Das gemeinsame Lagerfeuer gehört zur DNA der Pfadfinder weltweit. Doch was genau bedeutet es für die «Insider», die Pfadfinder selbst? Und was tun sie eigentlich, wenn sie, ganz offen gesagt, einfach nur an einem Feuer sitzen?

Im folgenden Artikel, der Bilder eines der wichtigsten Lagerfeuer-Events dieses Jahres am 18. Juli beim KISC in Kandersteg zeigt, geben wir einige Eindrücke und Gedanken rund um «die Seele des Pfadfindertums»: das Lagerfeuer.

Darüber hinaus versuchen wir allen, die mit den Pfadfinderbräuchen nicht so vertraut sind, zu erklären, warum die jungen Leute meistens gut gelaunt sind und warum sie so oft in Gruppen auftreten und ihre Gemeinschaft feiern.

Die Eröffnung
Am Abend, an dem das Lagerfeuer stattfand, waren Dutzende von Gruppen aus aller Welt gerade eben erst eingetroffen, manche erst wenige Stunden vor der Veranstaltung. Viele hatten kaum Zeit gehabt, sich einzurichten und vorzubereiten, doch am späten Nachmittag waren die meisten bereits vor dem Hauptgebäude des Chalets zu sehen, wo sie für ihre Eröffnungsvorstellung am «campfire» probten und sich motivierten.

Alle waren in ihren jeweiligen Uniformen dort, ihrer charakteristischen Kleidung, erkennbar als Nationen und Gruppen, und sie schlenderten langsam zum Lagerfeuerkreis am anderen Ende des KISC-Campingplatzes. Die Disziplin und innere Ordnung, die diese Gruppen an den Tag legen, ist offensichtlich auch emotional und fröhlich gefärbt. Sie ist beeindruckend, aber nie einschränkend.

Die Einführung
Jede Gruppe betrat noch vor dem Entzünden des Feuers den grossen Kreis, der wie ein kleines Amphitheater aufgebaut war, und stellte sich auf diese Weise denjenigen vor, die bereits zuvor dort gewesen waren. Sie kamen am Lagerfeuer an und zeigten: «Seht, das sind wir.»

Und es war Teil der Einführungszeremonie, Zeichen der Zugehörigkeit zu einem Verband, einer Gruppe an der Kleidung zu tragen oder Fahnen seines Landes mitzuführen. Wie zum Beispiel eine grosse Gruppe aus Zypern, die ihre Herkunft durch ein Emblem in griechischen Buchstaben darstellte und dadurch sagte: «Wir sind die Gruppe des Heiligen Paulus». Auch einige andere waren klar erkennbar: Da war eine schottische Delegation, die «Second Torwood Scout Group», in farbenfrohen Mustern und Uniformen. Dann gab es eine grosse israelische Gruppe, bestehend aus gut 90 Jungen und Mädchen im späten Teenageralter, die stolz ihre Nationalflagge als Zeichen der Zugehörigkeit trugen und für eine Weile Frieden atmeten.

Und dann war da – als einer der Ersten am Lagerfeuer – der schon etwas ältere Herr Abe Shu aus Japan, lange bevor das Lagerfeuer entzündet wurde. Seine Embleme waren in Japanisch aufgestickt, und nur eines war auf Englisch verfasst.

Abe war früher einmal Büroleiter des KISC gewesen, das war 1984, erklärte er. Und dann enthüllte er seine gegenwärtigen Aufgaben und seine tiefe Einbindung in die japanische und taiwanesische Pfadfinderbewegung. Nur die Traurigkeit in seinen Augen liess erahnen, dass dies möglicherweise die letzte Reise nach Kandersteg in seinem Leben sein könnte.

Die Inspiration
Die Inspiration, die Pfadfinder erleben, entspringt grösstenteils der Begeisterung, die dadurch entsteht, dass sie als einzelne Gruppen unterscheidbar und einzigartig sind, aber alle friedlich in eine «grosse Familie» integriert sind, sozusagen in die globale Pfadfindergemeinschaft.

Am Lagerfeuer, und besonders in dieser Nacht des 18. Juli in Kandersteg, wurde diese globale Gemeinschaft wie in einem Spiegel gebündelt, konzentriert an einem einzigen Ort. In dieser Nacht bedeutete der Lagerfeuerring den Anwesenden alles.

Die Freiheit, die sie dann erleben, entlädt sich in einer enormen Welle der Kreativität, da jede Gruppe kleine unterhaltsame Sketche, Gesangs- oder Tanzstücke oder kleinere künstlerische Beiträge beisteuert. Nicht jeder Beitrag ist für jeden immer «leichte Kost». Aber wenn auch einmal Ekel vorgetäuscht wird, dann geschieht das spielerisch, und es gilt: «Versöhnung herrscht».

Es ist die friedliche Gemeinschaft, die hier gefeiert wird. So beginnt eine Lagerfeuernacht glücklich und sie darf auch immer glücklich enden.

MARTIN NATTERER