Ein einsamer Rufer in der Politik?
03.05.2024 FrutigenAm Abendtreff der Pfimi gab EDU-Nationalrat Andreas Gafner Auskunft über den Stellenwert des Christentums im Bundeshaus. Wird Gott zunehmend aus der Politik verbannt?
PETER ROTHACHER
Unter dem Motto «Wenn Gott in der Politik (k)eine Rolle spielt» ...
Am Abendtreff der Pfimi gab EDU-Nationalrat Andreas Gafner Auskunft über den Stellenwert des Christentums im Bundeshaus. Wird Gott zunehmend aus der Politik verbannt?
PETER ROTHACHER
Unter dem Motto «Wenn Gott in der Politik (k)eine Rolle spielt» wurde EDU-Nationalrat Andreas Gafner aus Oberwil zu seinen Erfahrungen im Bundeshaus befragt. Der 53-jährige Bergbauer aus dem Simmental gab Pastor Daniel Zingg am letzten Samstag vor den versammelten Abendtreff-BesucherInnen bereitwillig Auskunft. Anschliessend hielt er ein kurzes Referat zum Thema und zu seinem eigenen politischen Werdegang.
Darauf angesprochen, dass Gott laut dem neuen Testament Führungspersonen, Politiker und Regierungen einsetzt*, absetzt und auch zur Rechenschaft zieht, meinte Gafner: «Zu wissen, dass Gott souverän ist – und ich ihm meine allfälligen Probleme im Gebet darlegen kann, entlastet massiv. Andererseits frage ich mich angesichts diverser anderer Regierungen, die ihr Volk aktuell völlig unterdrücken, schon auch: Sind die wirklich von Gott eingesetzt?»
Während der Sessionen im Bundeshaus gebe es tatsächlich auch besinnliche Momente, hielt der Oberländer fest: «Jeden Mittwoch findet eine für alle Parteien offene, rund 15-minütige Morgenbesinnung mit Gebet statt. Dazu erscheint einerseits jemand Externes. Andererseits sind stets drei offizielle Bundeshaus-Beter anwesend, die sehr diskret unterwegs sind und bei Bedarf ihre Dienste anbieten.»
«Eine völlig schräge Entwicklung»
Grundsätzlich sei heute aber im Bundeshaus kein grosser Gottesbezug mehr feststellbar, hielt der EDU-Mann fest. Vor vier bis fünf Jahrzehnten seien das Volk und deren Vertreter noch vorwiegend christlich-fromm gewesen. «Die Veränderung ist heute spürbar, wenn politische Vorstösse darauf abzielen, die christlichen Bezüge aus der Verfassung zu streichen, wenn die Leute keinen Bezug zu Gott mehr haben, ein schmuckes Kreuz am Hals einer Mediensprecherin kritisiert wird und im Gegenzug solche Sachen wie Halloween zelebriert werden.» Einerseits werde heute Toleranz «gepredigt», andererseits aber bis ins Detail geregelt, was man noch dürfe oder eben nicht. Die aktuellen Diskussionen über Symbole, über sprachliche Formulierungen und deren Verbote erachte er mit seiner liberalen Einstellung als völlig schräge Entwicklung.
SP-Christen und SVP-Christen
Auch wenn er zusammen mit seinem EDU-Kollegen Erich Vontobel (ZH) der SVP-Fraktion angeschlossen sei, fühle er sich kaum einem politischen Parteidruck ausgesetzt, betonte Gafner. Als Repräsentanten der christlichen Wählerschaft seien sie beide anerkannt und würden dementsprechend ihren religiösen Grundwerten treu bleiben. Dabei seien Ehrlichkeit, Gradlinigkeit, Gottesfurcht und Gottvertrauen von zentraler Bedeutung.
Vom Pastor nach den verbindenden christlichen Grundwerten über das gesamte politische Spektrum befragt, erklärte Andreas Gafner: «Transparenz, Ehrlichkeit und Nächstenliebe würde ich da noch nennen. Aber wenn es um konkrete politische Anliegen geht, stehen ein Christ der SP und ein Christ der SVP halt schon relativ weit auseinander.» Und weiter: «Die EDU setzt bei den christlichen Werten beispielsweise auf den Schutz des Lebens – und der endet von der politischen Mitte an auf der anderen Seite des Spektrums dann recht bald.»
«Sei mutig und entschlossen!»
In seinem Kurzreferat ging der Oberwiler, der sich selbst als «privilegierten einfachen Mann vom Lande» sieht, auch auf Aspekte ein, die für ihn persönlich befriedigend seien. «Als ich mit meinen Argumenten als Minderheitssprecher ein Postulat zur Mehrfachdiskriminierung kippen konnte und umgekehrt mit meiner ersten Motion zu pflanzlichen Wirkstoffen gleich reüssierte, genoss ich diese Erfolge mit grosser Dankbarkeit», so Gafner. «Wenn ich zudem in meiner Position Bürgerinnen und Bürgern nach persönliche Anfragen helfen und ihnen mit meinem Rat beistehen kann, freut mich das ebenfalls.»
In Frutigen präsentierte er den Anwesenden eine von vielen an ihn persönlich gerichteten Zuschriften, die ihm selbst Mut machen: «Sei mutig und entschlossen! Lass dich nicht einschüchtern und hab keine Angst! Denn ich, der Herr, dein Gott, stehe dir bei, wohin du auch gehst.» (ein Zitat nach Josua 1,9)
Pastor Daniel Zingg beendete den Anlass, der von der siebenköpfigen Pfimi-Band umrahmt wurde, denn auch mit einem Fürbittengebet für alle Politiker-Innen dieser Welt.
*Anm. d. Redaktion: Im Kapitel 13 des Römerbriefs heisst es: «Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit ausser von Gott; wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott angeordnet.»