Die Geschichte einer Idee
05.08.2025 KanderstegEin 750 Jahre altes walisisches Schloss verbindet das Berner Oberland mit den Britischen Inseln: St. Donat’s Castle in Glamorganshire, erbaut und restauriert von Peter von Stradling, einem Nachkommen der Familie von Strättlingen im heutigen Stadtteil von Thun, der denselben ...
Ein 750 Jahre altes walisisches Schloss verbindet das Berner Oberland mit den Britischen Inseln: St. Donat’s Castle in Glamorganshire, erbaut und restauriert von Peter von Stradling, einem Nachkommen der Familie von Strättlingen im heutigen Stadtteil von Thun, der denselben Namen trägt.
Für uns, das Verlegerteam und die Autoren des «Frutigländer», einer Regionalzeitung für das Berner Oberland, ist es mehr als ungewöhnlich, mehrere Zeitungsseiten auf Englisch zu veröffentlichen.
Englisch ist keine Schweizer Landessprache, und unsere Leser bevorzugen Deutsch und seine regionalen Dialekte wie «Berndütsch» in 51 der 52 Wochen eines Jahres als Muttersprache.
Doch es gibt eine Woche, in der die Zahl der ausländischen, meist englischsprachigen Gäste die Einwohnerzahl des Dorfes Kandersteg (rund 1300 Einwohner) übersteigt, wenn nicht sogar die des gesamten Kandertals.
Es ist die erste Augustwoche. Fast 2000 Pfadfinder besuchen in diesen Tagen das Kandersteg International Scout Center (KISC), und viele von ihnen werden zusätzlich von Freunden oder Familie besucht. Darüber hinaus verbringen Tausende internationale Gäste ihre Ferien oder leben zeitweise in den umliegenden Dörfern Frutigen, Adelboden, Wengen oder Mürren oder weiter unten am Thuner See.
Für sie alle und für alle, die dies vielleicht aus reiner Neugier lesen, veröffentlichen wir die Geschichten und Eindrücke der acht englischen Seiten, die Sie gleich lesen werden.
Englisch wird in der Schweiz immer wichtiger
Dass Englisch immer wichtiger wird, ist den meisten klar. Aber das ist noch nicht alles: Es ist of!ziell, dass mehr als 670 000 Menschen in der Schweiz regelmässig Englisch zu Hause oder bei der Arbeit sprechen. Das Statistische Bundesamt hat dies vor einigen Monaten veröffentlicht.
Viele von ihnen sind keine gebürtigen Briten, sondern einfach «international» und bilden eine global verwurzelte, zusätzliche Bevölkerung unseres Landes.
Und wenn man in die Geschichte zurückblickt, gab es eine Zeit, in der Wales, England und unsere Täler eine sehr enge Verbindung hatten.
Doch wir müssen im Mittelalter beginnen, wenn wir das anschauen wollen …
Weit zurück in der Geschichte: Erste Beziehungen
Anfang der 70er Jahre des 13. Jahrhunderts befand sich der spätere englische König Edward I., genannt «Longshanks», 1272 auf dem Heimweg von einem Kreuzzug im Orient, als er vom Tod seines Vaters erfuhr. Nach einer langsamen Rückkehr erreichte er England erst 1274 und wurde schliesslich in der Westminster Abbey zum König gekrönt.
Edward, ein Abkömmling der französischen Plantagenet-Familie, sprach bis zu diesem Zeitpunkt ausschliesslich Französisch und vermutlich Latein, aber – soweit wir wissen – kein «richtiges» Englisch, obwohl er in London geboren wurde.
Darüber hinaus hatte er nach seiner Krönung mit internen Konflikten in Wales, Irland und Schottland zu kämpfen und brauchte eine treue Garde, also loyale Unterstützer, an seiner Seite.
Durch Vermittlung französischer Adliger kam er mit einem Mitglied der Familie Stradling (in englischer Schreibweise) in Kontakt, das in der Nähe von Thun lebte. Ihr deutscher Name «von Strättligen» ist in unserer Gegend noch heute lebendig.
Und es ist erwiesen, dass sich nach Mitte des 13. Jahrhunderts einzelne Mitglieder der Familie Strättligen im Gefolge Peters II. von Savoyen und als savoyische Vasallen des Gutes Mülenen, einem weiteren Dorf in unserem Kandertal, befanden. Die Savoyer sprachen mehrheitlich Französisch, bzw. ein noch heute in den Alpes Maritimes gesprochenes Patois.
Ein gewisser Johann III. von Strättligen wanderte später «vor 1300» nach England und dann nach Wales aus. Jahrhunderte später kehrte die Familie dann nach England zurück, wo die letzten Nachkommen der Familie Strättligen im 18. Jahrhundert starben.
Es wird vermutet, dass Johann III. von Strättligen als Belohnung für seine Verdienste um den englischen König mit einem walisischen Schloss bedacht wurde – und gedrängt wurde, die walisische Dame zu heiraten, die es zuvor geerbt hatte.
Ein College-Schloss erzählt die Geschichte
Der Name des Schlosses ist noch heute weltweit bekannt, insbesondere weil es das renommierte «Atlantic College» beherbergt. Es handelt sich um St. Donat’s Castle in Glamorganshire, in der kleinen Gemeinde Llantwit Major am Bristol Chanel.
Die Ursprünge des heutigen Schlosses reichen bis ins 12. Jahrhundert zurück, als die Familien der «de Haweys» und später ein gewisser «Peter de Stradling», Nachfahre Johns III., mit dem heutigen Ausbau begannen. Die Stradlings hielten das Schloss vierhundert Jahre lang, bis Sir Thomas Stradling 1738 in einem Duell starb.
Es schien mehr als nur ein Zufall zu sein, dass der heutige KISC-Direktor Javier Paniagua Petisco und der Autor dieser Zeilen in prägenden Phasen ihres Lebens als Studenten dort gewesen waren. Und als sie sich im Mai 2025 zum ersten Mal trafen, war die Idee innerhalb weniger Minuten geboren: Englisch als Sprache hat das Potenzial, selbst grosse kulturelle Unterschiede zu überbrücken, und es hat das Potenzial, gemeinsame Horizonte und einen gemeinsamen Hintergrund zu schaffen – eine Grundlage, auf der wir auch heute noch stehen können. In Kandersteg und der ganzen Schweiz. Deshalb. Viel Spass!
Martin Natterer,
Autor und Berater der Verleger
The story of an idea
A 750-year-old Welsh castle connects the Bernese Oberland with the British Isles: St. Donat’s Castle in Glamorganshire, built and restored by Peter von Stradling, a descendant of the von Strättlingen family, now a district of Thun.
For us, the publishing team and authors of the «Frutigländer,» a regional newspaper for the Bernese Oberland, it is more than unusual to publish several newspaper pages in English. English is not a national language of Switzerland, and our readers prefer German and its regional dialects, such as «Berndütsch», as their !rst language for 51 of the 52 weeks of the year.
But there is one week when the number of foreign, mostly English-speaking guests exceeds the population of the village of Kandersteg (around 1300 inhabitants), if not the entire Kander Valley.
It is the !rst week of August. Almost 2000 Scouts are visiting the Kandersteg International Scout Center (KISC) these days, and many of them are also being visited by friends or family. In addition, thousands of international guests spend their holidays or live temporarily in the surrounding villages of Frutigen, Adelboden, Wengen, or Mürren, and further down on Lake Thun.
For all of them, and for anyone who may be reading this out of pure curiosity, we are publishing the stories and impressions of the eight English pages you are about to read.
English is becoming increasingly important in Switzerland.
But that’s not all: It is official that more than 670 000 people in Switzerland regularly speak English at home or at work. The Federal Statistical Office published this a few months ago. Many of them are not native Britons, but simply «international,» forming a globally rooted, additional population of our country.
And if you look back in history, there was a time when Wales, England, and our valleys had a very close connection.
But we have to start in the Middle Ages if we want to look at that …
Far Back in History: Early Relationships
In the early 1270s, the future English King Edward I, known as «Longshanks,» was on his way home from a crusade in the Orient when he learned of his father’s death. After a slow return, he didn›t reach England until 1274 and was crowned king in Westminster Abbey.
Edward, a descendant of the French Plantagenet family, spoke exclusively French and presumably Latin until this point, but – as far as we know – no «proper» English, despite being born in London.
In addition, after his coronation, he had to contend with internal conflicts in Wales, Ireland, and Scotland and needed a loyal guard – that is, loyal supporters – at his side. Through the mediation of French noblemen, he came into contact with a member of the Stradling family (spelled in English) who lived near Thun. Their German name, «von Strättligen,» is still alive in our region today.
And it is proven that after the mid- 13th century, individual members of the Strättligen family were in the entourage of Peter II of Savoy and, as Savoyard vassals, of the Mülenen Estate, another village in our Kandertal valley. The Savoyards mostly spoke French, or rather a patois that is still spoken today in the Alpes Maritimes.
A certain John III of Strättligen later emigrated «before 1300», as we are told, to England and then to Wales. Centuries later the family returned to England again, where the last descendants of the Strättligen family died in the 18th century.
It is believed that John III of Strättligen was rewarded with a Welsh castle as a reward for his services to the English king – and was obliged to marry the Welsh lady who had previously inherited it.
A college castle tells the story
The name of the castle is still known worldwide today, particularly because it houses the renowned «Atlantic College.» It is St. Donat’s Castle in Glamorganshire, in the small community of Llantwit Major on the Bristol Channel.
The origins of the present castle date back to the 12th century, when the «de Hawey» families and later a certain «Peter de Stradling», presumably an immediate descendant of John III., began its current expansion. The Stradlings held the castle for four hundred years until Sir Thomas Stradling died in a duel in 1738.
Right behind the impressive «Sea Front» of the Atlantic College, you can enjoy the impressive gardens inside St. Donat’s Castle.
It seemed to be more than just a coincidence that today’s KISC director Javier Paniagua Petisco and the author of these lines had been there as students during formative phases of their lives, though in different decades. And when they met for the !rst time in May 2025, the idea was born within minutes:
English as a language has the potential to bridge even great cultural differences, and it has the potential to create common horizons and a common background – a foundation on which we can still stand today. In Kandersteg and elsewhere in Switzerland.
So. Enjoy!
Martin Natterer,
Author and advisor to the publishers