Desinfektionsmittel zur Versorgung kleiner Wunden
27.06.2025 GesundheitKleine Unfälle sind rasch passiert. Ein Kratzer beim Handwerken, ein Schnitt beim Rüsten, eine Verbrennung beim Grillieren oder eine Schürfung nach dem Sturz mit dem Velo. Meist sind sie harmlos und rasches Auswaschen und Desinfizieren vermeidet unangenehme ...
Kleine Unfälle sind rasch passiert. Ein Kratzer beim Handwerken, ein Schnitt beim Rüsten, eine Verbrennung beim Grillieren oder eine Schürfung nach dem Sturz mit dem Velo. Meist sind sie harmlos und rasches Auswaschen und Desinfizieren vermeidet unangenehme Folgen.
Die Haut ist die wichtigste Aussenstelle des Abwehrsystems. Als Schutzbarriere verhindert sie das Eindringen von Erregern. Bei Erwachsenen bedecken durchschnittlich 1,6 bis 1,9 Quadratmeter Haut die Körperober!äche (Neugeborene 0,25 m2, 5-Jährige 0,5 m2, 12-Jährige 1,33 m2)
Jede noch so kleine Verletzung unterbricht diesen Schutz, eröffnet Erregern ein Einfallstor und kann zu Infekten führen. Unmittelbar nach einer Verletzung startet die erste Phase der Wundheilung, die Reinigungsphase. Blut und Wundsekret spülen Schmutz und Erreger aus der Wunde heraus, damit sie nicht in tiefere Hautschichten gelangen.
Verletzungen: vielfältige Ursachen und Namen
Bei Beschädigung der Haut oder Schleimhaut bildet sich eine Wunde, die je nach Entstehung dann Schürf-, Schnitt-, Kratz-, Stich-, Verbrennung-, Riss-, Quetsch-, Platz-, Biss- oder Brandwunde heisst. Ebenso vielfältig wie die Namen sind die Ursachen: ein Sturz mit dem Velo oder dem Trottinett, beim Gemüserüsten abgerutscht und den Finger erwischt, beim Handwerken einen Holzsplitter eingemacht oder zu nah am Feuer grilliert. Betrifft eine Verletzung lediglich die oberste Hautschicht (Epidermis), ist dies in der Regel eine harmlose Wunde. Sobald jedoch tiefer liegendes Gewebe betroffen ist oder die Wunde keinen glatten Wundrand hat (Riss- und Quetschwunden), ist eine gute Wundversorgung wichtig.
Bei Bisswunden (Mensch oder Tier!) und bei Verbrennungen ab Grad 2b (Blasenbildung mit weisslichem Wundgrund und reduziertem Schmerzempfinden) sowie offenen Brandwunden (ab Grad 3) ist ein Arztbesuch notwendig.
Gut versorgte Wunden heilen schneller
Harmlose, kleine Wunden können problemlos gleich selbst behandelt werden. Ober!ächliche Wunden heilen in der Regel innert wenigen Tagen wieder ab, verletztes Gewebe wird durch neues ersetzt und kleine Kratzer oder ein Schnitt sind nicht mehr sichtbar. Eine saubere und desinfizierte Wunde schafft die Voraussetzung für eine rasche und gute Heilung. Vor der Wundversorgung ist es wichtig, sich die Hände zu waschen und wenn möglich zu desinfizieren oder sterile Latex-Handschuhe aus der Erste-Hilfe-Apotheke anzuziehen.
Kleine und nur leicht blutende Wunden dürfen ruhig ein paar Minuten bluten, so reinigt sich die Wunde selbst. Anschliessend mit sauberem Wasser, einem imprägnierten Wundtuch oder einer Wundspüllösung gut reinigen und grobe Teile mit einer Pinzette entfernen.
Desinfektionsmittel: Schutzschild gegen Erreger!
Eine gesunde und intakte Haut schützt den Körper vor Krankheitserregern. Etwa zehn Milliarden Keime tummeln sich auf ihrer Ober!äche. Wird diese Barriere verletzt, können Keime ins Gewebe eindringen und Infektionen verursachen. Ohne die schnelle Desinfektion drohen Wundheilungsstörungen, Narben und bei tiefen Verletzungen sogar Starrkrampf (Tetanus). Eine saubere und richtig desinfizierte Wunde ist der Schlüssel zur schnellen Heilung. Auf verletzter Haut und Schleimhäuten kommen Antiseptika zum Einsatz. Sie unterscheiden sich von Desinfektionsmitteln für Flächen und Instrumente, die auf Wunden oft unverträglich sind und brennen können (Alkohol!). Antiseptika wirken physikalisch auf die mikrobielle Ober!äche und machen Resistenzen praktisch unmöglich.
Für kleine Verletzungen sind !üssige Antiseptika als Spray ideal. Sie passen in jede Notfallapotheke, Sporttasche oder Handtasche. Bei Schürfwunden oder Verbrennungen kann auch ein desinfizierendes Gel verwendet werden.
Gleiches Ziel, leicht verschiedene Eigenschaften
Die am häufigsten verwendeten Produkte enthalten Chlorhexidin, Polyvidon-Jod oder Octenidin. Sie unterscheiden sich in ihrem Wirkspektrum, der Wirkdauer sowie möglichen Nebenwirkungen. Alle haben eine gute Wirkung gegen gängige Bakterien, Viren und Pilze. Octenidin besitzt ein etwas breiteres Spektrum als Chlorhexidin, Jod wirkt auch gegen Sporen und hat zusätzlich eine leicht entzündungshemmende Eigenschaft. Octenidin wirkt am längsten, weil der Wirkstoff nach Abtrocknung der Lösung auf der Haut verbleibt und bis 48 Stunden aktiv bleibt. Ein wichtiger Faktor ist, die Wunde nach dem Auftragen für einige Minuten nicht abzudecken oder abzuwischen, damit das Antiseptikum genügend Zeit zur Wirkung hat. Octenidin gilt als modernes, sehr gut verträgliches und lange wirksames Antiseptikum.
Bei Jod sind Nebenwirkungen durch Aufnahme in den Körper möglich (Vorsicht bei Schilddrüsenerkrankungen), Chlorhexidin kann selten allergische Reaktionen auslösen. Für den Gebrauch als Antiseptika in der Ersten Hilfe sind alle geeignet. Weniger gebräuchlich sind silberhaltige oder chlorbasierte Wirkstoffe. Als nicht mehr zeitgemäss gelten Wasserstoffperoxyd, quecksilberhaltige (Merbromin, Mercurochrom) Produkte sowie Farbstoffe (Eosin).
BEAT INNIGER, OFFIZIN-APOTHEKER FPH, ADELBODEN
Vita-Merfen® – eine Schweizer Ku ltmarke
Über Wundversorgung zu schreiben, ohne Vita-Merfen® zu erwähnen, wäre praktisch ein Vergehen. Die Salbe in der hellgrünen Tube reiht sich in einer Linie ein mit Schweizer Kultmarken wie Ovomaltine, Ricola, Elmex, Aromat oder Sugus, deren Namen untrennbar mit ihrem Zweck verbunden sind.
Die Bezeichnung leitet sich von der ursprünglichen Zusammensetzung mit einem quecksilber- (lat. mercurius) basierten Desinfektionsmittel und Lebertranoel (Vitamin A haltig) ab. Ab 1959 wird die Formulierung zusätzlich mit Vitamin E ergänzt.
Über Generationen wurden Kinder mit der desinfizierenden Wundsalbe gross – bis sie 2014 plötzlich vom Markt verschwand. Der Pharma-Riese Novartis machte damals Qualitätsprobleme geltend, für die sie keine Lösung zur Einhaltung ihrer hohen Standards finden konnte. Die erste Merfen-Salbe wurde 1944 zugelassen und 1958 in Vita-Merfen umgetauft. 1991 ersetzte Chlorhexidin den quecksilberhaltigen Wirkstoff und ihr Name erhielt den Zusatz «neue Formel». Von 1997 bis 2014 war Novartis Inhaberin der Zulassung, 2017 verkaufte sie die Markenrechte und das Pharmaunternehmen Verfora liess Vita-Merfen® im Jahr 2020 mit einer angepassten Salbengrundlage zur grossen Freude vieler Anwender wieder au!eben.
Unterschied zwischen Desinfektionsmittel und Antibiotika
Kurz und knapp beschrieben, sind es drei wesentliche Faktoren, wo sich Desinfektionsmittel und Antibiotika unterscheiden:
1. Einsatz
Desinfektionsmittel setzt man vorbeugend ein, damit keine Infektion entsteht; Antibiotika werden bei einer manifesten Infektion verabreicht.
2. Ort
Desinfektionsmittel wirken auf Ober- !ächen, Materialien sowie auf der Haut und Schleimhäuten, während Antibiotika bei lokalen Infekten im Gewebe (Haut, Augen, Ohren) oder innerlich angewendet werden.
3. Wirkung
Desinfektionsmittel wirken breit und unspezifisch, sie stoppen oder verlangsamen das Wachstum von Erregern.
Antibiotika zielen auf spezifische Erreger, sie beein!ussen selektiv ihre Stoffwechselvorgänge und hemmen ihr Wachstum oder töten sie ab.
BEAT INNIGER