KANTON Ein hoher CO2-Gehalt macht müde und ein zu geringer Luftaustausch fördert die Verbreitung von Krankheiten. Zwei aktuelle Motionen fordern deshalb vom Regierungsrat, das Raumklima in den Schulen zu verbessern.
BIANCA HÜSING
Der Mensch ist keine ...
KANTON Ein hoher CO2-Gehalt macht müde und ein zu geringer Luftaustausch fördert die Verbreitung von Krankheiten. Zwei aktuelle Motionen fordern deshalb vom Regierungsrat, das Raumklima in den Schulen zu verbessern.
BIANCA HÜSING
Der Mensch ist keine Pflanze. Statt Sauerstoff zu produzieren, stösst er mit jedem Atemzug CO2 aus. Je mehr Menschen sich in einem Raum befinden, desto mehr Kohlenstoffdioxid ist also unterwegs – zum Beispiel in Schulräumen. Vor gut einem Jahr haben das Gesundheitsamt Graubünden und die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) über einen längeren Zeitraum die Luftqualität in 150 Bündner Klassenzimmern gemessen. Das Ergebnis: In 60 Prozent der getesteten Räume war der CO2-Anteil doppelt so hoch wie der empfohlene Höchstwert. Überraschend ist dieses Ergebnis grundsätzlich nicht – schon 2009 hatte der Berufsverband Bildung Bern eine Art Selbstversuch unternommen. Einige Schulen im Mittel- und im Oberland liehen sich CO2-Messgeräte aus und stellten fest, dass die Luft in ihren Klassenräumen schon nach 10 bis 20 Minuten «verbraucht» war.
Messgeräte und technische Belüftung
Dass zu viel CO2 die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen kann, ist hinlänglich bekannt. Neu an der Bündner Untersuchung vom Herbst 2021 ist jedoch der Zusammenhang zwischen CO2-Konzentration und Covid-19. Parallel zur Messung wurden wöchentliche Corona-Massentests durchgeführt, mit dem Ergebnis, dass sich in den schlecht belüfteten Räumen «signifikant mehr Personen» mit dem Virus infizierten. Das hat zwar weniger mit dem CO2 selbst als mit den in der Luft zirkulierenden Viren zu tun. Doch die CO2-Messung scheint zumindest ein guter Indikator dafür zu sein, ab wann das Risiko für die Übertragung von Atemwegserkrankungen steigt. Schon frühere Studien mit den Schwerpunkten Grippe und Tuberkulose zeigten, dass regelmässiges und richtiges Lüften dieses Risiko deutlich senkt.
Der Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz forderte deshalb bereits lange vor der Corona-Pandemie eine flächendeckende Ausstattung mit solchen Messgeräten. Der Kanton Bern ist dieser Forderung letztes Jahr auf Anregung einer Motion nachgekommen. Doch aus Sicht einiger Grossräte ist das grundsätzliche Problem damit nicht behoben. Gleich zwei Vorstösse, an denen Gabi Schöneberger (SP) und Manuel Widmer (Grüne) massgeblich beteiligt sind, erwarten vom Regierungsrat mehr Effort, die Luftqualität an den Schulen zu verbessern – zum Beispiel durch die Installation technischer Belüftungs- und Filter geräte. Diese liefern gemäss den Motionären gerade im Winter und bei Windstille bessere Ergebnisse als das blosse Fensteröffnen. Beide Motionen verlangen eine Art Massnahmenplan und eine stärkere Zusammenarbeit mit den Gemeinden, damit auch die Volksschulen von den Verbesserungen profitieren.
Regierungsrat besteht auf getrennten Zuständigkeiten
Der Regierungsrat betont indes, dass er «an der bewährten Aufgabenteilung zwischen den Gemeinden und dem Kanton» festhalten möchte. Was seinen eigenen Zuständigkeitsbereich betreffe, mache der Kanton Fortschritte. So baue man bereits heute bei Sanierungen oder Neubauten Belüftungssysteme ein. Eine flächendeckende Anschaffung solcher Anlagen lehnt der Regierungsrat ab, «weil einzelne Schulen bereits über ein mechanisches Lüftungssystem verfügen». Er kommt den Motionären aber insofern entgegen, als er sich zu einem Austausch mit dem Verband Bernischer Gemeinden bereit erklärt. Gemeinsam könne man die Situation an den Schulen analysieren und Optimierungsmassnahmen sowie deren Finanzierung prüfen.
Die meisten Punkte der beiden Motionen empfiehlt die Regierung deshalb zur Annahme als Postulat. Nur die Forderung, Kanton und Gemeinden mögen sich die Verantwortung für gesundheitliche Einrichtungen in Schulen künftig teilen, lehnt sie ab.