demnach uneingeschränkt. Und das bedeutet: «Gegenstände und Unterlagen aus dem Verkehr mit Personen, die sich auf den Quellenschutz berufen können, dürfen nicht beschlagnahmt werden.» Mit anderen Worten:
Schon die Sicherstellung der Laptops oder Mobiltelefone von Peter Lauener und Marc Walder waren vom Recht nicht gedeckt.
Ohne die Auswertung der beschlagnahmten Daten waren der Bundesanwaltschaft die Hände gebunden, weitere Ermittlungen unmöglich geworden. Mitte März wurde die Strafuntersuchung gegen Peter Lauener gestoppt, was de facto einer Einstellung gleichkommt.
Verfahren ins Leere gelaufen
Pikant ist an dem Fall, dass der ausserordentliche Staatsanwalt Peter Marti den E-Mail-Verkehr Laueners zunächst schon gesichtet hatte – und erst dadurch überhaupt auf die Beteiligung Marc Walders und der Ringier AG gestossen war. In der Folge waren Teile aus dieser Korrespondenz in den Medien gelandet und öffentlich zitiert worden.