Die Hüterin des Turms

  20.06.2023 Adelboden

Die höchste Stadtbernerin – zumindest, was den Arbeitsplatz betrifft – stammt aus Adelboden: Daniela Wäfler ist die neue Turmwartin am Berner Münster.

TONI KOLLER
Die Funktion des Münsterturmwarts ist alt und ehrwürdig – wer sie innehat, erlangt in Bern nach und nach eine gewisse lokale Prominenz. So weit ist es bei Daniela Wäfler noch nicht gerade; sie hat das Amt erst im vergangenen April übernommen. Was sie dazu geführt hat? Nun, immerhin ist sie entfernt verwandt mit der legendären Turmwartin Elisabeth Kormann, die den Münsterturm im vergangenen Jahrhundert während über 50 Jahren betreute. Vor allem aber, sagt die 47-jährige Adelbodnerin, habe dieser mächtige Kirchturm schon immer eine Faszination auf sie ausgeübt. Mit 18 Jahren hat sie Adelboden verlassen, wohnte lange Zeit an der Postgasse in der Berner Altstadt und erlebte jeden Tag den Blick auf das monumentale Bauwerk.

Affinität zur Kirche
Als gelernte Pflegefachfrau hat sie später eine Ausbildung in sozialer Arbeit absolviert und war lange Zeit als Sozialarbeiterin für die reformierte Berner Kirchgemeinde tätig – auch darin gründet eine Nähe zum Münster. «Ich bin in Adelboden in einer Freikirche aufgewachsen», erzählt sie. «Davon habe ich als Jugendliche in Bern Distanz gesucht. Doch dann ist eine gewisse Spiritualität zurückgekehrt, in der reformierten Kirche fühle ich mich aufgehoben.» Auch dies trug dazu bei, dass sie sich – erfolgreich – um den Job als Turmwartin beworben hat.

«Warten» heisst organisieren
Ein Job? «Das ist kein Job, es ist eine Lebensauffassung», hat der frühere Turmwart Peter Probst einmal geschrieben. Das scheint auch für Daniela Wäfler zu gelten. Auch wenn sich seit Probsts Zeiten einiges verändert hat: Damals lebten die Turmverantwortlichen noch dort oben, in der Wohnung auf der ersten Galerie, fast 50 Meter und 254 Treppenstufen hoch über der Berner Altstadt. Heute dienen die Wohnung und der darüberliegende Turmsaal als Veranstaltungsort für zahlreiche Events. So ist es Daniela Wäfler ganz recht: In der Isolation weit oben im Turm möchte sie eh lieber nicht wohnen.

Hingegen ist es ihre Aufgabe, diese Veranstaltungen zu koordinieren und gegebenenfalls für Speis und Trank zu sorgen – bei 254 Treppenstufen ohne Lift will da alles gut überlegt sein. Auch wirkt sie als Stellvertreterin des Münster-Sigristen. Vor allem aber ist die Turmwartin – mit einer Reihe von Mitarbeitenden – zuständig für die Betreuung der zahlreichen Besucherinnen und Besucher, die Tag für Tag den Turm erklimmen: Kontrolle der Zutrittsbilletts, Sorge für die Sicherheit. Und natürlich Gespräche führen mit den oftmals internationalen Gästen da oben, die mit vielen Fragen über die Kirche, den Turm und die Stadt Bern auf das Altstadt-Häusermeer hinunterblicken.

Adelboden ist präsent
Und ja: Bei klarem Wetter ist von hier oben aus das ganze Alpenpanorama zu sehen. Auch dies ist Daniela Wäflers Welt: Schliesslich ist sie nicht nur in den Bergen gross geworden, sondern nach wie vor sehr mit ihnen verbunden. Als diplomierte Wanderleiterin war und ist sie stets im Gebirge unterwegs; ihr 75-Prozent-Pensum als Turmwartin lässt dies auch weiterhin zu, sei’s auf Touren mit Gruppen in der Schweiz oder in anderen Ländern. «Ich habe mir auch schon überlegt, SAC-Hüttenwartin zu werden» – doch nun sei der Münsterturm zu ihrer «Hütte» geworden, lacht sie.

Und wie ist ihre Beziehung zu ihrem Herkunftsort Adelboden? «Sehr eng», antwortet Daniela Wäfler – und wir stellen fest, dass wir beide dieses Gespräch im Adelboden-Dialekt führen. Was für uns «Ausgewanderte» nicht ganz selbstverständlich ist. «Mein Lebensmittelpunkt ist Bern, das ist klar», erklärt sie, «aber ich habe auch ein Adelbodner Herz in der Brust.» Dort besucht sie häufig ihre Eltern im Altersheim, hat Geschwister in Frutigen und Adelboden und ist als Wanderleiterin auch für die Alpinschule Adelboden tätig. «Einfach aus dem Haus treten und mit den Langlaufski auf und davon: Solche Sachen fehlen mir schon hier in Bern.»

Wie auch immer – der Münsterturm und Adelboden sind sich nicht so fern. Vielleicht ist es eben kein Zufall, dass anno 1872 als allererster Tourist der damalige Berner Münsterpfarrer nach Adelboden gekommen ist.


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