Ein Geschenk für Körper und Geist
07.05.2024 GesundheitEine Bodenplatte, zwei Haltegriffe, ein Bildschirm an der Wand – eher unscheinbar präsentiert sich ein Gerät, das seit Kurzem im Seniorenpark Frutigen steht. Doch der Eindruck täuscht: Der Hightechapparat hat es in sich. Am vergangenen Donnerstag wurde er mit einer ...
Eine Bodenplatte, zwei Haltegriffe, ein Bildschirm an der Wand – eher unscheinbar präsentiert sich ein Gerät, das seit Kurzem im Seniorenpark Frutigen steht. Doch der Eindruck täuscht: Der Hightechapparat hat es in sich. Am vergangenen Donnerstag wurde er mit einer kleinen Feier eingeweiht.
MARK POLLMEIER
«Dividat Senso», so lautet der offizielle Produktname des neuen Geräts. Das ist irgendetwas zwischen Italienisch und Latein, und übersetzen könnte man es mit «geteilter Sinn» oder «geteilte Wahrnehmung».
Damit ist schon recht gut beschrieben, was der Apparat leistet: Er spricht die Wahrnehmung des Gehirns an, fördert aber auch die motorischen Fähigkeiten des Bewegungsapparats (siehe Text rechts).
Wie wichtig das Zusammenspiel von Körper und Gehirn ist, merken wir vor allem, wenn es nicht mehr so gut funktioniert – zum Beispiel nach einer schweren Erkrankung. Einer, der diese Erfahrung selbst machen musste, ist Dr. Marco Negri, der frühere Chefarzt Innere Medizin am fmi-Spital Frutigen. Kurz vor seiner Pensionierung setzte ihn eine schwere Covid-Erkrankung monatelang ausser Gefecht. Während der Rehabilitation lernte er den Dividat Senso kennen – und war begeistert von dessen Möglichkeiten.
Grosszügige Anschubfinanzierung
Wieder genesen, setzte sich Negri im Herbst 2022 dafür ein, dass auch Frutigen ein solches Trainingsgerät erhält. Für die Anschaffung griff er auch gleich selbst in die Tasche und leistete eine grosszügige Anschubfinanzierung – gewissermassen ein Geschenk zur Umbenennung des Pflegeheims Frutigland in Seniorenpark Frutigen.
Für den Rest des fünfstelligen Kaufpreises stellte man einen Unterstützungsantrag an die Stiftung Spital Frutigen und Pflegeheim Frutigland. Doris von Känel, bis Ende März 2024 Co-Leiterin der Seniorenzentren und selbst Mitglied im Stiftungsrat, nahm sich des Projekts an und machte die nötigen Abklärungen. Schliesslich konnte das fehlende Geld von der Stiftung bewilligt werden. Im Januar 2024 wurde dann der Dividat Senso geliefert und steht seitdem gut sichtbar im Eingangsbereich des Seniorenzentrums.
Mittlerweile hat man mit dem Trainingsgerät erste Erfahrungen gemacht, und am letzten Donnerstag wurde der Dividat Senso mit einer kleinen Feier auch offiziell eingeweiht. Von einer Heldengeschichte sprach Reto Koller, der Präsident des Stiftungsrats – denn verschiedene Heldinnen und Helden hätten sich dafür eingesetzt, das Projekt zu realisieren und zu finanzieren und dabei manche Schwierigkeit überwinden müssen.
«Ein Leuchtturm»
Dr. Markus von Gradowski, der Nachfolger von Marco Negri im Spital und Heimarzt für den Seniorenpark, betonte, wie wichtig Bewegung und körperliche Fitness auch für das geistige Wohlbefinden sei. Das neue Gerät biete nun die Gelegenheit, Beweglichkeit und kognitive Fähigkeiten spielerisch zu trainieren. Es sei ein «Leuchtturm» in der Wohngruppe und stehe sowohl den Bewohner-Innen des Seniorenzentrums als auch den PatientInnen des Akutspitals zur Verfügung. Überdies könne er in der Physiotherapie eingesetzt werden.
Spaziergang am See
Dafür, dass dieser «Leuchtturm» fleissig genutzt wird, wird nun unter anderem Franziska Abplanalp zuständig sein, seit 1. April die neue Leiterin der Seniorenzentren. Dabei geht es vor allem darum, Hilfestellung zu leisten und die Hemmschwelle zu senken.
Am Donnerstag, als das neue Trainingsgerät vorgestellt wurde, fand sich denn auch schon ein Bewohner des Seniorenparks ein und absolvierte auf dem Dividat einen kleinen Spaziergang an einem sonnenbeschienenen Seeufer – etwas, das er ohne die Neuanschaffung nicht hätte machen können.
Sogar Ski fahren ist möglich
Das Trainingsgerät besteht aus einer stabilen Bodenplatte mit zwei Haltebügeln links und rechts. Auf dieser Bodenplatte sind Sensoren angebracht, die auf Druck reagieren. Ergänzt wird der Apparat durch einen Bildschirm, der an der Wand hängt.
Das Training funktioniert stets über das Zusammenspiel von Sensoren und Bildschirm. Wie das aussehen kann, zeigt etwa das Programm «Habitat». Dabei erscheinen auf dem Bildschirm vier verschiedene Lebensräume: Himmel, Wald, Savanne, Ozean. Nun wird alle paar Sekunden ein Tier eingeblendet. Befindet es sich im richtigen Lebensraum (Vogel am Himmel) ist nichts zu tun. Taucht das Tier aber im falschen Feld auf (Elefant im Ozean), muss der Nutzer mit dem Fuss den passenden Sensor am Boden drücken. «Verdrückt» er sich, vibriert die Bodenplatte und es ertönt ein entsprechendes Signal: Das war falsch! Spielerisch werden so Wahrnehmung, Reaktion, Beweglichkeit und Muskulatur trainiert.
Eine Wahrnehmung schnell in Bewegung umsetzen zu können, ist wichtig, um Stürze zu vermeiden. Gerade ältere Menschen stolpern schnell einmal über ein kleines Hindernis am Boden. Schaffen sie den nötigen «Ausfallschritt» nicht schnell genug, fallen sie hin, was ernste Folgen nach sich ziehen kann. Ein Spiel wie Habitat hilft, die Stabilität zu verbessen und solche Unfälle zu vermeiden. Das Gerät erinnert sich an die Fortschritte einzelner NutzerInnen, sodass Steigerungen möglich sind, zum Beispiel bei der Geschwindigkeit.
Durch die Vielfalt der Programme bietet das Gerät nahezu unendliche Möglichkeiten, Gehirn und Muskulatur fit zu halten. Auch der Spieleklassiker Tetris ist im Angebot, bei dem die herabfallenden Bausteine ebenfalls durch Gewichtverlagerung gedreht werden. Sogar «Ski fahren» ist möglich. Dabei gilt es, durch die passende Gewichtsverlagerung kleinen Hindernissen auszuweichen, die auf der Piste (also auf dem Bildschirm) auftauchen.
Entwickelt wurde der Dividat Senso in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich, er basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Ausser dem Seniorenpark Frutigen verfügt beispielsweise auch die Stiftung Lohner in Adelboden seit einigen Jahren über ein solches Gerät.