Kolumne - "Die dunkle Seite des Mondes"
22.08.2025 KolumneLaue Sommernächte laden ein zum Sternegucken. Besonders im August lohnt es sich, auch nach Sternschnuppen Ausschau zu halten. Sind Sie zu ungeduldig dafür, achten Sie doch mal auf unseren Mond. Was sehen Sie? Richtig, immer dasselbe Mondgesicht, immer dieselbe Seite unseres ...
Laue Sommernächte laden ein zum Sternegucken. Besonders im August lohnt es sich, auch nach Sternschnuppen Ausschau zu halten. Sind Sie zu ungeduldig dafür, achten Sie doch mal auf unseren Mond. Was sehen Sie? Richtig, immer dasselbe Mondgesicht, immer dieselbe Seite unseres ständigen Begleiters. Die dunkle Seite des Mondes bekommen wir nie zu sehen. Grund ist die sogenannte gebundene Rotation unseres Erdtrabanten. Während der Mond um die Erde kreist, dreht er sich zudem um sich selbst. Da beide Zyklen genau gleich lang dauern, nämlich 27,3 Tage, also einen Monat, zeigt uns der Mond immer seine gleiche Seite. Wie ein Tanz, bei dem eine Tänzerin in der Mitte der Tanzfläche steht und ein Tänzer im Kreis um sie herumtanzt. Dabei wendet der Tänzer seiner Tanzpartnerin immer sein Gesicht zu und muss sich dafür auf seinem Kreis um die Tänzerin konstant ein bisschen mitdrehen. Die Tänzerin in der Mitte sieht niemals den Hinterkopf ihres Tanzpartners. Probieren Sie’s mal aus in einer dieser lauen Sommernächte. Als der Mond noch viel jünger war, hat er sich schneller um die eigene Achse gedreht. Aufgrund der Anziehung durch die Erde wurde er über Jahrtausende auf die heutige Geschwindigkeit gebremst. Dies ist bei Planeten-Mond-Konstellationen nicht unüblich. Da unser Mond nicht auf einer exakten Kreisbahn um die Erde kreist, sondern auf einer Ellipse, ist seine Umlaufgeschwindigkeit nicht ganz konstant. Weil zudem seine Rotationsachse leicht geneigt ist, scheint er am Himmel zu taumeln. Astronominnen nennen diesen Effekt Libration.
Im Laufe eines Monats sehen wir folglich nicht immer exakt dieselbe Seite des Mondes, sondern insgesamt 59 Prozent der Mondoberfläche. Ein Grossteil der Rückseite des Monds ist zwar nie sichtbar für uns, aber keinesfalls immer dunkel. Sie wird genauso regelmässig von der Sonne angeschienen wie die uns bekannte Seite. Aber der Mond dreht sich langsam, ein Mondtag dauert so lange wie ein Erdenmonat. Das bedeutet: Alle zwei Wochen ist es an einem ausgewählten Ort auf dem Mond hell, dann wieder zwei Wochen dunkel. Die «dunkle» Seite des Mondes ist aber anders beschaffen als die uns zugewandte Seite. Sie ist übersät von kleinen Einschlagkratern, denn sie ist viel ausgesetzter als die der Erde zugewandte Seite und bekommt mehr Meteoriten ab. Diese verglühen auf dem Mond nicht, da er keine Atmosphäre hat. Die Menschheit kennt dieses andere Gesicht des Mondes übrigens erst seit 1959, als eine sowjetische Sonde erste Bilder von der Mondrückseite geschickt hat. Die erste Mondsonde, die auf der «dunklen» Seite gelandet ist, wurde in China entwickelt und hat letztes Jahr Mondmaterial von dieser noch weitgehend unerforschten Seite zurück zur Erde gebracht. Auch sonst bietet die Rückseite wissenschaftlich interessante Möglichkeiten. Weil es auf der erdabgewandten Seite des Mondes keine Störungen durch die Erde und uns Menschen gibt – keine Radiosignale zum Beispiel – ist es der ideale Ort für sehr sensitive Teleskope. Erste kleine Installationen sind bereits geplant. Es gibt auf der «dunklen» Seite auch keine Ablenkung durch die vielen Satellien, die mittlerweile um die Erde kreisen. Wer hinter dem Mond lebt, hat (für den Moment noch) wirklich seine Ruhe.
VALERIE KOLLER
VALERIE.KOLLER@BLUEWIN.CH