«Deutsch? English? Français?»
02.09.2025 KanderstegSie sind am Oeschinensee unterwegs, beantworten Fragen, bieten Hilfe an und haben ein wachsames Auge auf die Natur und die vielen Gäste aus aller Welt. Ein Rundgang mit dem Ranger Thomas Graf.
HANS RUDOLF SCHNEIDER
Gleich auf der Bergfahrt spricht Thomas ...
Sie sind am Oeschinensee unterwegs, beantworten Fragen, bieten Hilfe an und haben ein wachsames Auge auf die Natur und die vielen Gäste aus aller Welt. Ein Rundgang mit dem Ranger Thomas Graf.
HANS RUDOLF SCHNEIDER
Gleich auf der Bergfahrt spricht Thomas Graf die Gäste in der Gondel an – «Deutsch? English? Français?» – und fragt nach deren Befinden und will wissen, ob sie das erste Mal an den Oeschinensee gehen und wie lange sie in der Schweiz weilen. Kaum aus der Bergstation getreten – die Hündin Ella streckt sich und freut sich auf den Spaziergang
– sieht der Ranger ein junges asiatisches Paar, das sich ein wenig verloren umschaut, und bietet seine Hilfe an. So geht es die nächsten Stunden für Graf weiter: Der Ranger in seinen grünen Kleidern, dem Schlapphut und der weithin sichtbaren Leuchtweste macht sich mit Ella auf einen seiner Rundgänge.
Im Schichtbetrieb ist Thomas Graf mit seinen Kollegen Christophe Schelker und Daniel Haltner im Dienst. Sie sind zwischen 60 und 80 Stellenprozent bei der Gondelbahn Kandersteg-Oeschinensee angestellt. Ihre Löhne werden von der hiesigen Alpschaft mitfinanziert. Seit fünf Jahren haben die Rangers am weltbekannten Touristen-Hotspot ein Auge auf die Geschehnisse. Zu ihren Aufgaben gehört primär, die Gäste über den Ort und seine Gepflogenheiten zu informieren. Sie reinigen aber auch WC-Anlagen oder leeren Abfallkübel.
Korrektes Verhalten würdigen
Thomas Graf repariert hier eine gelöste Absperrung, rüttelt dort an einer Sitzbank und prüft, ob sie wackelt, und hat immer eine Zange und einen Müllbeutel dabei. Dieser füllte sich recht schnell. Seine Hündin geniesst den Rundgang, obwohl sie an der Leine ist. «Heute läuft es gut», sagt Graf. «Kein einziger freilaufender Hund. Man muss ganz bewusst hinschauen und auch würdigen, wenn sich die Gäste an die Regeln halten.» Dasselbe gilt für Biker, denn es herrscht ein Fahrverbot. Er geht auf ein Paar mit Mountainbikes zu – «Deutsch? English? Francais?» – und lobt sie für ihre Korrektheit. «Wie man in den Wald ruft, so kommt es zurück.» Die beiden sind zwar enttäuscht, dass sie nach der Tour aus dem Kiental an den Oeschinensee jetzt nicht die Strasse nach Kandersteg nutzen dürfen, die ist aus Sicherheitsgründen gesperrt, bedanken sich aber freundlich für die Auskunft.
Informieren und korrigieren
Am Oeschinensee stehen etliche Informationstafeln. Dazu gehören auch Verbotsschilder, wie ein Drohnen- oder Campierverbot. Auch wenn Thomas Graf selber kein Freund von Verboten ist, weiss er, dass es ohne hier nicht geht. «Im Internet gibt es etliche fehlerhafte Informationen, zum Beispiel, dass Campieren über der Waldgrenze erlaubt sei», sagt Graf. Das hätten die beiden Wildcamper am Vortag gemerkt, als Graf sie aufforderte, Zelt und Brätlistelle umgehend zu räumen. «Deshalb scannen wir systematisch Webseiten auf fehlerhafte Informationen und versuchen, die Betreiber zu Korrekturen zu bewegen», erklärt Thomas Graf, bevor er freundlich die nächste Gruppe grüsst, die an den Kleidern ersichtlich aus dem Nahen Osten stammt.
«Wenn man gern in der Natur ist und den Umgang mit Menschen verschiedener Herkunft und aus unterschiedlichen Kulturen mag, ist das ein Traumjob», sagt Graf und bückt sich, um ein Papiertaschentsuch einzusammeln. Prompt fragt ein Asiate, ob er Ella streicheln dürfe. Kein Problem und innert Sekunden sind Graf und der Gast auf Englisch in ein Gespräch über Hunde vertieft; der Besucher zückt schliesslich sein Mobiltelefon und zeigt dem Ranger Bilder seines eigenen Vierbeiners.
Umgang mit den Massen
Alle paar Meter stehen die BesucherInnen, fotografieren die Kühe, die Berge oder sich selber. Die sozialen Medien haben den Oeschinensee zum Tourismus-Hotspot gemacht, der das Dorf und die Infrastrukturen ans Limit bringt. Deshalb hat die Bahn ein neues Ticketsystem eingeführt, um die Besucherströme besser zu lenken (siehe «Frutigländer»-Ausgabe vom 12. August): Den Gästen wird empfohlen, das Ticket für die Bergfahrt mit zugewiesenen Zeitfenstern zu reservieren. Das verhindert etwa die langen Warteschlangen an der Gondelbahn, beobachtet nicht nur der Ranger.
Auch beim Abstecher in die «Sennhütte» wird klar, dass seine Arbeit und die Bemühungen der Bahn vom Wirt sehr geschätzt werden. Dieser ist auch Landwirt und spricht die oftmals fehlende Vorsicht der fremden Gäste vor den Kühen an. Streicheln sei definitiv nicht ideal, man müsse sich bewusst sein, dass es so unweigerlich auch zu Unfällen komme. Er bespricht mit dem Ranger kurz, dass er im nächsten Jahr die Zäune weiträumiger aufstellen will.
Soziale Medien selber nutzen
Seit einem Jahr sind die Ranger auch in den sozialen Medien präsent. Grafs Kollege Daniel Haltner erkärt als «Dani the Ranger» auf Instagram, Facebook und Tik Tok, die Do and Don'ts. Die entsprechenden Tafeln mit dem Verhaltenscodex sind auf der ganzen Alp verteilt. Doch ob diese auch beachtet werden, sei eine andere Geschichte, so Thomas Graf. Als Beispiel nennt er einen Drohnenpilot, der neben einer Verbotstafel steht und dennoch sein Fluggerät steigen lässt. In einer solchen Situation würde Thomas Graf den Gast sachlich und freundlich auf sein Fehlverhalten hinweisen. «Manchmal erhalte ich auch harsche oder freche Antworten», sagt Graf.
Natur und Menschen schützen
In solchen Augenblicken kommt Thomas Graf seine Erfahrung von 35 Jahren Dienst bei der Kantonspolizei Bern zugute. Die Leute beobachten, vorausschauend handeln und Eskalationen vermeiden, heisst das Motto. Sein beruflicher Hintergrund hilft ihm auch, wenn wirklich etwas passiert. «Das Erste-Hilfe-Set ist immer dabei, manchmal braucht es nur ein Pflaster. Doch wir Ranger sind oft als Erste vor Ort, wenn ernsthafte Unfälle passieren.» Thomas Ranger erinnert an die Steinlawine vom Mai 2024, als auf dem Rundweg Heuberg oberhalb des Oeschinensees ein Berggänger tödlich verunfallte und vier Wanderer verletzt wurden.
Umso konsequenter sind die Ranger aufgefordert, die ausgewiesenen Gefahrenzonen zu kontrollieren und Fehlbare herauszuholen. «Wir schützen einerseits die Natur und oft auch die Menschen vor sich selbst», sagt er trocken. Dazu gehört, dass via App die grossen Infotafeln gesteuert und dort Wege als gesperrt angezeigt werden können. Gerade die kleinen, aber regelmässigen und meist gut hörbaren Abbrüche vom Spitzen Stein sind ein Dauerthema, auch bei interessierten Gästen, wie das Gespräch unterwegs mit einem Paar aus Holland zeigt.
«Wo ist denn hier der See?»
Unterwegs sind die Oeschinensee-Ranger übrigens auch im Winter – quasi als Ergänzung der Patrouilleure, die sich vor allem um die Schneesportler kümmern. «Es kam vor, dass ausländische Gäste auf dem zugefrorenen und schneebedeckten See standen und mich fragten, wo der See sei. Sie erwarteten offenbar, wie im Sommer einen blauen See vorzufinden», erzählt Graf schmunzelnd. Man merkt ihm nicht nur bei solchen Anekdoten an, dass ihm seine Tätigkeit Spass macht.
Auch auf dem Rückweg zur Bergstation sammelt der Ranger Zigarettenkippen und Plastikschnipsel ein. Sein Blick wandert umher, er grüsst die am späteren Nachmittag noch zum See wandernden Gäste. «Wir machen die Besucher auf die letzten Talfahrten aufmerksam oder empfehlen ihnen, langsam den Rückweg ins Tal unter die Füsse zu nehmen. Sie sollen nicht die letzte Talfahrt verpassen, denn sonst bleibt nur noch der Fussmarsch übrig.» Solche Hinweise seien rein präventiv – genauso wie Thomas Graf und seine Kollegen ihre ganze Tätigkeit im Unesco-Welterbe grundsätzlich verstehen.
Wie werde ich Ranger?
Der Einsatz von Rangern hat sich an Touristen-Hotspots bewährt. Meist sind die Rangerinnen und Ranger Quereinsteiger. In Lyss kann man einen berufsbegleitenden, einjährigen Ausbildungslehrgang machen. Tätig sind Ranger wie in Kandersteg für private Organisationen und Firmen oder öffentliche Stellen. Für den Job braucht es grundsätzlich ein breites Wissen über die Natur. Gefragt sind zudem gute Fähigkeiten in der Kommunikation und eine gewisse Durchsetzungskraft. Da es immer mehr Menschen in den Wald, an die Seen oder in die Berge zieht, nimmt der Stress aller zu.
HSF
Weitere Infos: www.swiss-rangers.ch