Ein vielseitig aktiver Rentner
04.10.2024 KrattigenFürs Alphornblasen scheut Willy Turtschi fast keinen Aufwand. Ende August stellte er auf der Klewenalp mit insgesamt 1006 AlphornbläserInnen einen neuen Weltrekord auf. Auch sonst ist der pensionierte Sattler noch umtriebig. Auf dem Ballenberg führt er regelmässig ...
Fürs Alphornblasen scheut Willy Turtschi fast keinen Aufwand. Ende August stellte er auf der Klewenalp mit insgesamt 1006 AlphornbläserInnen einen neuen Weltrekord auf. Auch sonst ist der pensionierte Sattler noch umtriebig. Auf dem Ballenberg führt er regelmässig seinen einstigen Beruf vor.
KATHARINA WITTWER
Ursprünglich stammt Willy Turtschi aus Spiez. Hier absolvierte er auch seine Ausbildung zum Sattler in einem Innendekorations- und Sattlergeschäft. Nach der abgeschlossenen Ausbildung zog der in Faulensee Aufgewachsene nach Busswil bei Büren an der Aare, wo er sich bald als Sattler und Polsterer selbstständig machte. Dank der vielen Nähaufträge für die Armee konnte er sein Einmanngeschäft erfolgreich betreiben. Im Seeland fühlte er sich rasch heimisch und gründete eine Familie. Trotzdem pflegte er stets Kontakt zu seinen Weggefährten aus der Jugend.
«Dieses Jahr hätten wir Goldene Hochzeit feiern können. Leider verstarb meine Frau vor zwei Jahren an Krebs», bedauert er. Seine Braut Marlies, eine Seeländerin, hatte er vor exakt 50 Jahren in der Kirche Faulensee zum Traualter geführt. Gefeiert wurde damals im «Bären» Krattigen. Nach ihrem Tod wollte der Witwer wieder in seine Heimat zurückkehren. In Spiez fand er jedoch keine Wohnung, die seinen Vorstellungen entsprochen hätte. «Meine Bedingungen waren: Lift, Seesicht, Nähe von öV-Haltestellen und Einkaufsmöglichkeiten. Fündig geworden bin ich in Krattigen, direkt unterhalb des ‹Bären›. Somit hat sich der Kreis geschlossen», meint der 76-Jährige.
Folklore, sein grosses Hobby
Lange war Turtschi begeistertes Mitglied in einem Jodlerklub. Und noch länger interessiert er sich bereits für Blasinstrumente. «Schon während meiner Lehre blies ich in leere Teppichröhren und versuchte, diesen Hohlkörpern möglichst viele unterschiedliche Töne zu entlocken», erzählt er. 1993 besuchte er einen Alphornbläserkurs, worauf er sich gleich ein solches Instrument anschaffte und der Alphorngruppe Seeland beitrat. Zum 50. Geburtstag schenkte ihm seine Frau zusätzlich einen Büchel. Dieses Holzblasinstrument ist in der Innerschweiz populär. Selbstverständlich nähte er für beide Instrumente eine Tragtasche. «Im Gegensatz zum Alphorn, mit dem man lange Töne bläst, kann man dem Büchel kurze, zackige entlocken», erklärt der eifrige Bläser die Unterschiede zwischen den beiden Instrumenten.
So oft wie möglich lädt der Rentner seine Instrumente ins Auto. Beim Schützenhaus oberhalb des Dorfes übt er zuerst auf dem Alphorn, und nach einer Verschnaufpause wechselt er zum Büchel. Manchmal fährt er mit seinen Instrumenten ins hintere Kiental. Gerne stellt er sich dort zwischen Felsen und erfreut sich selbst und die Touristen mit einem wunderschönen Echo.
«Das war ein super Erlebnis!»
Der GA-Inhaber reist oft mit dem öV im Land umher. Während der Sommermonate demonstriert er jeden zweiten Dienstag im Bauernhaus aus Lancy (Gebäude Nr. 551) auf dem Ballenberg sein Handwerk im Wechsel mit anderen pensionierten Sattlern.
Für sein grosses Hobby, das Alphornblasen, ist ihm fast kein Aufwand zu gross. Regelmässig nimmt er irgendwo in der Schweiz an Jodlerfesten und Alphorntreffen teil und lässt seine Darbietung bewerten. Den absoluten Höhepunkt erlebte er Ende August, als er an einem Weltrekordversuch auf der Klewenalp (NW) mitwirkte. «Das war ein super Erlebnis!», schwärmt er noch heute. «Alles war bestens organisiert. Der Anmeldebestätigung lagen die Noten fürs Wettstück ‹Uf der Bänklialp› und der persönliche ‹Tagesbefehl› bei. Weil ich das Klewenalp-Festival von Freitagabend bis und mit Sonntag geniessen wollte, hatte ich in Beckenried eine Unterkunft gebucht.»
Da sich Turtschi für die erste Stimme angemeldet hatte, war er ganz zuoberst eingereiht. Während des fünfminütigen gemeinsamen Blasens zirkulierten sogenannte «Stewards» durch die Reihen und kontrollierten, ob auch wirklich alle bliesen. Es gibt nämlich immer wieder Teilnehmer, die bloss so tun als ob – was den Eintrag ins «Guinness-Buch der Rekorde» verhindert hätte. Natürlich waren Radio- und Fernsehteams und – wie vorgeschrieben – ausländische Vertreter der «Guinness World Records»- Organisation vor Ort. Dass er einer von 1006 BläserInnen war, die diesen neuen Rekord ermöglichten, erfüllt Willy Turtschi mit Stolz.
Solange wie möglich will er noch aktiv bleiben. Dazu gehört auch die selbstständige Führung seines Haushaltes. «Einzig das weisse Trachtenhemd bügelt mir eine Nachbarin. Sonst besorge ich meinen Haushalt allein», verrät der umtriebige Rentner augenzwinkernd.