Ein Tag im Zeichen der Pilze
26.09.2025 Reichenbach, KientalPilze sind aufgrund ihrer Vielfalt faszinierende Organismen. Sie haben sogar einen eigenen Ehrentag: den «European Mushroom Day». Dieser Europäische Pilztag findet jedes Jahr am vierten Samstag im September statt – also morgen – und wurde 2016 von der ...
Pilze sind aufgrund ihrer Vielfalt faszinierende Organismen. Sie haben sogar einen eigenen Ehrentag: den «European Mushroom Day». Dieser Europäische Pilztag findet jedes Jahr am vierten Samstag im September statt – also morgen – und wurde 2016 von der populärwissenschaftlichen Zeitschrift «Der Tintling» ins Leben gerufen. Die Volkshochschule Frutigland hat zur Pilzsuche ins Kiental eingeladen.
RAHEL ROESTI
Ziel des Ehrentages ist es, Wissen über Pilze als wichtigen Bestandteil unseres Ökosystems zu vermitteln, traditionelle Pilznamen zu bewahren und auf die Wichtigkeit des Schutzes ihrer Lebensräume hinzuweisen. 2025 findet zum zweiten Mal auch in der Schweiz ein nationaler Tag der Pilze statt, der zur Stärkung der heimischen Pilzwirtschaft und -qualität genutzt wird. Zur Feier dieses Tages hat der «Frutigländer» am Kurs «Essbare Pilze kennenlernen und sammeln» aus dem vielfältigen Programm der Volkshochschule Frutigland teilgenommen.
Am Samstagmorgen fanden sich 18 TeilnehmerInnen vor dem Bistro des Alpentheaters Kiental ein. Kursleiter Ueli Kehrli begann den Kurs mit einer Erklärung über die drei Aufgabenbereiche der Pilze: Ihre Hauptaufgabe sei es, alles wieder zu organischem Material zu zersetzen; viele würden ausserdem Lebensgemeinschaften mit Bäumen eingehen, um mehr Wasser oder Nahrung aufzunehmen – und die dritte Kategorie seien Schmarotzer, die Lebewesen befallen und krank machen.
Der Weg zum Kontrolleur
Kursleiter Ueli Kehrli ist seit 30 Jahren Pilzkontrolleur in Brienz. Er ist Mitglied im Verein für Pilzkunde Interlaken und Umgebung, denn ohne regelmässige Praxis würde man schnell den Anschluss verlieren. «Schon seit der dritten Klasse bin ich mit meinem Ätti in die ‹Schwümm› mitgegangen.» Eine Kontrolle ist bei Kehrli kostenlos, er erhält von der Gemeinde eine Jahresentschädigung für seinen Dienst. Wer Pilzkontrolleur werden will, muss in der landwirtschaftlichen Schule Landquart in Graubünden einen einwöchigen Kurs mit sieben Prüfungen ablegen, unter anderem eine Giftprüfung zu Beginn, bei der man die giftigsten Pilze in einem Zehn-Punkte-System nach Kriterien wie beispielsweise der Hautoberfläche, Lamellenfarbe oder Stielansatz und -basis erkennen muss. «Fällt man dort durch, kann man es gleich lassen», so Kehrli.
Anschliessend begab sich die Gruppe zum Sammeln ins Gelände oberhalb der Talstation der Sesselbahn Ramslauenen. Ueli Kehrli erklärte, dass man sich vor dem Sammeln immer erst einen Überblick über das Gebiet verschaffen sollte. Was gibt es für Bäume? Sind Wasserläufe zu erkennen? Wo sind die Waldränder, allfällige Lichtungen? Pilze würden je nach Gattung oft unter ähnlichen Bedingungen wachsen. Vor allem die Beschattung spiele eine grosse Rolle. Insbesondere ungedüngte und ungemähte Magerwiesen seien gute Plätze, um Pilze zu finden.
Vielfalt und Risiken
Allein im Berner Oberland gibt es bis zu 6000 Pilzarten. Schweizweit sind etwa 154 als Speisepilze gelistet. Ueli Kehrli kennt als Kontrolleur rund 300 verschiedene Pilze. In unserer Region gilt der Grüne Knollenblätterpilz als giftigster Pilz. Fünf bis zehn Gramm reichen für eine tödliche Vergiftung. «Vier bis zwölf Pilzsporen atmet jeder von uns gerade ein. Sporen allein sind ungefährlich. Lediglich das Fruchtfleisch kann gefährlich werden», erläuterte Kehrli. Die letzte tödliche Pilzvergiftung habe es in der Schweiz 2023 gegeben.
Der Mensch könne Pilze nicht ausrotten, höchstens an manchen Stellen das Vorkommen mindern (beispielsweise auf Trampelpfaden). Habe man einmal an einem Ort Steinpilze gefunden, seien dort auch zukünftig wieder welche zu finden. Pilze sind standorttreu. Auch am Mondzyklus könne man sich orientieren
– finde man zum Beispiel einen Pilz zum Vollmond, werde auch beim nächsten Vollmond an dieser Stelle mit Sicherheit dieselbe Art zu finden sein, erklärte Ueli Kehrli während des Sammelns.
Folgende rechtlichen Bestimmungen sind für das Sammeln zu beachten: Im Naturschutzgebiet ist jegliches Pflücken von Pflanzen verboten, im Kanton Bern sind maximal zwei Kilogramm pro Person und Sammeltag erlaubt, und grundsätzlich ist das Sammeln in Gruppen verboten (nur im Rahmen einer Exkursion oder Schulung erlaubt). Die Pilzsaison dauert im Frutigland von Anfang September bis zum ersten Frost.
Auf der kurzen Wanderung im Kiental fand die Gruppe eine Vielzahl an guten Speisepilzen, darunter den Schopftintling, Steinpilze (einer der wenigen Pilze, die auch roh verzehrt werden können – Fun Fact: Sind im längs aufgeschnittenen Steinpilz auf einem Quadratzentimeter maximal zwei Wurmlöcher zu sehen, gilt dieser als 1A-Qualität), einen Riesenbovist, Riesenschirmlinge oder den Würzpilz Habichts-/ Rehpilz.
Kursprogramm Volkshochschule Frutigland:
www.vhs-frutigland.ch/