Für die angestrebte Energiewende ist die Photovoltaik ein wichtiger Baustein. Die Firma Brügger HTB beweist nun, dass sich Solarzellen nicht nur auf Dächern und an Wänden einsetzen lassen. Mit einer innovativen Technik geht das Unternehmen in der Stromgewinnung ...
Für die angestrebte Energiewende ist die Photovoltaik ein wichtiger Baustein. Die Firma Brügger HTB beweist nun, dass sich Solarzellen nicht nur auf Dächern und an Wänden einsetzen lassen. Mit einer innovativen Technik geht das Unternehmen in der Stromgewinnung völlig neue Wege.
MARK POLLMEIER
Wer an Photovoltaik denkt, hat meist die klassischen, rechteckigen Panels vor Augen, wie sie beispielsweise auf Hausdächern angebracht werden. Diese herkömmliche Form hat einen Grund: Solarzellen sind sehr fragil und müssen daher in Glas und Aluminium «verpackt» werden.
In der Materialforschung sucht man deshalb seit Längerem nach Möglichkeiten, die Solartechnik flexibler zu machen. 2014 gelang es dem renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) erstmals, ultraflexible Solarzellen zu entwickeln, die so dünn und leicht waren, dass man sie theoretisch auf einer Seifenblase hätte anbringen können. Das Problem: Der Herstellungsprozess war so aufwendig und kostspielig, dass eine Serienproduktion keinen Sinn ergeben hätte.
Stromerzeugender Stoff
Sechs Jahre später gelang den MIT-Forschenden dann der Durchbruch. Ende 2022 gelang es ihnen, Solarzellen grossflächig auf Stoff zu drucken. Hinter dem Verfahren steckt Nanotechnologie: Halbleitende Tinte wird grossflächig auf Stoff gedruckt. Als Unterlage dient dabei das Material Dyneema. Das synthetische Material fand bisher zum Beispiel in schusssicheren Westen, im Segelsport oder bei Arbeitskleidung Verwendung. Es ist sehr reissfest, schnittresistent und trotzdem sehr leicht.
Dank seiner dünnen Struktur und der grossen Flexibilität kann der mit Solarzellen bedruckte Stoff zum Erzeugen von Strom eingesetzt werden. Hier kommt nun die Firma Brügger HTB ins Spiel. «Ich bin vor zwei Jahren eher zufällig über diese neue Technologie gestolpert», sagt Mitinhaber Beat Brügger. «Eigentlich hatte ich im Internet nach normalen Solarpanels für unser Frutigresort gesucht. Aber dann bin ich auf diesen Solarstoff gestossen und war sofort fasziniert.» In seinem Büro in der ehemaligen Zündhölzlifabrik in Kanderbrück zeigt Brügger ein Video des Massachusetts Institute of Technology. Zu sehen ist, wie der solarbedruckte Stoff aus einem grossen roten Drucker kommt.
2022/23 sei das beschichtete Material natürlich noch sehr teuer gewesen, berichtet Brügger. Mittlerweile ist die Technik aber so weit fortgeschritten, dass der Stoff in kleineren Mengen erschwinglich ist. «Man kann sogar Farbwünsche anbringen», sagt Brügger. Produziert wird der Stoff dann von einem kleinen Startup-Unternehmen («ONE Lab»), das ans MIT angeschlossen ist.
In den USA bestellt
In ihrem Unternehmen setzen Brüggers seit Langem auf Solarenergie. Auf dem Dach des Frutigresorts produziert inzwischen eine Photovoltaikanlage mit einer Fläche von 670 m2 nachhaltigen Strom. Nun will die Firma Brügger diese Form der Energiegewinnung weiter ausbauen – mit einer innovativen Idee. «Anfang des Jahres habe ich in den USA ein grosses Stück des Solarstoffs bestellt», erzählt Beat Brügger, «in Rot mit einem weissen Kreuz in der Mitte». Die spezielle Farbgebung hat natürlich einen Grund. «Auf unserem Kletterturm beim Frutigresort hängt seit rund fünf Jahren eine der grössten Schweizerfahnen der Schweiz», so Brügger. «Die Fahne hätte sowieso irgendwann ausgetauscht werden müssen. Jetzt ersetzen wir sie eben durch eine, die auch noch Energie erzeugen kann.»
Die Schweizerfahne geht heute ans Netz
Wie viel Strom die neue Solarfahne liefert, kann Beat Brügger noch nicht abschätzen. Aber er ist guter Hoffnung: «Die aufgedruckten Halbleiterzellen sollen laut Hersteller bis zu 18-mal effizienter arbeiten als normale Solarzellen». Vielleicht könne man langfristig die Anschaffung des Fahnenstoffs amortisieren, schmunzelt Brügger. Den genauen Kaufpreis will er nicht nennen, aber das Experiment sei «nicht ganz billig» gewesen.
Fest steht: Wenn die grosse Solarfahne am heutigen Dienstag auf dem Kletterturm angebracht ist und ans Netz geht, wird das Frutigresort um eine Attraktion reicher sein. Die Installation will die Firma Brügger selbst vornehmen, was dank des vielfältigen Fuhrparks kein Problem darstellt. «Unsere Campinggäste können später daheim erzählen, dass ihr Strom von einer Schweizerfahne produziert wurde», freut sich Brügger – und hofft nun auf einen sonnigen Sommer, damit die Schweizerfahne auch ordentlich zu tun hat.
Das Video des Massachusetts Institute of Technology, in dem die Herstellung des Solarstoffs erläutert wird, finden Sie online in unseren Web-Links.