Vier junge Musikerinnen traten am Freitagabend in der Ideenwerkstatt der Künzi+Knutti AG auf, und selten hat ein Ensemble einen Auftrittsort wohl so raumgreifend genutzt.
MARK POLLMEIER
Die Begrüssung ist gemacht, und eigentlich sollte das Ensemble nun ...
Vier junge Musikerinnen traten am Freitagabend in der Ideenwerkstatt der Künzi+Knutti AG auf, und selten hat ein Ensemble einen Auftrittsort wohl so raumgreifend genutzt.
MARK POLLMEIER
Die Begrüssung ist gemacht, und eigentlich sollte das Ensemble nun die Bühne betreten. Von irgendwo weiter hinten sind Streichinstrumente zu hören. Einzelne Töne werden gestrichen und gezupft, als würden sich die vier Musikerinnen noch aufwärmen. Als eine von ihnen, immer noch weiterspielend, den grossen Raum betritt, beginnt das Publikum verhalten zu applaudieren. Ein Moment der Irritation entsteht: Sind das noch Vorbereitungen – oder hat das Konzert schon angefangen? Eine energische, gemeinsam gespielte Tonfolge schafft Klarheit: Das erste Stück hat längst begonnen.
«We are ...» heisst das Auftragswerk, das sich das Moser String Quartet von Verena Weinmann hat komponieren lassen, und die drei Fortsetzungspünktchen hinter dem Titel lassen erahnen: Hier geht es darum, Spielräume auszuloten.
Annäherung und Konkurrenz
Wer sind wir? Auch die vier Musikerinnen scheinen, während sie das Stück interpretieren, dieser Frage nachzugehen. Sie bewegen sich mit ihren Instrumenten im Raum, nehmen verschiedene Positionen ein, wechseln wortwörtlich den Standpunkt. Auch musikalisch sind sie dabei auf der Suche. Tonhöhe, Rhythmus und Tempo wechseln, auf Momente der Stille folgen schrille, chaotisch anmutende Sequenzen. Mal nähern sich die Stimmen an und spielen fast gemeinsam, mal entfernen sie sich voneinander oder machen sich gar gegenseitig Konkurrenz.
«We are …» – die Leerstelle bleibt am Ende offen, und vielleicht liegt gerade darin schon die Antwort. In einer Welt der fast unendlichen Möglichkeiten ist es schwierig, die eigene Rolle zu finden. Soll ich mich anpassen und mit dem Strom schwimmen? Oder eigenständig sein – und damit vielleicht einsam bleiben? Welcher Weg ist der richtige? Jede Entscheidung hat Konsequenzen und verändert auch meine Position und die Beziehung zu anderen.
Die Bürde der Freiheit
Freiheit sei ein Leitmotiv im Schaffen der jungen Komponistin Weinmann, hatte die Moderatorin Magdalena Schatzmann in ihrer Einführung gesagt. Dass Freiheit auch eine Herausforderung, ja eine Bürde sein kann, wurde in der Auftragsarbeit «We are …» deutlich. Sofern die jungen Interpretinnen diese Bürde gespürt haben, liessen sie sich das zumindest nicht anmerken: Als die letzten beiden, gezupften Töne des ungewöhnlichen Stücks verklungen waren, schauten sich die vier an und lachten.
Der grössere Teil des Konzertabends verlief dann deutlich geordneter und konventioneller. Mit Haydns «Vogelquartett» war ein echter Kammermusikklassiker zu hören, und die zwitschernde erste Geige, gespielt von Patricia Muro, machte dem Beinamen des Werks alle Ehre. Kein Wunder, dass Mozart ein grosser Fan speziell dieses Streichquartetts war.
Das vorläufige Ende des Konzerts bildete Johannes Brahms’ Streichquartett in a-Moll (op. 51,2). Während Haydn zuvor über weite Teile heiter und verspielt getönt hatte, ging es nun eher melancholisch weiter, eine Stimmung, die jedoch mit jedem Satz abnahm. Im Finale schien dann Brahms’ Faible für Volkstümliches auf, was dem Schlusssatz stellenweise etwas fast Tänzerisches verlieh.
Bevor man eine Etage tiefer zum Apéro überging, forderte das Publikum in der vollbesetzten Ideenwerkstatt mit rhythmischem Applaus eine Zugabe. So erklang zum Abschluss mit dem zweiten Satz aus dem «Quintenquartett» noch einmal Altmeister Haydn.
Und niemand heisst Moser
Das Moser String Quartet ist international besetzt mit zwei Spanierinnen, einer Italienerin und einer Japanerin. Den Namen Moser trägt keine der jungen Musikerinnen. Des Rätsels Lösung ist ein Ort, an dem die vier regelmässig üben und viel Zeit verbringen: das «Rudolf-Moser-Haus» der Hochschule für Musik in Basel. Benannt ist es nach dem 1960 verstorbenen Schweizer Komponisten und Musikpädagogen Rudolf Moser. Einer von Mosers Schülern war der Geigenvirtuose Yehudi Menuhin.
POL
Vom Holz zum Klang
Von Heinrich Hempel, dem Präsidenten des Vereins Orpheus Swiss Chamber Music Competition, bekamen die Mitglieder des Moser String Quartet die Urkunden über den 2. Wettbewerbspreis überreicht. Dabei widmete Hempel einige Sätze dem naheliegenden Thema Holz. Die Ideenwerkstatt der Künzi+Knutti AG nannte er eine «kleine Kathedrale» aus Holz, und aus einem Stück Holz seien ja letztlich auch die Instrumente der Musikerinnen gefertigt worden. «Es ist immer wieder ein kleines Wunder, wie dieses Stück Holz klingen kann», so Hempel. Allseits gelobt wurde die ausgezeichnete Akustik des Auftrittsortes, der zwei Generationen zuvor noch ein Stall gewesen sei, wie Verwaltungsratspräsident Oliver Künzi in seiner Begrüssung erwähnte.
POL