An der Kirche von Frutigen finden sich Gedenktafeln, die von Persönlichkeiten und Geschichten vergangener Jahrhunderte erzählen. Die hier beschriebene zweite Tafel aus einer Reihe von drei erinnert an den Basler Kaufmann und Ratsherrn Mathias Streckeisen, der 1741 in Frutigen ...
An der Kirche von Frutigen finden sich Gedenktafeln, die von Persönlichkeiten und Geschichten vergangener Jahrhunderte erzählen. Die hier beschriebene zweite Tafel aus einer Reihe von drei erinnert an den Basler Kaufmann und Ratsherrn Mathias Streckeisen, der 1741 in Frutigen beigesetzt wurde. Seine Lebensgeschichte ist in einer gedruckten Leichenrede eindrücklich überliefert.
HANS EGLI
Bis zur Renovation der Kirche befand sich die Tafel im Chor, heute ist sie rechts des Haupteingangs an der westlichen Aussenmauer angebracht. Sie wurde 1809 zu Ehren des in Frutigen beerdigten Baslers Mathias Streckeisen (1679– 1741) angefertigt – im Auftrag des Enkels Emanuel Streckeisen (1743–1826) sowie der in Bern verheirateten Urenkelin Katharina Sophia May-Streckeisen.
Die Abdankung für Mathias Streckeisen fand am Sonntag, 23. Juli 1741, statt. Dazu existiert eine in Basel gedruckte Leichenrede von Isaac Rothenbühler (1690– 1749), Pfarrer in Frutigen von 1736 bis 1747. Für den Pfarrer war dieser Sonntagmorgen aufregend, denn er erfuhr erst wenige Stunden vor dem Gottesdienst, dass der Ratsherr aus Basel beerdigt werden sollte. In seinen Worten: «Weilen mir nun erst heut Morgen die Nachricht geschehen, dass der sel. Herr Meister in hiesige Kirche soll beygesetzt werden, als habe meine ordinari Sonntags-Materi abgeänderet.» Rothenbühler nannte den Verstorbenen mehrfach «Meister», vermutlich, weil dieser in Basel Meister der Zunft zu Webern war. Die knappe Zeit erlaubte dem Pfarrer lediglich, seinen Predigttext etwas abzuändern. Es entstand eine umfangreiche Predigt, die – wenn wie gedruckt vorgetragen – rund anderthalb Stunden gedauert haben dürfte.
Mit Hoffnung nach Leukerbad
Am Schluss des Predigttextes findet sich ein ausführlicher Lebenslauf. Mathias Streckeisen wurde bereits als vierzehnjähriger Knabe nach Neuenburg geschickt, absolvierte anschliessend eine vierjährige Handelslehre in Colmar und arbeitete schliesslich noch acht Jahre in einem Handelsgeschäft in Lyon. Danach kehrte er nach Basel zurück und gründete seine eigene Handelsgesellschaft. Daneben übernahm er verschiedene politische Ämter.
Nach Leukerbad reiste Mathias Streckeisen als kranker Mann. Er litt an einer schweren Form von Gelbsucht und hoffte dort auf Heilung. Begleitet wurde er von seiner Tochter, dem Schwiegersohn und dem bekannten Basler Arzt Johann Heinrich Respinger (1709–1782). Gemäss dem gedruckten Predigttext beschrieb Pfarrer Rothenbühler auch Streckeisens Tod in Leukerbad: «Nach einigen Ruhe-Tagen hat auch der sel. Herr seine Cur […] angefangen, welche sich dann so wohl angelassen, dass man sich alle gute Hoffnung für den Patienten davon machen konnte, aber die Folge hat gezeiget, dass der Herr des Lebens gantz etwas anderes mit ihme vorhatte, indeme es sich zugetragen, dass, nachdeme er den 14. Julii des Morgens das Wasser getruncken, man bald hernach starcke Hitzen an ihme verspühret, welche biss um 2 Uhren Nachmttag angehalten, darauf ein Schlaff erfolget, so biss Abend um 9 Uhren gedauret hat, bey dem Erwachen erzeigte sich ein Steck-Fluss [= tödliche Atemeinschränkung], welche ihme alsobald die Rede benommen, und konnte der sel. Herr, ohngeacht aller angewendeten Sorge und Beybringung der kräfftigsten Medicamenten, nicht mehr zu sich selbst gebracht werden. Gott aber liesse ihn nicht lang in diesem betrübten Zustand liegen, indeme er noch in selbiger Nacht zwischen 11 und 12 Uhren, unter Gebätt Herren Pfarrer Stetlers von Bern und der lieben Seinigen sanfft und selig in dem Herrn entschlaffen; seines Alters 62 Jahr und nicht gar 1 Monat.»
Zurück über die Gemmi
Widersprüchlich sind die Angaben zum Todestag. Auf der Gedenktafel steht der 21. Juli, was angesichts der vom Pfarrer bezeugten knappen Vorankündigung der Beerdigung plausibel wirkt. Die Zeit hätte gereicht, den Leichnam nach dem Tod am Freitag am Samstag bis Kandersteg zu bringen (der Weg über die Gemmi war in den zwei Jahren zuvor neu angelegt worden). Am Sonntag früh hätten die Sargträger mit den Hinterbliebenen Frutigen um etwa 7 Uhr erreichen können. In der gedruckten Leichenrede hingegen ist der 14. Juli als Sterbedatum angegeben – eine Woche früher. Schwer nachvollziehbar ist, warum man im Hochsommer mit der Überführung nach Frutigen und der Beisetzung gewartet hätte, zumal Beisetzungen in der Regel spätestens drei Tage nach dem Tod stattfanden. Da nur die in Basel gedruckte Version von Rothenbühlers Predigt überliefert ist, nicht jedoch seine handschriftliche Vorlage, ist ein Übertragungsfehler denkbar. Die Kirchenbücher von Frutigen geben keine Auskunft über den Verstorbenen, da die Totenrodel der Jahre 1728 bis 1767 leider verschollen sind.