Diese Selfie-Reihe öffnet ein Fenster ins Leben junger Menschen im Frutigland. Zehn junge Erwachsene erzählen, was sie beschäftigt, freut, stresst oder hoffen lässt. Sie zeigen, wie es ist, heute jung zu sein. In dieser Ausgabe lernen wir Faisal Zaland ...
Diese Selfie-Reihe öffnet ein Fenster ins Leben junger Menschen im Frutigland. Zehn junge Erwachsene erzählen, was sie beschäftigt, freut, stresst oder hoffen lässt. Sie zeigen, wie es ist, heute jung zu sein. In dieser Ausgabe lernen wir Faisal Zaland kennen.
«Ich bin neunzehn Jahre alt und wohne in Frutigen. Wenn ich morgens aufstehe, ist draussen noch alles dunkel. Um vier Uhr klingelt mein Wecker, und um 5.45 Uhr bin ich an meinem Arbeitsplatz in der Backstube Felder in Spiez. Zuerst absolvierte ich dort ein einjähriges Praktikum, dann sagte mein Chef: «Ich gebe dir eine Chance, du kannst hier eine Ausbildung machen.» Seit August bin ich of- !ziell in der Lehre als Bäcker, und ich mache meine Arbeit wirklich gern.
Am liebsten bereite ich Nussgipfeli zu. Die kann ich von Anfang bis Ende ganz allein machen, vom Vorbereiten bis zum Backen. Auch Laugengipfeli kann ich selbst «abtischen», also fürs Backen vorbereiten: 20 Stück pro Blech, 20 Bleche pro Wagen. Das sind 400 Stück.
Ich habe auch gelernt, wie man Urdinkelbrot macht. Nach der Arbeit koche ich oft etwas, erledige Hausaufgaben und bereite mich auf die Schule vor. Wenn ich noch Zeit habe, gehe ich mit dem Velo hinaus. Am liebsten fahre ich am Wald entlang bis zur Hängebrücke in Hostalden. Manchmal kommt mein Freund Mustakim mit. Wir reden dann über unsere Zukunft und über unsere Ziele.
Ich möchte einmal ein schönes Haus in der Schweiz kaufen und ein Auto – am liebsten einen Lamborghini. Und ich möchte genug Geld sparen, um meine Familie in Afghanistan zu besuchen. Meine Eltern und Geschwister leben dort. Ich telefoniere mit ihnen, wenn es Internet gibt. Meine Mutter sagt immer: «Pass auf dein Leben auf, bleib gesund und mach Sport.» Das setze ich so gut wie möglich um. Am meisten vermisse ich meine Mutter. Ich hoffe, dass ich sie in drei oder vier Jahren besuchen kann. Das wird ein ganz besonderer Tag für mich und meine Familie.
Als ich in der Schweiz angekommen bin, musste ich im Asylheim meinen Namen schreiben, aber ich konnte es nicht. In meiner Heimat habe ich keine Schule besucht. Dann habe ich angefangen, täglich zwei bis drei Stunden zu üben, Buchstaben zu lesen und zu schreiben. Mittlerweile kann ich ein bisschen lesen und schreiben – noch nicht perfekt, aber es wird immer besser. Mein Tipp, wenn man etwas erreichen will, ist dieser: Wenn man etwas möchte, muss man früh aufstehen, arbeiten, üben und nie aufgeben. Ich probiere einmal, zweimal, dreimal, aber ich gebe nie auf.
In meiner Freizeit fahre ich gern Rollschuh und im Winter manchmal Ski. Ich war jetzt schon viermal und möchte diese Saison unbedingt wieder gehen. Ich schaue viele Fussballvideos von Ronaldo oder Lamine Yamal auf meinem Handy und lache viel – auch bei der Arbeit. Mein Chef fragt manchmal: «Warum lachst du so viel?» Dann sage ich: «Weil es gesund ist! Wenn ich mich als Emoji beschreiben müsste, wäre es das lachende Gesicht. Das passt zu mir.»
AUFGEZEICHNET VON SARAH WNUK