Ein Entscheid mit unklarem Ursprung – und unklaren Folgen
26.11.2024 Reichenbach, KientalDie Stimmbevölkerung lehnt die Erhöhung des jährlichen TALK-Beitrags an der Urne überraschend ab. Gespart ist damit allerdings nichts.
JULIAN ZAHND
Daniela Luginbühl dürfte mit gemischten Gefühlen auf den Wahl- und Abstimmungstag ...
Die Stimmbevölkerung lehnt die Erhöhung des jährlichen TALK-Beitrags an der Urne überraschend ab. Gespart ist damit allerdings nichts.
JULIAN ZAHND
Daniela Luginbühl dürfte mit gemischten Gefühlen auf den Wahl- und Abstimmungstag zurückblicken. Einerseits wurde die Gemeinderätin im Ressort Wirtschaft und Bäuerten mit Glanzresultat wiedergewählt (siehe Artikel auf Seite 3). An der Urne jedoch kassierte die Reichenbacher Exekutive eine Niederlage.
53 Prozent sagten Nein
Der Gemeinderat hatte der Bevölkerung eine Erhöhung der jährlich wiederkehrenden Beiträge an die Tourismusorganisation TALK vorgeschlagen. Derzeit fliessen insgesamt 150 000 Franken pro Jahr an die Tourismusorganisation, knapp 35000 Franken davon werden für das ÖV-inklusive-Angebot verwendet. Das Geld stammt aus Kurtaxeneinnahmen und ist daher zweckgebunden: Es darf nur für touristische Events und Infrastruktur im Ort verwendet werden. Da das Geld zunehmend knapp wurde, sollte der jährliche Verpflichtungskredit um 50 000 auf 200 000 Franken erhöht werden. Der Gemeinderat sah vor, auch diesen Mehrbetrag ausschliesslich mit Kurtaxenbeiträgen zu finanzieren.
Dass die Abstimmung kein Selbstläufer sein würde, hatte sich bereits an der Infoveranstaltung einen Monat vor der Abstimmung abgezeichnet. Zahlreiche kritische Fragen an TALK-Geschäftsführer Dominique Lüthy wiesen damals darauf hin, dass die Restskepsis gegenüber den 2017 neu aufgegleisten Strukturen noch nicht ganz verflogen war. Sowohl Lüthy als auch Daniela Luginbühl betonten, bis zum Schluss «optimistisch» gewesen zu sein. Doch das reichte nicht: Am 24. November lehnten 632 BürgerInnen die Krediterhöhung ab, 559 nahmen sie an. Der Nein-Anteil betrug 53 Prozent, die Stimmbeteiligung lag bei 48,9 Prozent.
Die Leute «zu wenig abgeholt»
Luginbühl und Lüthy zeigten sich vom Urnenentscheid nicht nur überrascht, auch können sie sich das Nein nicht erklären. «Wir hatten viele gute Gespräche vor Ort und eine grosse Zustimmung bei den touristischen Betrieben», so Lüthy. Luginbühl findet sogar: «Da es um Kurtaxengeld geht, gibt es eigentlich für niemanden einen Grund, dagegen zu sein.» Der Begriff «eigentlich» ist jedoch oft der Gegenspieler der Realität, Gründe für ein Nein gab es offenbar. Es ist davon auszugehen, dass ein Teil der Ablehnung auf die diffuse Skepsis gegenüber der TALK zurückgeht und als Protestvotum zu verstehen ist. Denkbar ist zudem, dass sich manche BürgerInnen durch ein Nein (fälschlicherweise) einen Spareffekt oder zumindest tiefere Kurtaxenansätze erhofften. Die Informationsbroschüre der Gemeinde könnte daran nicht ganz unschuldig sein: Zwar steht darin geschrieben, dass die Krediterhöhung «vollumfänglich durch Kurtaxengelder finanziert werde». Im Untertitel des Traktandums 1 ist jedoch von einem wiederkehrenden Gemeindebeitrag die Rede. Manche BürgerInnen könnten daraus geschlossen haben, dass das Gemeindebudget bei einer Ablehnung entlastet würde. Im Abstimmungstext stand zudem geschrieben, dass die Kurtaxen pro Nacht von zwei auf drei Franken angehoben werden sollen. Dass diese Erhöhung nicht im Zusammenhang mit der Abstimmung stand und vom Gemeinderat bereits beschlossen worden war, las man jedoch nicht.
Das Geld fliesst, doch wer darf es ausgeben?
Somit ist klar: Einen Spareffekt auf Einheimische oder Gäste hat der Abstimmungsentscheid nicht. Ab 2025 werden zusätzliche Einnahmen in den Kurtaxentopf fliessen – die von der Tourismusorganisation TALK allerdings nicht angetastet werden dürfen. Die StimmbürgerInnen kappten somit nicht die Ausgaben, sondern den Verteilkanal des Geldes.
Fragt man Gemeinderätin Daniela Luginbühl, wie man mit der neuen Situation umzugehen gedenke, antwortet sie: «Fragen Sie mich das in ein paar Wochen oder Monaten wieder. Bis dahin werden wir das Problem irgendwie lösen müssen.» Es ist davon auszugehen, dass die Gemeinde das Geld nun direkt ausgeben wird – und zwar für ähnliche Zwecke wie die TALK.
Verpflichtungskredit für Schülertransporte unbestritten
Das zweite Urnengeschäft fand eine deutliche Mehrheit: Mit 984 zu 188 Stimmen nahmen die StimmbürgerInnen einen Verpflichtungskredit für Schülertransporte an. Die Gemeinde musste den Auftrag für den Transport per Anfang 2025 neu vergeben. Die Kosten belaufen sich auf jährlich 180 000 Franken, wovon der Kanton 50 000 Franken übernimmt.
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