Die Pianistin Christina Harnisch ist in den Konzertsälen der ganzen Welt zu Hause. Sie spielte in Europa, Südamerika und den USA und feierte Erfolge in China. Am Mittwoch trat sie in der reformierten Kirche auf. Harnischs Aufmerksamkeit gilt Klavierwerken aus Frauenhand. Auf der ...
Die Pianistin Christina Harnisch ist in den Konzertsälen der ganzen Welt zu Hause. Sie spielte in Europa, Südamerika und den USA und feierte Erfolge in China. Am Mittwoch trat sie in der reformierten Kirche auf. Harnischs Aufmerksamkeit gilt Klavierwerken aus Frauenhand. Auf der Suche nach unbekannten Komponistinnen hat sie eine besondere Entdeckung gemacht.
RETO KOLLER
Tastengetöse und pianistisches Klanggewitter sind nicht Christina Harnischs Stilmittel. Ihre musikalische Sprache sind die feinen Töne, die Klangfarben und die perlenden Läufe. Ihr einfühlsames Spiel passt zu den Werken der Komponistinnen aus der Romantik, wie etwa Fanny Hensel Mendelssohn oder der wenig bekannten Polin Maria Szymanowska, einer Zeitgenossin von Frédéric Chopin, mit dessen D-Moll-Nocturne das Rezital seinen Anfang nahm.
Kraftvolle und filigrane Töne
Bei ihrem Auftritt in der Adelbodner Kirche letzten Mittwoch führte die Künstlerin jeweils mit Charme in ihr nächstes Stück ein und erzählte von dessen Entstehung. Frauen hatten es im 19. Jahrhundert nicht leicht, sich einen Platz im männerdominierten Konzertbetrieb zu erobern, auch wenn sie noch so begabt waren. Dies galt auch für das damalige Klavier-Wunderkind Cécile Chaminade (1857 – 1944). Sie trat bereits mit acht Jahren öffentlich auf. Der hochtalentierten jungen Französin blieb das Studium am Pariser Konservatorium verwehrt. Nur dank ihrer begüterten Eltern konnte sie Privatunterricht bei den besten Lehrern ihrer Zeit nehmen. Als Pianistin machte Chaminade vor allem in den USA Karriere, doch ihre vielen Kompositionen gerieten in Vergessenheit. Christina Harnisch darf von sich behaupten, die Komponistin dem Dornröschenschlaf entrissen zu haben. Sie spielte die wundervolle C-Moll-Sonate voller Einfühlung und mit grosser pianistischer Kunst. Dass die Bernerin das kraftvolle, zuweilen gar aggressive Spiel ebenso beherrscht wie die filigranen Töne, bewies sie in einem Werk einer weiteren wenig bekannten polnischen Komponistin der frühen Moderne. Christina Harnisch schloss ihren bewegenden Auftritt mit einem Werk von Claude Debussy, aus dessen Feder auch die vom Publikum stürmisch verlangte Zugabe stammt. Im Stück «Brouillards» liess die Pianistin zum Ausklang feine musikalische Nebelschwaden durch das Kirchengewölbe ziehen. Anschliessend stand sie dem leider nicht allzu zahlreichen Publikum Red und Antwort. Dass sich nicht mehr Besucherinnen und Besucher in der Kirche einfanden, war der einzige Wermutstropfen dieses an musikalischen Höhepunkten reichen Abends.