Die «Kander-Watch» tickt wieder
05.09.2025 FrutigenDass in Frutigen Uhrensteine fabriziert wurden, gehört zur lokalen Industriegeschichte. Weniger bekannt ist jedoch, dass es auch eine einheimische Uhrenmarke gab: die «Kander-Watch». Martin Mägert hat sie entdeckt und wiederbelebt.
HANS RUDOLF ...
Dass in Frutigen Uhrensteine fabriziert wurden, gehört zur lokalen Industriegeschichte. Weniger bekannt ist jedoch, dass es auch eine einheimische Uhrenmarke gab: die «Kander-Watch». Martin Mägert hat sie entdeckt und wiederbelebt.
HANS RUDOLF SCHNEIDER
Am Morgen des Treffens erhält Martin Mägert Post aus Palästina. Mit Freude in der Stimme zeigt er die Verpackung. Noch mehr begeistert ihn aber der Inhalt. Eine Uhr mit einem speziellen Logo auf dem Zifferblatt: zwei Berggipfel und der Schriftzug «KANDER». Mittlerweile hat er eine Sammlung von rund 90 Exemplaren in der halben Welt gefunden und gekauft. Ein Bekannter versucht jeweils, defekte Exemplare wieder zum Laufen zu bringen. So weit so gut: Über die Geschichte der präzisen mechanischen Wunderwerke mit Altels und Balmhorn im Logo weiss der leidenschaftliche Sammler allerdings bisher nur wenig.
Martin Mägert ist familiär vorbelastet
«Uhren haben mich immer fasziniert», sagt Mägert in seinem Büro in Reichenbach. «Sie sind nicht nur Zeitmesser, sondern ein Ausdruck von Stil und Persönlichkeit.» Und auch Familiengeschichte: Seine Begeisterung kommt nicht von ungefähr, haben seine Grosseltern doch in Frutigen ein kleines Atelier betrieben und Uhrensteine geschliffen (siehe Kasten). Diese Rubine, präzise gebohrt und geschliffen, dienten als Lager für die filigranen Zahnräder in Uhrwerken. Die Perfektion und die Liebe zur Mechanik wurden offenbar vererbt, wie er selber sagt. Beruflich hat er einen anderen Weg eingeschlagen, ist Mitinhaber der Firma Energieschmiede GmbH und plant dort Haustechnikanlagen. Die Uhren sind ein Hobby, wobei durchaus mehr daraus werden kann und soll.
Die Marke zufällig entdeckt
An seinem Arm trägt er nämlich eine «Kander-Watch», eine Neuauflage der Kandertaler Uhr. Diese hat er anfertigen lassen. Es gibt aktuell drei Modelle, die er auf einem eleganten Holzbrett mit dem Logo auf seinem Schreibtisch präsentiert, und die seit kurzem auch in lokalen Uhren- und Schmuckgeschäften und via Webshop erhältlich sind. Bis es jedoch so weit war, brauchte Martin Mägert einiges an Nerven, Durchhaltewillen und auch finanzielle Mittel.
Die ehemalige Frutiger Uhrenmarke mit dem auffälligen Logo entdeckte er im Jahr 2020 zufällig im Internet. Daraufhin begann er mit der Recherche. Herausgekommen ist, dass 1956 die Uhrenfirma Kander Watch in Frutigen eingetragen und die Marke beim Amt für geistiges Eigentum angemeldet wurde. 1966 wurde daraus die Uhrenfabrik Kander AG, einer der vier Gründer war der Frutiger Hans Schafroth. Die Firma wurde 1982 liquidiert, ein Jahr, bevor Mägert geboren wurde. «Bei der Auflösung aus wirtschaftlichen Gründen wurden offenbar auch sämtliche Geschäftsakten und Dokumente vernichtet. Es gibt ausser den amtlichen Notizen nichts, zumindest habe ich nichts gefunden», erzählt er.
Fundstücke aus aller Welt
Schafroth hatte seinen Firmensitz in der Farbgasse in Frutigen. Martin Mägert weiss, dass in den ersten Jahren für Drittfirmen Uhren montiert worden sind und erst Mitte der 1960er-Jahre die Eigenmarke «Kander-Watch» entstanden ist. In den besten Zeiten waren in Frutigen 16 Angestellte und im Raum Solothurn 24 Heimarbeiter tätig, vorwiegend Frauen, wie aus Gesprächen mit Schafroths Nachfahren resultierte. Produziert worden sind die Kander-Uhren in Solothurn.
Was den Uhrensammler erstaunt, ist die grosse Anzahl an Varianten, die er entdeckt hat. Wobei: «Wie viele Versionen – traditionelle Uhren, Taucheruhren, Damenuhren, Taschenuhren, jeweils mit verschiedenen Zifferblättern und unterschiedlichen Gehäusen und Farben – weiss ich nicht. Ich bin immer wieder erstaunt, was ich alles entdecke. Offenbar konnten damals schon preislich konkurrenzfähige Kleinserien produziert werden.» Via Internet und persönlichen Tipps findet er immer wieder Exemplare und kauft diese für seine Sammlung. Etliche hat er beispielsweise in Grossbritannien entdeckt, die vermutlich von Feriengästen als Souvenir den Weg über den Ärmelkanal fanden.
Immer neue Fragen tauchen auf
Unklar ist auch, wie viele Uhren jemals unter dem Label «Kander-Watch» in den Handel kamen. «Die Stiftankeruhrwerke waren zwar präzise, aber eher ein Einstiegsmodell für mechanische Uhren. Ich schätze, dass diese Uhren um 1970 so zwischen 30 und 50 Franken kosteten», erklärt er. Später kamen auch Quartzvarianten dazu.
Entdeckt hat Martin Mägert zudem spezielle Exemplare: Eines hat auf dem Zifferblatt einen Ferrari-Schriftzug, der den Autofan seit längerem beschäftigt. «Ich weiss schlicht nicht, ob das ein Einzelexemplar oder ein Kundenauftrag war.» Eine andere Uhr zeigt klein den Buchstaben M. Die Recherchen haben ergeben, dass dieses zusätzliche Logo zu einem ehemaligen spanischen Süssgetränkehersteller gehörte. Solche Funde hinterlassen bei Mägert mehr Fragen als Antworten. Er wäre dankbar für alle Informationen, die sich noch zu «seiner» Marke finden lassen, auch von Personen, die damals in Schafroths Firma gearbeitet haben.
Die aufwändigen Vorbereitungen
Neben dem Sammeln von Uhren faszinierte ihn aber rasch die Idee, der Marke neues Leben einzuhauchen. «Das hat mit Respekt für das Erbe und das Handwerk zu tun. Diese Marke hat Geschichte und sie verdient eine Zukunft.» Die aufwändigen Abklärungen über Fabrikationsmöglichkeiten führte ihn ebenfalls nach Solothurn. Er hat dort einen Hersteller gefunden, der auch kleine Serien «zu vernünftigen Preisen herstellen kann und, für mich extrem wichtig, einige Grundmodelle im Angebot hat, die der Optik der damaligen Kander-Watch sehr nahe kommen».
Damit war es aber nicht getan: Er musste sich mit einem professionellen Markenhändler einigen, der die Rechte an der Marke Kander-Watch besass. Fazit der Geschichte: Mägert musste die Rechte kaufen, sonst wäre sein Projekt zum Scheitern verurteilt gewesen. Darüber dachte er mehrfach nach. «Schliesslich hat mich meine Frau überzeugt, da ich sonst wohl ewig darüber nachgedacht hätte», sagt Martin Mägert mit einem Lachen.
Die Bandbreite ist enorm
Aktuell sind drei neue Modelle im Angebot zu Verkaufspreisen zwischen 339 und 949 Franken. Basis der Marke bleiben die damaligen Modelle, es wird also keine Smart-Watches geben. Allerdings gab es so viele Versionen, dass Mägert noch einige Modelle neu auflegen könnte. Er denkt beispielsweise darüber nach, ein Damenmodell oder eine Version aus Kunststoff herstellen zu lassen.
Derzeit haben vor allem einige Sammler und sein Umfeld Kenntnis von seiner Tätigkeit, nun steht ihm der Gang an die breitere Öffentlichkeit respektive den Markt bevor. «Grundsätzlich ist das Ziel, die bisher privat finanzierten Ausgaben irgendwann gedeckt zu haben. Es gibt aber sehr erfreuliche Anzeichen, dass die ‹Kander-Watch› auf Interesse stösst und wenn daraus im Laufe der Zeit vielleicht ein kleiner Nebenerwerb entstünde, würde mich das sehr freuen.»
Weitere Informationen:
www.kanderwatch.com
Die Uhrensteinfabrikation im Frutigland
Die Bearbeitung von Uhrensteinen hatte in der Mitte des 20. Jahrhunderts in Frutigen eine beträchtliche wirtschaftliche Bedeutung, wie als Beispiel die Uhrensteinfabrik Brügger AG zeigt. Der Betrieb wurde ursprünglich 1887 vom Coiffeur Jakob Brügger in der Gerbi gegründet, der nebenbei auch eine Steindreherei besass. 1892 erfolgte der Umzug in den Künzisteg. Dort wurde laufend ausgebaut und modernisiert. Ein eigenes Wasserkraftwerk lieferte Strom für die teils selber entwickelten Maschinen zur Bearbeitung der Rubinsteine. Den grössten Aufschwung erlebte die «Fabrik», wie sie im Volksmund genannt wurde, in den Jahren 1924 bis 1937. Die Zahl der Arbeiter stieg von 180 auf 331 – krisenbedingt war sie jedoch zwischen 1931 und 1933 auf 20 abgesunken.
Im Januar 1958 folgte eine schwere Krise in der Uhrenindustrie. Viele Uhrenhersteller waren verunsichert und brauchten primär ihre eigenen Reservebestände an Uhrensteinen auf. Dadurch erhielt die Brügger AG nur noch spärlich Aufträge. Durch die schlechte Arbeitslage war man gezwungen, die Arbeitsschritte zu rationalisieren. Während einiger Jahre wurde im Wallis zusätzlich ein kleines Atelier mit 15 Arbeitern betrieben. Durch das Aufkommen der elektronischen Uhren in den 1970er-Jahren wurden die hochpräzisen Lager nur noch in kleinen Mengen benötigt. Dies führte 1972 zur Betriebsschliessung dieser Firma.
QUELLE: FIRMENCHRONIK BRÜGGER AG