Digitale Medien und Sexualität
03.04.2024 FrutigenDie Schule lud Eltern zu einem Themenabend ein. Zwei Referenten von der Berner Gesundheit und eine Referentin von Pro Juventute vermittelten Wissenswertes zur Entwicklung der Kinder und Jugendlichen und zu deren Umgang mit digitalen Medien. Und sie gaben den Anwesenden konkrete Tipps mit ...
Die Schule lud Eltern zu einem Themenabend ein. Zwei Referenten von der Berner Gesundheit und eine Referentin von Pro Juventute vermittelten Wissenswertes zur Entwicklung der Kinder und Jugendlichen und zu deren Umgang mit digitalen Medien. Und sie gaben den Anwesenden konkrete Tipps mit auf den Weg.
Patrick Teutschmann, Schulleiter der Bäuertschulen Frutigen, begrüsste die interessierten Eltern im Namen der Schule Frutigen und stellte die Referenten sowie die OrganisatorInnen vor. Involviert waren die Schulsozialarbeit Frutigen, die OKJA sowie Heidi Schmid, Leiterin der Bildungsabteilung, Beatrice Badetscher, Schulleiterin Widi und Kanderbrück, und Roman Strähl, OSS-Schulleiter.
Entwicklungsschritte der Jugendlichen verstehen
Marnius Brak von der Berner Gesundheit stellte einerseits die Organisation vor, andererseits ging es in seinem Referat und in demjenigen von Sexualpädagoge Mathias Schörlin um die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen. Die beiden Referenten zeigten auf, dass die Jugendlichen ein grosses Bedürfnis nach Zugehörigkeit haben und dass sie innerhalb der «Peergroup» einen Status erreichen wollen. Gleichzeitig streben sie nach Unabhängigkeit, wollen eine eigene Identität entwickeln und der Umgang mit Sexualität beschäftigt sie. Diese Themen seien nicht nur im alltäglichen Leben präsent: Auch in der anonymen Onlinewelt bietet sich den Jugendlichen die Gelegenheit, sich zu präsentieren und sich auszuprobieren, zu flirten sowie Anerkennung zu erhalten.
Kinder und Jugendliche wollen andere Apps benutzen als ihre Eltern Sie benutzen teilweise auch Apps, die für ihr Alter nicht zugelassen sind. Strafbar machen sich auch Erwachsene, wenn sie Jugendlichen unter 16 Jahren pornografische Bilder und Filme zeigen oder weiterleiten, selbst wenn diese sie sehen wollen. Dass sich auch die Jugendlichen strafbar machen, sind sich insbesondere die unter 16-Jährigen häufig nicht bewusst. Strafmündig sind sie bereits ab 10 Jahren.
Besser begleiten als bestrafen
Die Referentin von Pro Juventute, Ingrid Broger, arbeitet als Medienpädagogin in Schulklassen. Sie spielt teilweise dieselben Spiele wie Kinder und Jugendliche, um sie besser zu verstehen, aber auch, um ihnen aufzuzeigen, dass sich im Netz jede und jeder als das ausgeben kann, was sie / er will. Häufig erhalten besonders die Mädchen für ihre Profile im Netz zuerst Komplimente, werden teilweise aber später belästigt. Gemäss der «JAMES-Studie 2022» (siehe Kasten), welche alle drei ReferentInnen zitierten, werden 19 Prozent der befragten Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 13 Jahren von fremden Personen mit sexuellen Absichten angesprochen, bei den 14- bis 15-Jährigen sind es sogar 41 Prozent. Diese Übergriffe gehen nicht nur von Erwachsenen aus, sondern auch von Jugendlichen, die sich im Netz ausprobieren wollen.
Ingrid Broger nannte Gründe, warum sich manche Kinder und Jugendliche nach solchen Übergriffen nicht an die Eltern wenden: «Sie haben Angst, dass sie beispielsweise das Spiel löschen müssen oder das Smartphone nicht mehr benützen dürfen, was sie als Strafe empfinden.» Die Expertin rät deshalb den Eltern, mit ihren Kindern im Gespräch zu bleiben und zu handeln, bevor etwas passiert: Möglich sei etwa, die Sicherheitseinstellungen anzupassen, damit z.B. der Standort geheim bleibt, das Konto privat und nicht öffentlich einzustellen oder gemeinsam einen unverfänglichen Spitznamen festzulegen.
Im Ernstfall rät sie den Eltern, dass sie ihr Kind stärken, ihm das Gerät nicht entziehen, sondern helfen, dieses sicherer zu machen. Eltern sollen herausfinden, was genau geschehen ist, Beweise sammeln, Personen oder Profile melden und wenn nötig rechtliche Schritte unternehmen. «Holen Sie sich Hilfe und Unterstützung», so Broger.
Die Medienpädagogin wies die Eltern darauf hin, dass sie die Hauptrolle in der Medienerziehung ihrer Kinder spielen, dass elterliche Kontrolle jedoch auch Grenzen habe und dass es ein Gleichgewicht zwischen Freiraum und Kontrolle brauche. Die Jugendlichen seien im Übrigen geschickt im Umgehen von Regeln und Beschränkungen. Gespräche über Sexualität seien ihnen häufig peinlich.
Aktuelle Thematik
Die Schule Frutigen will präventiv etwas für Eltern jüngerer Kinder machen und hat deshalb Eltern von Kindern ab der 3. Klasse zum Anlass eingeladen. Gleichzeitig wolle sie Eltern unterstützen, die sich mitten in der Thematik befinden, sagte Patrick Teutschmann. Regelmässige Weiterbildungskurse für Eltern aller Zyklen seien den Organisatoren ein grosses Anliegen, denn wenn Eltern und Schule im selben Boot sitzen, sei das eine Win-win-Situation. «Solche Anlässe stärken Eltern und Kinder, also die Familien», ergänzte Roman Strähl. Dem Schulleiter begegnen Probleme im Umgang mit digitalen Medien wöchentlich: In der Oberstufe seien digitale Medien und Sexualität eng miteinander verknüpft.
Ein Anliegen der Organisatoren und der ReferentInnen ist es zudem, dass sich Eltern untereinander vernetzen. Deshalb wurden während und zwischen den Referaten Pausen gewährt, die für den ausgiebigen Austausch genutzt wurden.
AGNES RUFENER, LEHRERIN AN DER OBERSTUFENSCHULE / REDAKTION
Die JAMES-Studie 2022
Die Referenten stützten sich auf die eigene Arbeit mit Kindern und Jugendlichen sowie auf Aussagen und Zahlenmaterial der «JAMES-Studie 2022». Seit 2010 beleuchten diese Studien den Medienumgang von Jugendlichen in der Schweiz. «JAMES» steht für «Jugend, Aktivitäten, Medien – Erhebung Schweiz» und wird alle zwei Jahre repräsentativ durchgeführt. Es werden jeweils über 1000 Jugendliche im Alter von 12 bis 19 Jahren befragt.
AGNES RUFENER / HOMEPAGE ZHAW