«Dr Kurt ischd niä furt!»
30.09.2022 AdelbodenDer Adelbodner Kurt Josi war ein Arbeitsleben lang mit Leib und Seele Zimmermann; Ende September wurde er bei einem Apéro verabschiedet. Als Pensionär tauscht Josi nun den Hammer gegen den Schwingbesen und entlastet seine Frau Isabelle. Im nächsten Winter steht ihm aber ...
Der Adelbodner Kurt Josi war ein Arbeitsleben lang mit Leib und Seele Zimmermann; Ende September wurde er bei einem Apéro verabschiedet. Als Pensionär tauscht Josi nun den Hammer gegen den Schwingbesen und entlastet seine Frau Isabelle. Im nächsten Winter steht ihm aber noch eine Saison als Allrounder auf dem Sillerenbühl bevor.
RUTH STETTLER
Am 29. Juli hatte Kurt Josi seinen «Letzten». Ganze 49 Jahre und 3 Monate arbeitete er bei der Holzbau Burn AG in Adelboden, wo er bereits seine Lehre absolviert hatte. Weil die Arbeit in Baugeschäften im Winter oft knapp ist, musste er vor 30 Jahren vorübergehend nach einer anderen Beschäftigung Ausschau halten. «Am Morgen bin ich aufs Gemeindebüro gegangen, um Kurzarbeit anzumelden, am Nachmittag hatte ich bereits meine Saisonstelle gefunden», erzählt er über seine Zweitarbeit als Allrounder auf dem Sillerenbühl, die er bis heute ebenfalls treu ausführt.
«Zuhause konnte ich in Ruhe studieren»
Vielleicht sei dieser jährliche Ausgleich ausschlaggebend dafür, dass ihm keine nennenswerten Schattenseiten seines Berufs in den Sinn kämen. Ob von Mai bis Ende November bei Holzbau Burn oder in der Wintersaison auf dem Sillerenbühl: Der Handwerker ging stets motiviert und gut gelaunt zur Arbeit. «Wenn man Freude hat, gehts ringer», stellt er fest. Josi ist kontaktfreudig. So war es nebst dem Handwerk die Kundenberatung, die ihn sehr bereicherte. «Zuhause konnte ich in Ruhe über ein Projekt nachstudieren, da kamen mir meistens gute Gedanken.» Damit sich der Kunde seine Idee vorstellen konnte, fertigte er zum Beispiel eine Zeichnung an.
Seine langjährige Erfahrung trug dazu bei, dass ihm alles immer leichter von der Hand ging. Als dann die Pensionierung näher rückte, freute er sich trotz seines erfüllten Berufslebens darauf. Die sommerliche Hitze und die langen Arbeitstage fand er zunehmend anstrengend.
Der Wandel der Zimmermannsarbeit
In den knapp 50 Jahren als Zimmermann hat sich Josis Arbeit sehr gewandelt. Früher habe man fast ausschliesslich mit Holz gearbeitet. Heute brauche es breitere Kenntnisse, insbesondere über Isolationsmaterial und Folien. Wo in seinen Anfängen als Zimmermann eine 60 mm Isolationsschicht normal war, werden heute 250 mm verbaut. Eine solche Isolationsschicht wird im Geschäft hergestellt. Auf der Baustelle werden dann noch die Innenwand (derzeit beliebt sei Gipsverputz) und die Aussenwand montiert. Josi erinnert sich auch an die Zeit, als bei Holzbau Burn kein Stapler zur Verfügung stand. Später sei der erste – höhebedingt – nur draussen einsetzbar gewesen. Mit vielen Neuerungen konnte Josi relativ gut umgehen, mit seinem Motto «Zersch muesch probiere» sei er immer gut gefahren. Trotzdem hatte er manchmal Respekt vor den neuen Maschinen, beispielsweise vor der Dampfbremse.
Früher habe ein Zimmermann kreativer sein könne, findet Josi. Heute gehe das Handwerk vor allem durch den Einsatz von CNC-Maschinen verloren. Die meisten Planungsarbeiten fänden mittlerweise im Büro statt, stellt er fest, und früher habe man beim Bauen mehr verdient. Trotz seiner Offenheit allem Neuen gegenüber schwingt bei Josi auch Wehmut mit, wenn er an die erste Hälfte seines Arbeitslebens zurückdenkt.
Der Rollentausch ist gut angelaufen
Josi war oft mit Lernenden unterwegs. Er habe viel von ihnen gefordert, sei aber auch geduldig gewesen. Mit dem Spruch «Wer keine Fehler macht, macht nichts» habe er ihnen jeweils Mut zugesprochen. Die Ausbildung stelle heute höhere Anforderungen an die Lernenden als früher. Seit August stellt sich Josi nun auch selbst einer neuen Herausforderung. Zwischen ihm und seiner Frau Isabelle, die um einiges jünger ist, war immer klar: Wenn er pensioniert ist, geht sie 100 Prozent arbeiten und er ist vom Kochen übers Putzen bis hin zur Wäsche für den Haushalt zuständig. Der Rollentausch sei gut angelaufen, sagen beide mit Stolz und mit einer Selbstverständlichkeit, die keine Zweifel zulässt. Den einen oder anderen Tipp seiner Frau nimmt Josi trotzdem dankend an. Ganz ahnungslos in Haushaltsdingen ist der Neu-Pensionär freilich nicht: Bei mehrtägigen, auswärtigen Einsätzen sei er meistens der Koch im Team gewesen, erinnert er sich. Nun, da er mehr Zeit hat, nimmt er auch mal das Kochbuch zur Hand und kreiert ein anspruchsvolles Menu. Durch die neue Rolle können seine Frau und er auch mehr Freizeit miteinander verbringen.
Ein abenteuerliches Bauprojekt
Rückblickend gibt es in seiner Berufskarriere ein Erlebnis, das Josi besonders in Erinnerung geblieben ist. Ende der 1980er-Jahre stand ein Projekt in der Britannia-Hütte in Saas-Fee an. Bereits am ersten Tag setzte während der Arbeit Schneefall ein, sodass die Bergbahn nicht mehr fahren konnte. Nach dem Mittagessen in der Steppjacke habe sich die acht bis zehn Mann starke «Karawane» der Handwerker auf einen dreistündigen Fussmarsch ins Tal aufgemacht. Weil sich aber der Gipser mit Hochprozentigem «aufgeheizt hatte», wurde diese Wanderung durch Schnee und Regen in unwegsamem Gelände erst recht zu einer besonderen Herausforderung. In der zweiten Woche habe man dann die Ski mitgenommen, schwärmt Josi von der Fortsetzung dieses abenteuerlichen Bauprojekts. Durch solche und ähnliche Aufträge sei er auch hin und wieder zu Helikopterflügen gekommen.
Bevor Josi im nächsten Winter seine letzte Saison auf dem Sillerenbühl antritt, frönt der sportbegeisterte Pensionär seinen Hobbys: dem Besuchen von Schwingfesten und dem Jassen.