«Ein megaguter Umgang»
16.01.2024 GesundheitBei angehenden Ärztinnen und Ärzten ist das fmi-Spital Frutigen sehr beliebt. Viele kommen von weit her, um im Berner Oberland ein paar Wochen Praxiserfahrung zu sammeln. Die Landschaft und die Freizeitmöglichkeiten spielen dabei eine Rolle, aber auch das Arbeitsklima wird ...
Bei angehenden Ärztinnen und Ärzten ist das fmi-Spital Frutigen sehr beliebt. Viele kommen von weit her, um im Berner Oberland ein paar Wochen Praxiserfahrung zu sammeln. Die Landschaft und die Freizeitmöglichkeiten spielen dabei eine Rolle, aber auch das Arbeitsklima wird von vielen geschätzt. Was ist das Besondere am Standort Frutigen?
MARK POLLMEIER
«Ich hatte eine unglaublich schöne und lehrreiche Zeit», schwärmt ein Medizinstudent aus Dresden auf der Internetplattform PJ-Ranking über sein Praktikum in Frutigen (siehe Kasten rechts). «Ich wurde vom ersten Tag an sehr herzlich aufgenommen und fest ins Team integriert.» Man dürfe schnell selbstständig arbeiten und eigene Patienten betreuen, lobt der Jungmediziner in seinem Erfahrungsbericht. Dann wird es handfest: «Man darf viel nähen und gelegentlich auch bohren und schrauben.»
Was für potenzielle PatientInnen wenig angenehm tönt, ist für Ärztinnen und Ärzte in der Ausbildung attraktiv: Wer motiviert ist, wird schnell in den Spitalalltag einbezogen und kann entsprechend viel lernen. Aber das ist nicht alles: Gerade für diejenigen, die von weit her kommen, etwa aus Nord- oder Ostdeutschland, hat Frutigen auch sonst viel zu bieten. Auf pj-ranking.de werden etwa die ganzjährigen Freizeitangebote in der Region erwähnt. Die Möglichkeit, zusammen mit anderen auf dem Spitalgelände zu wohnen, stufen viele als sehr nützlich ein. Selbst der Schweizer öV wird häufig gerühmt: damit könne man schnell und zuverlässig das ganze Land bereisen.
Gute Noten aus dem deutschsprachigen Ausland – aber wie sieht es mit dem einheimischen Nachwuchs aus?
Dass es in Frutigen unkompliziert zugeht, zeigt eine Anfrage bei Dr. Peter Häfliger. Er ist leitender Arzt der Orthopädie in Frutigen und zuständig für die jungen MedizinerInnen, die hier einen Teil ihrer praktischen Ausbildung machen wollen. Ja, man könne gern vorbeikommen und mit einigen angehenden MedizinerInnen sprechen, antwortet Häfliger per Mail. Wenige Tage später sitzen drei von ihnen an einem Tisch in der Cafeteria. Es ist kurz vor 10 Uhr am Morgen und sie geben bereitwillig Auskunft.
Selbst schon mal «Kunde» gewesen
Obwohl alle drei in Basel Medizin studieren und sich von dort kennen, ist es Zufall, dass sie sich nun in Frutigen wiederbegegnet sind. Die Wege, wie sie ans fmi-Spital kamen, sind denn auch ganz unterschiedlich.
Gabriel Huwyler stammt aus dem Kanton Basel-Landschaft. Seine Familie besitzt eine Ferienwohnung in Adelboden, deswegen kennt er die Gegend schon länger – und auch das fmi-Spital. Er sei hier nämlich schon mal «Kunde» gewesen, erzählt er.
In der praktischen Phase der Ausbildung werde darauf geachtet, dass man sowohl grössere Spitäler oder Unikliniken als auch die Arbeit in kleinen Spitälern oder Arztpraxen kennenlerne, erklärt Gabriel Huwyler. Er selbst war zuvor am Kantonsspital Luzern und am Basler Claraspital. «Für die letzten zwei Monate habe ich mich bewusst für ein Spital in den Bergen entschieden.» Weil er einen Bezug zur Gegend hatte, bewarb er sich in Frutigen, und zwar schon vor drei Jahren. Die Wartezeiten sind lang – auch, weil der Standort Frutigen im PJ-Ranking stets auf den vordersten Plätzen landet.
Typische Sportverletzungen
Warum gerade ein Spital in einer Bergregion? «Die Krankheitsbilder, die hier behandelt werden, interessieren mich», sagt Huwyler. Gemeint sind damit Verletzungen, wie sie vor allem bei Schneesportunfällen auftreten. «Ich bin deswegen auch bewusst im Winter hierhergekommen.» Mitte Dezember, zum Zeitpunkt des Gesprächs, hat die Saison noch nicht richtig begonnen, aber der frühe Schneefall hat schon einige Wintersportler in die Berge gelockt. Das merkt man auch im Spital. «Es zieht langsam an», sagen die drei Unterassistenten. Am Wochenende zuvor wurden mehrere Leute behandelt – mit ganz verschiedenen Sportverletzungen. Bei Skifahrern seien eher die unteren Extremitäten betroffen, bei Snowboardern die Hände, nach Zusammenstössen auch mal die Rippen oder der Kopf. «Es kann alles Mögliche sein», bestätigen die drei.
Für die Schwester eingesprungen
«Wenn am Wochenende schönes Wetter ist, merkt man das sofort», sagt die Luzernerin Sofia Burgener mit Blick auf die Zahl der Patienten. Das «Publikum» sei unterschiedlich, über die Weihnachtsfeiertage werde es zum Beispiel internationaler. Auch Burgener absolviert zwei Monate in Frutigen – und das hat auch mit ihrer Zwillingsschwester zu tun. Die studiert ebenfalls Medizin und wollte unbedingt ans fmi-Spital. «Allerdings studiert sie in Zürich und hat einen etwas anderen Studienverlauf», erzählt Sofia Burgener. Deswegen habe es bei ihrer Schwester nicht geklappt mit dem fmi-Spital, stattdessen sei sie dann quasi eingesprungen. «Ich kannte Frutigen nicht», gibt die Luzernerin zu. Aber auch sie interessiert sich für die typischen Krankheitsbilder in einem Bergspital – und natürlich auch für die Sport- und Freizeitmöglichkeiten der Region.
WG-Atmosphäre im Wohnheim
Der Dritte im Bunde ist Johan Perera. Er kommt aus Basel, wo er auch studiert hat. Auch er interessierte sich für die Sparte Skiunfälle: «Ich habe mich dann ganz gezielt für die Chirurgie in Frutigen beworben, vor drei Jahren schon.» Nun ist er einen Monat am fmi-Spital. Die Zeit reiche, um einen Einblick zu bekommen.
Wie fast alle auswärtigen Praktikant-Innen wohnt auch Perera im Personalhaus des Spitals. Die drei Basler haben ihr eigenes Zimmer im gleichen Stockwerk, Bad und Küche nutzen sie gemeinsam. Insgesamt sind derzeit sieben angehende ÄrztInnen in Frutigen, fünf auf der Chirurgie, zwei auf der Inneren. «Im Personalhaus ist es ein bisschen wie in einer WG», beschreibt Sofia Burgener die Wohnsituation. Man finde auch immer jemanden, mit dem man etwas unternehmen könne. Die Unterassistenten, die hier ihr Praktikum absolvieren, dürfen ihre Dienstpläne selbst machen. So kann auch mal eine Schicht getauscht werden, wenn jemand etwas vorhat.
Die Arbeit des Arztnachwuchses spielt sich vor allem tagsüber ab: Sie sind bei den Operationen dabei, die meist am Vormittag durchgeführt werden. Daneben betreuen sie PatientInnen, nehmen an den Rapporten teil, bereiten ambulante Kontrollen vor. Nachts müssen Bereitschaftsdienste abgedeckt werden.
Rückkehr nicht ausgeschlossen
Es sei ein «megaguter» Umgang in Frutigen, bestätigen die drei: vertrauensvoll, persönlich, familiär. Die eigene Arbeit werde wertgeschätzt. «Nach etwa zwei Wochen hat man sich eingearbeitet», sagt Gabriel Huwyler. Danach könne man mitarbeiten und sich, je nach Dauer des Praktikums, auch stärker einbringen. Können die drei sich denn vorstellen, irgendwann nach Frutigen zurückzukehren und dort eine feste Stelle anzutreten? «Warum nicht?», lautet die einhellige Antwort. Die Arbeit in einem kleineren Spital sei durchaus attraktiv, man könne dort viel selbst machen. In grösseren Spitälern sei die medizinische Bandbreite grösser – auch das könne interessant sein.
Froh über die Unterstützung
Im fmi-Spital ist man jedenfalls froh, dass sich der Nachwuchs für die Arbeit in Frutigen interessiert. «Die Unterassistenten werden gebraucht für den reibungslosen Ablauf im Tagesgeschäft», sagt Peter Häfliger. Sie würden unter anderem bei Operationen assistieren oder ambulante Nachkontrollen vorbereiten und durchführen. «Zudem hat immer ein Unterassistent nachts Pikettdienst für Notfalloperationen, was wir mit unseren Assistenten gar nicht abdecken könnten.» Häfligers Fazit: Ohne Unterassistenten würde der Spitalalltag nicht funktionieren. «Und genau darum schauen wir so gut zu ihnen.» In Frutigen begegne man den Praktikanten mit Wertschätzung – etwas, das in anderen Klinken möglicherweise nicht selbstverständlich sei.
Frutigen ganz vorn
In Deutschland wird der praktische Teil der Medizinerausbildung PJ genannt, eine Abkürzung für praktisches Jahr. Auf der Website pj-ranking.de teilen Studierende ihre Erfahrungen während dieser Phase. Gelistet sind Spitäler von Äthiopien bis Vietnam, die mit Abstand meisten der über 40000 Einträge stammen allerdings aus dem deutschsprachigen Raum, unter anderem aus der Schweiz (über 5000 Einträge).
Neben den Erfahrungsberichten gibt es ein Ranking, in dem die am besten bewerteten Spitäler der letzten drei Jahre gelistet sind. Das fmi-Spital Frutigen rangiert dort stets auf den vordersten Plätzen, nicht selten sogar auf dem ersten Platz. Aktuell steht Frutigen auf Platz 2, sehr knapp hinter einer Klinik in Garmisch-Partenkirchen.
Wer sich durch die einzelnen Erfahrungsberichte klickt, lernt mitunter ganz neue Vokabeln kennen. So ist etwa von UHUs die Rede. Die Abkürzung steht wörtlich für «Unterhunde» und meint Unterassistenten – also jenen Status, den die angehenden MedizinerInnen im Spital haben. Die drei befragten BaslerInnen (siehe Hauptartikel) kannten den Begriff, fanden aber, er sei mittlerweile wohl etwas in die Jahre gekommen.
POL
Mehr Geburten in den fmi-Spitälern
Landesweit ging die Geburtenrate auch im Jahr 2023 zurück. Im Kanton Bern machte sich der Trend jedoch kaum bemerkbar – an vielen Spitälern wurden sogar etwas mehr Geburten verzeichnet als noch 2022, so etwa am Berner Inselspital (über 2200 Kinder) oder am Spital Biel (881 Kinder). In den beiden fmi-Spitälern Interlaken und Frutigen kamen im letzten Jahr 583 Kinder zur Welt – 16 mehr als noch 2022. Einen leichten Geburtenrückgang verzeichnete dagegen die Spital STS AG in Thun, dort waren es 1099 Geburten (67 weniger als im Vorjahr). Auch das Spital Emmental vermeldete für seine Geburtsabteilung etwas weniger Babys: 2023 waren es 871, im Jahr zuvor seien es 880 gewesen. Insgesamt bleibt die Zahl der Geburten im Kanton Bern jedoch relativ stabil.
POL