TECHNIK Um den Missbrauch künstlicher Intelligenz zu verhindern, haben mehrere Parteien diese Woche einen «KI-Kodex» unterzeichnet. Darin verpflichten sie sich unter anderem, computergeneriertes Material nicht für Negativkampagnen einzusetzen.
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TECHNIK Um den Missbrauch künstlicher Intelligenz zu verhindern, haben mehrere Parteien diese Woche einen «KI-Kodex» unterzeichnet. Darin verpflichten sie sich unter anderem, computergeneriertes Material nicht für Negativkampagnen einzusetzen.
BIANCA HÜSING
Es gehört zum politischen Business und insbesondere zum Wahlkampf, dass man zuspitzt, vereinfacht und es mit der Wahrheit vielleicht nicht immer ganz genau nimmt. Im Wettstreit um die kurze Aufmerksamkeit potenzieller WählerInnen funktionieren simple Botschaften und Emotionen am besten. Ein dramatisches Bild, zwei oder drei Schlagworte dazu – und fertig ist das Wahlplakat. Dass dabei auch Bildbearbeitung zum Einsatz kommt, ist nicht neu und an sich noch nicht gefährlich. Mit der fortschreitenden Enwicklung künstlicher Intelligenz (KI) aber tun sich ganz neue Möglichkeiten auf. Computerprogramme können binnen kürzester Zeit ein bestimmtes Wunsch-Sujet erstellen, können Szenen erzeugen, die in Wahrheit nie stattgefunden haben. Sie könnten Alain Berset zum Teilnehmer einer Demo gegen Covid-Massnahmen machen oder Albert Rösti zum Klima-Kleber.
Gefälschte Werbung mit der eigenen Stimme
Theoretisch kann KI auch Tonaufnahmen manipulieren und aus der Stimme einer bekannten Politikerin eine Rede zusammenstellen, die sie nie halten würde. In diesem Punkt ist die Technik allerdings noch nicht besonders ausgereift – zumindest nicht für schweizerdeutsches Tonmaterial. In Deutschland dagegen sorgte eine solche Stimmenimitation für erheblichen Wirbel. Mithilfe von KI wurde ein Sprecher der ARD-Tagesschau unfreiwillig zur Werbefigur für einen dubiosen Finanzdienstleister. Die Betrüger nutzten sein Bild und seine Stimme, damit der Fernsehmann täuschend echt wirkte – nur dass er für die Werbung nie sein Einverständnis gegeben hatte. In eigenen Statements via Social Media bemüht sich der Journalist nun um Aufklärung, dass «seine» Empfehlungen eine Fälschung sind.
Auslöser war ein FDP-Plakat
Auch die Politik hat das Potenzial der KI längst erkannt. Wiederum in Deutschland nutzen Rechtspopulisten solche sogenannten «Deepfakes» offensiv, um gegen Asylsuchende, Klimaaktivistinnen oder den Gesundheitsminister Stimmung zu machen. Im Schweizer Wahlkampf wird die Technik noch nicht respektive nur zurückhaltend eingesetzt. Mit einer Ausnahme: Anfang Juli sorgte ein Plakat der FDP für Aufsehen. Es zeigte junge Menschen in orangefarbenen Warnwesten, die auf einer Strasse sitzen und den Verkehr blockieren – unter anderem einen Ambulanzwagen mit eingeschaltetem Blaulicht. Der Slogan dazu: «Anpacken statt ankleben!». Das gezeigte Foto war nicht authentisch, sondern von KI erzeugt worden, also computergeneriert. Zwar wies die FDP auf ihren Plakaten selbst auf diesen Umstand hin, trotzdem erntete sie Kritik. Politische Gegner und ein Ethikexperte warfen ihr vor, mit manipulierten Bildern Hass auf eine bestimmte Gruppierung zu schüren.
Als Reaktion auf den Vorfall haben sich SP, Die Mitte, Grüne, Grünliberale und EVP nun einen «KI-Kodex» auferlegt. Sie verpflichten sich dazu, «eine absichtliche Täuschung der Öffentlichkeit mithilfe von KI in ihren Wahl- und Abstimmungskampagnen zu verhindern». Wenn sie KI einsetzen, dann gemäss Kodex nur mit entsprechender Kennzeichnung und nicht für Negativkampagnen.
Die FDP setzt auf Selbstverpflichtung
Die Freisinnigen wollten diesen Kodex nicht unterzeichnen, weil sie sich mit den anderen Parteien nicht über dessen Inhalt einig wurden. Einerseits kritisieren sie den Fokus auf künstliche Intelligenz: «Absurd ist es aus Sicht der FDP, generelle ‹Negativkampagnen› mit KI verbieten zu wollen, wenn dieselben visuellen Effekte mit Photoshop erzielt werden können», teilte die Partei mit. Andererseits hänge es vom jeweiligen Standpunkt ab, was eine Negativkampagne überhaupt sei. Weil sie trotzdem auch die Risiken des KI-generierten Materials sehe, verpflichte sich die FDP aber selbst zu einem transparenten und nicht-missbräuchlichen Umgang damit.
Die SVP hält weder einen KI-Kodex noch eine Selbstverpflichtung für nötig. Wer Fälschungen verbreite, dem falle dies über kurz oder lang sowieso auf die Füsse, so das Argument der Partei.